Test

Sonic Superstars

Von Robert Emrich am 14.11.2023

Segas Sonic Team könnte einem beinahe leid tun. Da arbeitet man jahrelang an einem “Sonic Mania” Nachfolger und ist endlich soweit, das Werk mit der Welt zu teilen, nur um feststellen zu müssen, dass der ewige Widersacher in der blauen Latzhose nach mehr als zehn Jahren 2D-Pause in derselben Woche auf Wunderblumenjagd geht. Ein bemerkenswert unglückliches Timing, das die meisten Entwickler wohl tunlichst vermeiden, wenn sie nicht fest davon überzeugt sind, es mit Nintendo in der Königsdisziplin der Jump’n’Runs aufnehmen zu können. Aber vielleicht hatten die verantwortlichen Köpfe bei Sega ja Vertrauen in das neue Abenteuer des blauen Flitzers. Und vielleicht läutet der Release der beiden konkurrierenden Plattformer einen besonders spaßigen Spätherbst für euch Spieler als lachende Dritte ein. Wir haben uns das ganze einmal angesehen und sind mit Sonic, Tails, Knuckles und Amy um die Wette gerannt, um zu sehen, ob Marios schnellster Konkurrent immer noch das Zeug zum “Superstar” hat.

Alte Feinde, neue Feinde

Noch vor dem ersten Titelbildschirm werdet ihr mit einem fröhlichen Zeichentrick-Intro begrüßt, das bereits die ersten Ansätze der Geschichte erahnen lässt. Dr. Eggman versucht ein weiteres mal die Welt zu erobern und verwandelt hierfür die besonders groß gewachsenen Tiere der Northstar Inseln in mächtige Roboter. Unterstützt wird er dabei von dem Wiesel Fang the Hunter, das seit 1994 in verschiedenen Sonic-Spielen sein Unwesen treiben durfte sowie der ganz neuen Figur Trip, die den beiden Schurken mit ihrer Tollpatschigkeit oft mehr im Weg steht als sie zu unterstützen. Gerade für die zuerst recht geheimnisvolle Trip haben sich die Entwickler aber eine ganze Menge ausgedacht und im Laufe der Handlung mausert sich die Figur zu einem der Höhepunkte des Teils. Darüber hinaus geht die Handlung aber, wie man es bei den Sonic- (ja, und auch Mario-) Spielen gewohnt ist, nicht allzu tief. Diverse schön gestaltete Zwischensequenzen erzählen euch die Geschichte ohne gesprochene oder geschriebene Dialoge zwischen den Leveln, sodass ihr den Animationen aufmerksam folgen müsst, um alles mitzubekommen. Doch am Ende ist es natürlich die gewohnte “Befrei die Tierchen und verhau die Bösen”-Geschichte, die Sega uns schon in den großartigen Teilen der 90er-Jahre präsentiert hat und die im Grunde auch heute noch funktioniert.

Back to the Roots

Ähnlich wie die Handlung folgt auch das Gameplay von Sonic Superstars wieder den Vorbildern des letzten Jahrtausends und vermittelt damit den Eindruck als würde Sega wieder zu seinen erfolgreicheren Zeiten zurückkehren, als sie in den Konsolenkriegen noch das eine oder andere Wörtchen mitzureden hatten. In liebevoll gestalteter 2.5D Grafik rennt, rollt, springt und fliegt ihr durch die 26 Level der elf Akte der Haupthandlung, die wie üblich sehr umfangreich ausgebaut wurden, um Speedrunnern und Forschern gleichermaßen Gelegenheit zu geben, Spaß an dem Spiel zu haben. So könnt ihr beispielsweise viele Level recht zügig durchspielen, indem ihr ohne Rücksicht auf Verluste (oder Ringe) zum Ende der Zone rennt und das Spiel auf diese Weise in etwa fünf Stunden abschließen. Wer aber Spaß daran hat, sich die vielen verschlungenen Abzweigungen der einzelnen Level anzusehen und die Bonuszonen zu spielen, zu denen euch Portale in den Leveln führen, kann die Spielzeit schnell vervielfachen. Und auch die unterschiedlichen Spielweisen der einzelnen Charaktere laden dazu ein, das Abenteuer mehr als einmal durchzuspielen.

Grundsätzlich verfügen natürlich alle Charaktere über dieselben Grundfähigkeiten und können das Spiel damit rennend, springend und rollend schaffen. Allerdings ist das Spiel mit einigen Figuren um einiges einfacher, da sie sich ein wenig freier als ihre Kameraden bewegen können. So könnt ihr mit Tails immer zehn Sekunden lang frei durch die Level fliegen, ungeahnte Höhen erreichen und im Koop sogar einen Freund durch die Luft tragen, während Sonics Drop Dash, mit dem er bei einer Landung direkt losrollt, nur begrenzt sinnvoll angewendet werden kann. Auch Amy, die mit Hammer und Doppelsprung ausgestattet ist und Knuckles, der durch die Luft gleiten und Wände hochklettern kann, lassen den namensgebenden Helden in Sachen Mobilität hinter sich zurück, sodass Fans des Igels es insgesamt ein kleines bißchen schwerer, als ihre Mitspieler haben. Unfair oder wirklich schwer wird das Spiel aber nie und die gut platzierten Speicherpunkte und die unendlich vielen Leben sorgen dafür, dass auch bei den kniffligen Bossen kein Frust aufkommt. Die Bosse, die allesamt sehr schön gestaltet wurden, sind sowieso ein Höhepunkt des Spiels und erwarten euch am Ende fast jeder Zone. Dr. Eggman hat sich beim Design seiner Robotersklaven in Sachen Vielseitigkeit klar übertroffen und so erwarten euch neben Dr. Eggman selber und natürlich auch Fang dem Jäger alle möglichen riesigen Robotertiere. Deren Mechaniken gilt es in der Regel erst einmal zu durchschauen, was gerade in späteren Leveln ein paar Versuche in Anspruch nehmen kann. 

Ein wenig Hilfe können die Spezialfertigkeiten bieten, die ihr erlernt, indem ihr in Bonuszonen die sieben Chaosedelsteine erspielt, die euch jeweils eine Fähigkeit verleihen. Anders als die Charakterfertigkeiten müssen sich diese Fähigkeiten mit der Zeit oder an Speicherpunkten erst aufladen, ehe ihr sie eine begrenzte Zeit lang verwenden könnt. Und auch hier sind nicht alle Fertigkeiten zu jeder Zeit sinnvoll einsetzbar, sodass ein wenig Planung nie schaden kann.

In Sachen Spielgefühl spielt sich Sonic Superstars so weich und sauber, wie man es sich nur wünschen kann. Die Steuerung reagiert verlässlich auf alle Eingaben und selbst in schnellen Passagen konnten wir gut dem Geschehen folgen, ohne uns dem Levelaufbau gegenüber ausgeliefert zu fühlen. Die den alten Vorbildern nachempfundenen Animationen und Soundeffekte erinnern direkt wieder an Sonics erste Abenteuer auf Mega Drive und Master System und selbst die Chaos-Emerald-Bonuslevel, die als einzige Level in 3D-Leveln bestritten werden, erinnern an vorherige Teile. Dadurch dass Sonic Superstars sich so sehr auf seine Wurzeln besinnt und neue Ideen und Features eher still in das Spiel einbringt, wirkt es auf den ersten Blick deutlich konservativer als Mario Wonder, das von und für seine neuen Spielideen lebt. Gerade das kann Superstars aber für Freunde der alten Spiele besonders interessant machen, zumal Neuerungen, wenn auch weniger auffällig, dennoch vorhanden sind.

Viel Multiplayer mit leichten Schwächen

Erstmalig in einem Sonic-Spiel habt ihr jetzt auch die Möglichkeit, Dr. Eggman und seinen Helfern im Couch-Coop zu viert zu Leibe zu rücken, was zuerst einmal toll klingt (und auch ist), zeitweise aber zu Problemen führen kann. Da ihr euch einen Bildschirm teilt und die Kamera grundsätzlich primär den Spielern folgt, die sich Richtung Zonenende bewegen, gilt es, sich genau abzusprechen, wenn ihr einmal etwas in einer anderen Richtung untersuchen wollt. Was bei Spielen wie Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredders Revenge sehr gut und Super Mario Bros. Wonder gut klappt, ist bei einem Spiel, in dem man immer mal wieder wie eine Kanonenkugel in Sekundenbruchteilen mehrere Bildschirme weit geschleudert wird, nicht ganz so einfach. Und so kommt es immer wieder vor, dass ein Mitspieler nicht hinterherkommt und sich dann erst wieder zu seinen Mitspielern teleportieren muss, was mit einem einzelnen Tastendruck sehr gut klappt. Dennoch solltet ihr aufeinander achten, damit sich nicht ein Spieler nutzlos vorkommt, während der andere durchgehend vorausrennt. 

Deutlich weniger kooperativ geht es in den anderen Modi zu. Im Kampfmodus könnt ihr euch mit anderen Spielern online oder offline in vier Spielen duellieren, was grundsätzlich funktioniert, aber zumindest im Offline-Modus nicht richtig durchdacht wurde. Denn hier wird der Bildschirm geteilt, wobei er nicht, wie zum Beispiel bei Mario Kart, in der Mitte “durchgeschnitten” wird, sondern jeder Spieler ein 16:9 Bild angezeigt bekommt, wodurch bei zwei Spielern 50% der Bildfläche ungenutzt bleiben. Andere Lösungen hätten hier klar besser gewirkt. Vermutlich ebenfalls mit dem Hintergedanken, die Spielzeit ein wenig zu verlängern, findet ihr hier und im Hauptspiel immer wieder Goldmünzen, mit denen ihr Teile kaufen könnt, um eure Figuren im Kampfmodus zu individualisieren. Da sich die Kämpfer trotz allem aber immer alle gleich spielen, ist die gesamte Shop-Mechanik eher ein netter Zusatz, als wirklich relevant.

Im dritten Modus “Gegen die Zeit” ist der Name Programm und ihr versucht, bereits besuchte Level noch einmal möglichst schnell zu absolvieren, um euch einen Platz in der Online-Rangliste zu sichern.

Viel besser wirds nicht mehr auf der Switch

Ohne viele Umschweife hat Sonic auf der Switch nie besser ausgesehen und die genutzte Grafik Engine stellt das Geschehen auf dem Bildschirm durchgehend flüssig dar, auch wenn die betagte Hardware der Konsole wie üblich für einige Abstriche sorgt. Besonderes Kuriosum ist die Tatsache, dass das Spiel auf der Switch sowohl im Dock als auch im Handheld-Modus mit 720 Pixeln dargestellt wird, was auf großen Bildschirmen für Aliasing und relativ verwaschene Texturen bei den Gebilden im Hintergrund sorgt. Im regulären Spiel fällt beides aber nicht auf und der Igel rast mit seinen Freunden durch die meisten der großartigen Level mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde, was nur in sehr komplexen Leveln aktuell ein wenig einbricht. Ob der Zustand von Dauer ist, werden zukünftige Updates (sofern es welche gibt) zeigen. Das Geschehen wird von einem, für die Spielreihe üblichen, schnellen Soundtrack unterlegt, der zu jedem der Level sehr gut passt und auch die Ladezeiten des Spiels können sich sehen lassen. Auch die Steuerung funktioniert sehr gut, und grundsätzlich reicht ein einzelner Joy-Con, um das Spiel spielen zu können. Der Online-Kampfmodus funktioniert ebenfalls ohne Probleme, leidet aber unter einem Spielermangel, sodass die Partien mit Bots aufgefüllt werden. Das ist schade, kann dem Spiel und seinen Entwicklern aber kaum zum Vorwurf gemacht werden. 

Fazit:

Sonic Superstars ist in fast jeder Hinsicht ein würdiger Nachfolger für die Sonic-Reihe, der sich auch vor der Konkurrenz nicht verstecken muss. Und mit toller Grafik, einem durchdachten Spieldesign, das besonders im Singleplayer glänzt und sympathischen Charakteren, die sich alle ein wenig anders spielen, stellt Sonic eine gute Alternative für alle dar, die keine Wunderblumen (mehr) sammeln können oder wollen. Dass der Titel bei der Bewertung dann doch hinter Marios Abenteuer zurückbleibt, liegt zum einen an der Bildschirmaufteilung im Multiplayer und zum anderen am aktuellen Preis von 60 Euro, der sich beim gegebenen Umfang nur für Wiederholungs-Spieler rechnet. Davon abgesehen ist Sonic Superstars aber ein tolles Spiel geworden, bei dem Freunde von Sonic im speziellen und Jump ‘n’ Runs im allgemeinen gerne zugreifen können.

Unsere Wertung:
8.0
Robert Emrich meint: "Es reicht nicht ganz zum "Super", aber ein Star ist Sonic auf jeden Fall"
Sonic Superstars von Sega, Arzest, Sonic Team erscheint am 17.10.2023 für PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Sega zur Verfügung gestellt.
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1 Kommentar:
SantiagoWinehouse)
SantiagoWinehouse
Am 18.11.2023 um 18:24
Danke für den Test, liest sich echt gut. Ich habe das Game auf PS5 gespielt und fand es sehr unterhaltsam. Teilweise waren die Bosskämpfe wirklich eine kleine Herausforderung.
60 € finde ich tatsächlich ein wenig happig, ich hatte es mir gebraucht für die Hälfte geholt.
2null3)
2null3
Am 19.11.2023 um 11:39
Absolut nachvollziehbar, ich fand die 60 Euro auch sehr hoch angesetzt, zumal es Sonic Frontiers bereits im Angebot gibt.