Test

After Us

Von Jeremiah David am 23.05.2023

Entwicklerstudio Piccolo (Schöpfer von Arise: A Simple Story) und Publisher Private Division präsentieren uns mit After Us einen 3D-Platformer mit "einer surrealen, verwüsteten Welt sowie einer berührenden Geschichte über Aufopferung und Hoffnung". Wir haben uns die PS5-Version des Spiels geschnappt und verraten euch in unserem Test, was das Spiel wirklich kann.

Minimalistische Story, aber viel Symbolik

Die letzten Tiere sind ausgestorben. Mutter hat ihre letzte Lebenskraft aufgebracht, um die in Gefäßen gefangenen Seelen der Tiere zu retten. Nun muss Gaia, der Geist des Lebens, diese Seelen befreien und sie zu Mutters Arche bringen.

So lässt sich die Story von After Us mit knappen Worten zusammenfassen, tatsächlich stammen diese Informationen aber nicht aus dem Spiel, sondern von der Steam-Seite dazu. After Us hält sich mit Story-Elementen sehr zurück. Der Name Gaia wird im Spiel beispielsweise gar nicht genannt. Das stumme, blasse, zierliche Mädchen mit der leuchtend-weißen Haarpracht wird uns nie vorgestellt. Als Spieler erwachen wir in ihrer Rolle einfach in der Arche, die nichts mit Noahs großem Schiff gemein hat, sondern stattdessen eine Art übersinnlichen, magischen Raum darstellt; eine schwebende Insel mit viel Grün, Flüssen und kleinen Seen. Unsere Mutter - wohl Mutter Erde - besitzt keinen Körper, sondern begegnet uns nur als warmes Licht, das uns mittels Texteinblendungen erklärt, dass die sogenannten Verschlinger die Welt zerstört haben. Dass es sich bei den Verschlingern um uns Menschen handelt, und wie genau wir die Erde zerstört haben, wird im weiteren Spielverlauf nicht konkret genannt, mit viel Symbolik jedoch mehr als nur angedeutet. So sind die ersten Gebiete im Spiel zerfallene Autobahnen mit verrosteten Fahrzeugen. Bei den ersten Gegnern handelt es sich um weiße Plastiktüten, die Gaia attackieren. Auf einem großen Platz steht ein Weihnachtsbaum, der sich bei näherer Betrachtung als ein Konstrukt aus ineinander verkeilten Strommasten entpuppt, umgeben von leuchtenden Bildschirmen. Menschlich anmutende, gesichtslose Gegner haben Fernseher an die Brust geschnallt. Tentakel greifen aus öligen, teerartigen Seen; giftiger Regen prasselt auf uns herab, Geisternetze versperren uns im Meer den Weg, Selbstschussanlagen und Bärenfallen wollen uns im dunklen Wald ans Leder. Das lässt nicht viel Interpretationsspielraum und so halten wir fest: Es geht nicht nur darum, die Seelen von Tieren zu retten. Darüber hinaus sind verschiedene Formen der Umwelt- und Geistesverschmutzung zentrale Themen des Spiels.

Lauf, Gaia, lauf!

Als Gaia laufen und springen wir durch acht verschiedene Gebiete, die jeweils mit dem Auffinden eines skelettierten Tieres enden. Die Gebiete sind ziemlich groß und in Sub-Gebiete unterteilt, wo es noch mehr Tierseelen und die Erinnerungen verschiedener Menschen zu finden gibt. Sowohl die Seelen als auch die Erinnerungen sind jedoch wenig mehr als Bildchen, die nur über eine Galerie im Haupt- bzw. Pausenmenü aufgerufen werden können. Bei den Gebieten handelt es sich beispielsweise um die bereits erwähnte Autobahn, eine gigantische Müllhalde, ein Hafengebiet über und unter dem Meeresspiegel, eine zerfallene Stadt mit eisernen Kränen in schwindelerregender Höhe, eine trostlose Himmelswelt bestehend aus überdimensionalen Vogelkäfigen oder eine Fabrik inklusive Fleischhalle.

Grundsätzlich besticht After Us nicht mit einer super detaillierten Welt; Landschaften und Gegenstandsmodelle kommen nicht mit hochauflösenden Texturen oder realistischen Shadern daher. Die trostlosen, zerstörten Gebiete sind stilistisch allerdings einzigartig umgesetzt und überzeugen mit einem unheimlichem Ideenreichtum sowie einem düsteren Stil, der mit einer unmöglichen, in sich verschachtelten Architektur, gelungenen Partikel- und Glanzeffekten, starken Hell-Dunkel-Kontrasten und leuchtenden Farben dem Begriff "surreal" absolut gerecht wird. Die Welten sind zudem so groß, dass Gaia sich problemlos verlaufen könnte, überall stehen jedoch versteinerte Menschen herum, die mit ausgestreckten Armen oder ihrer Körperhaltung die Richtung vorgeben. Für ganz orientierungslose Zeitgenossen kann Gaia außerdem singen, um von kleinen Leuchtkugeln den Weg zur nächsten Tierseele gezeigt zu bekommen.

Ein Mädchen mit vielen Talenten

Um die jeweils nächste Seele zu erreichen, kann Gaia nicht nur laufen und singen. Jedes Gebiet im Spiel führt neue Fähigkeiten und/oder Gegner ein, wodurch das Gameplay im Laufe der rund 8 Stunden Spielzeit nie zu monoton wird. Unser weiß leuchtender Geist des Lebens beherrscht einen Doppelsprung, kann bei Bedarf ein Stück weit in der Luft gleiten und an markierten Wänden entlangrennen. Größere Landstriche überwindet Gaia, indem sie zwei günstig platzierte Fernseher wie Portale zum Teleportieren nutzt, sich von Geisterbäumen abstößt oder indem sie Drahtseile und Stromleitungen mit Ranken überzieht und anschließend flott darüber surft. Die Geisterbäume und Ranken entstehen durch eine "Explosion des Lebens", die auch eingesetzt werden kann, um bestimmte Öllachen verschwinden zu lassen oder Gegner vorübergehend außer Gefecht zu setzen: Durch Gedrückthalten und dann Loslassen des linken Triggers entsteht eine Druckwelle, mit der alle Gegenstände in einem bestimmten Umkreis von Blumen und Gras überzogen werden. Das sieht jedes Mal aufs Neue cool aus, zumal an manchen Orten mit Hilfe dieser Funktion auch Bäume wachsen, die als Schnellreisepunkte verwendet werden können.

Menschliche Gegner werden besiegt, indem Gaia ihnen ihre Herzen stiehlt. Das geschieht in der Regel durch einfaches Drücken des linken Triggers. Manche Gegner können nur von hinten angegriffen werden, andere kommen in großen Gruppen vor, und wieder andere sind mittels geisterhafter Ölfäden miteinander verbunden, grundsätzlich sind die Kämpfe jedoch nie wirklich anspruchsvoll und dienen so eigentlich nur der Auflockerung des Gameplays. Eine größere Gegnervielfalt oder gar Bosskämpfe hätten After Us gutgetan. Wird Gaia von einem Feind gepackt, schüttelt er sie, bis wir uns entweder durch Hämmern der X-Taste aus seiner Umklammerung befreien oder aber das Zeitliche segnen. Ein schneller Tod kann uns auch durch unüberlegte Sprünge ereilen, hat aber praktisch keine Konsequenzen, weil Checkpoints automatisch und in sehr kurzen Abständen gesetzt werden. After Us erreicht so zwar nie die meditative Stimmung eines Spiels wie Journey oder Abzu, ist aber trotz der düsteren Atmosphäre, die fast ein wenig an Titel wie Little Nightmares erinnert, entspannender als die meisten anderen Platformer.

Technisch hinterlässt die von uns getestete Fassung des Spiels einen ordentlichen, aber nicht perfekten Eindruck. Gaia lässt sich jederzeit präzise und sehr flott steuern, und auch von Spielabstürzen oder Bugs blieben wir völlig verschont, hin und wieder gefror das Spiel allerdings für ein oder zwei Sekunden einfach ein - seltsamerweise nicht nur beim Laden neuer Gebiete. Das sollte auf der PS5 einfach nicht vorkommen, erst recht nicht angesichts der stilisierten, relativ simplen Optik. Gleiches gilt auch für vereinzelte Framedrops. Hoffentlich kann hier ein Patch noch Abhilfe schaffen.

Akustisch gibt es derweil so gut wie gar nichts zu meckern. Zwar bietet uns After Us keine Sprachausgabe, das fällt allerdings nur bei Besuchen in der Arche auf, denn außerhalb gibt es nirgends Charaktere, mit denen Gaia sich unterhalten könnte. Die Soundeffekte im Spiel sind dafür rundum gelungen, und gesellen sich zu einem ruhigen und unauffälligen, aber durchwegs passenden Soundtrack.

Fazit:

After Us mangelt es eindeutig an Höhepunkten. Es gibt keine Bosskämpfe oder gescriptete Momente, die im Gedächtnis bleiben könnten, keine mitreißende Story, interessante Charaktere oder brisante Action. Auch das Ende nach dem Auffinden aller Tierseelen ist unspektakulär. Trotzdem ist Piccolo Studios kleines Abenteuer jedoch alles andere als ein schlechtes Spiel. Die einzigartige, atmosphärische Optik weiß zu gefallen und handwerklich ist After Us ordentlich umgesetzt. Es macht Spaß mit der kleinen Gaia durch die düsteren, abwechslungsreichen Landstriche zu fetzen, um Tiere zu befreien. Genrefans, die sich mit der ernsten Thematik und dem trostlosen Setting anfreunden können, dürfen ruhig einen Blick riskieren.

Unsere Wertung:
7.0
Jeremiah David meint: "Spielerisch und atmosphärisch ordentlich umgesetzter Platformer, dem es allerdings an Höhepunkten mangelt."
After Us von Piccolo Studio erscheint am 23.05.2023 für PC und PlayStation 5 und XBox Series. Wir haben die Version für PlayStation 5 getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Private Division zur Verfügung gestellt.
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