
Ready or Not
2023 erschien der Taktik-Shooter Ready or Not nach ganzen zwei Jahren im Early Access. Entwicklerstudio Void Interactive wollte PC-Spielern einen realistischen Shooter im Stile der alten SWAT-Spiele bieten. Auf Steam fand Ready or Not schnell viele Fans. Jetzt sollen auch Konsolenspieler auf der PS5 oder Xbox Series zum Zug kommen. Wir haben uns eine schusssichere Weste übergestreift und uns mit den Kriminellen von Los Sueños (einer fiktiven Stadt, die Los Angeles nachempfunden ist) angelegt, um euch diesen Test der PS5-Version zu liefern.
Willkommen im Team
Ready or Not bietet keine Story, dafür aber eine Kampagne. Im Klartext heißt das, dass wir als Mitglied einer fünf-köpfigen SWAT-Einheit der LSPD nacheinander verschiedene Missionen abarbeiten, die uns in Los Sueños an unterschiedliche Schauplätze führen, die wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben. Eine übergeordnete Geschichte gibt es nicht, wird hier aber auch nicht vermisst.
Um eine Mission zu starten, müssen wir uns im Polizeipräsidium an einen ausgewählten Schreibtisch im Besprechungsraum begeben und dort X drücken. Dann öffnet sich ein Fenster mit einer Liste der verfügbaren Missionen. In selbigem Präsidium gibt es zudem eine Asservatenkammer, Gefängniszellen und Räume, in denen wir beispielsweise unsere Ausrüstung überprüfen oder austauschen dürfen. Das Präsidium ist schön gestaltet und voll begehbar, verkommt letztlich jedoch zu einem glorifizierten Menü, denn weder Kollegen noch Gefangene dürfen angesprochen werden und auch die Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung halten sich sehr in Grenzen. Ein einfaches, zweidimensionales Menü wäre hier vermutlich übersichtlicher und letztlich auch praktischer gewesen.
Nehmen wir einen Auftrag an, startet ein etwas unnötiger Countdown, ehe wir uns selbst und unsere SWAT-Kameraden kurz in einem Einsatzfahrzeug sitzen sehen, dann beginnt die eigentliche Mission, die wir entweder solo mit KI-gesteuertem Team oder mit menschlichen Kollegen im Koop-Modus spielen dürfen.
Koop top, solo flop?
Im Koop-Modus sind alle SWAT-Mitglieder ranggleich und können sich absprechen, um unterschiedliche Aufgaben oder Wege zu übernehmen. So spielt sich Ready or Not sicherlich am besten und macht am meisten Spaß. Wer dagegen solo spielen möchte, muss als "Commander" die Leitung der Gruppe übernehmen und seinen Kollegen über ein umfangreiches Befehle-System anleiten. Die Steuerung ist dabei so komplex, dass wir jedem Neuling empfehlen, das optionale und knapp 30 Minuten lange Tutorial des Spiels unbedingt abzuschließen. Hier lernen wir nicht nur, mit Haupt- und Sekundärwaffen zu schießen, Granaten zu werfen und mit einer sogenannten OptiWand-Kamera hinter Türen zu blicken, sondern auch, wie wir unser Team befehligen. Das ist dringend nötig, denn etliche Tasten des Controllers sind mehrfach belegt und Befehle werden mit etlichen ineinander verschachtelten Menürädern gegeben. Ein Beispiel gefällig? Um die Kollegen ein Zimmer hinter einer verschlossenen Tür sichern zu lassen, müssen wir die Türe anvisieren und dann mit R1 ein vierteiliges Menürad aufrufen. Während wir R1 weiter halten, öffnen wir durch kurzes Antippen des linken Analog-Sticks auf "Türe" ein erstes Untermenü. Durch erneutes Antippen des Analog-Sticks auf "Öffnen" kommen wir in ein weiteres Menü. Jetzt müssen wir den linken Analog-Stick erneut nach oben drücken, um "Öffnen und sichern" anzuwählen, den Stick aber oben halten, während wir die R1-Taste wieder loslassen. Klingt unnötig kompliziert? Ist es auch. Und die Sache wird sogar noch komplizierter, wenn wir nicht alle Kollegen gleichzeitig losschicken möchten.
Die Menüführung erfordert definitiv Eingewöhnung, funktioniert letztlich aber. Das gilt so ähnlich auch für die Kameraden, vor allem, wenn sie nicht konkreten Befehlen folgen sollen. Die eigenen SWAT-Mitglieder und die Zivilisten, denen wir begegnen, sind nicht völlig inkompetent, aber können schon mal im Weg stehen. Zivilisten geben, nachdem sie aus Sicherheitsgründen mit Kabelbindern fixiert wurden, immer wieder dieselben Sprüche von sich und die Teammitglieder ignorieren hin und wieder Geiseln oder Feinde - selbst dann, wenn sie von letzteren beschossen werden. Problematisch können auch Geländer an Treppen oder Balkonen sein, hinter denen unser Commander automatisch seine Waffe senkt, um in Deckung zu gehen, unabhängig davon, ob besagtes Geländer überhaupt eine vernünftige Deckung bietet oder er eigentlich auf Gegner schießen soll.
Analog zur Steuerung und der KI, ist auch die Präsentation weder schrecklich noch richtig gut. Der Detailgrad der Umgebungen ist insgesamt hoch und Ready or Not ist definitiv kein hässliches Spiel, aber vereinzelt kommen Texturen erstaunlich verwaschen oder pixelig daher, manche NPCs und Gegenstände sind grob modelliert und für viele Grafiken wurden mehr als offensichtlich umstrittene KI-Bildgeneratoren verwendet, deren Erzeugnisse stilistisch nur bedingt zum restlichen Spiel passen und somit sofort ins Auge stechen. Im Volksmund wird so etwas "AI-Slop" genannt.
Spieler sollten auch einige kleinere Bugs, wie aufploppende Objekte, spät ladende Texturen oder Clipping-Fehler erwarten. Hinzu kommt, dass einige Gegenstände keinen Schatten werfen. Bei kleineren Objekten fällt das häufig gar nicht auf, aber bei größeren, wie etwa einem Auto oder den eigenen Kameraden, kann das durchaus irritieren, weil diese dann in der Luft zu schweben scheinen. Hoffentlich kann hier ein Patch noch Abhilfe schaffen. Immerhin wurden wir während unserem Test von gröberen Bugs oder Spielabstürzen gänzlich verschont.
Dass Ready or Not trotz der mittelprächtigen KI und kleineren technischen Schwächen empfehlenswert ist, liegt einerseits an einem Mangel an Alternativen im Genre der Taktik-Shooter, aber auch daran, dass die 18 unterschiedlichen Missionen mit zusätzlichem DLC eben weniger auf AAA-Blockbuster-Action und mehr auf realistische Szenarien und ebenso realistisches, kurzweiliges Gameplay setzen. Das fängt bei den ausführlichen Missionsbeschreibungen an, die mit relativ authentisch wirkenden Aufnahmen wie aus einer Notrufzentrale daherkommen und wichtige Informationen zu Zielen und Gefahren bieten. Der Realismus zeigt sich aber auch im Fehlen von In-Game-Markern oder ähnlichen Hilfsmitteln wie einer ständig eingeblendeten Mini-Map. Ebenso wenig gibt es Checkpoints oder eine zweite Chance, nachdem eine Mission in die Hose gegangen ist. Stirbt ein Teammitglied, bleibt er wirklich tot und kann fortan nicht mehr eingesetzt werden, außerdem leidet die Moral der Truppe unter dessen Ableben. Gestresste oder verängstigte Teammitglieder müssen ersetzt oder therapiert werden, wobei letzteres nur auf Knopfdruck über ein Menü passiert und dem Spiel so kaum zusätzliche Tiefe verleiht. Der zu Therapierende muss dann lediglich eine Runde aussetzen.
Taktik, nicht Action
Als taktischer Shooter bietet uns Ready or Not keine Mini-Armee, die sich durch ein Kriegsgebiet mit unzähligen Gegnern ballert, sondern eine Einheit, die mit viel Vorsicht eine überfallene Tankstelle von Gangmitgliedern befreit, ein Meth-Labor aushebt oder die Server-Farm eines Pädophilen infiltriert. Ernstere Themen werden höchstens angeschnitten, nie explizit gezeigt, Cut-Scenes oder Dialoge gibt es gar nicht erst. Für die Konsolenversion von Ready or Not hat VOID Interactive dennoch einige Änderungen vorgenommen, um den Gewaltgrad zusätzlich zu reduzieren. Im Klartext heißt das, dass getötete Gegner nicht mehr zerstückelt werden können. Auch nackte Haut gibt es nicht mehr beziehungsweise weniger zu sehen. Dies sei nötig gewesen, um eine Freigabe für das Spiel zu erhalten. Ab 18 ist es trotzdem.
Die Missionsziele bleiben trotz unterschiedlicher Einsatzorte stets dieselben: Verhafte oder töte alle Feinde, rette die Zivilisten und sichere die Beweise. In jedem Gebiet wartet dabei nur eine kleine Anzahl an Gegner auf uns. Diese fordern wir im Idealfall immer erst zur Kooperation auf, und schießen nur, wenn wir es müssen. Um nicht in unnötige Gefechte zu kommen, dürfen Blend- und Rauchgranaten eingesetzt werden. Für dunkle Räume sind wir mit einer Taschenlampe und einem Nachtsichtgerät ausgestattet. Erschießen wir zum Selbstschutz einen Gegner, sollten wir dessen Tod in der Einsatzzentrale melden und seine Waffe in eine Beweistüte packen.
Am Ende einer jeden Mission wird unser Vorgehen bewertet und wir bekommen Punkte für alle erreichten Ziele und den Zustand unseres Teams. Sollte eine laufende Mission mal zu heikel werden (z.B. weil wir keine Munition mehr haben oder bereits zu viele Teammitglieder verletzt wurden oder sogar gestorben sind), können wir diese übrigens auch komplett abbrechen, um die noch lebenden Teammitglieder zu retten. Das kann sinnvoll sein, weil die Teammitglieder zwar ersetzt werden können, dies aber selten gleichwertig erfolgt. Kollegen haben alle unterschiedliche Eigenschaften und erlernen mit der Zeit zusätzliche Fähigkeiten. So ist einer vielleicht besonders gut beim Aufbrechen von Türen, während ein anderer Kollege Gegner besonders effektiv zur Aufgabe bewegen kann. Eine abgebrochene Mission gilt trotzdem als beendet und wird bewertet, die Bewertung spiegelt aber natürlich unseren Misserfolg wider. Nur erfolgreich abgeschlossene Missionen schalten kosmetische Items, neue Kollegen und weitere Missionen frei.
Fazit
Seit dem Release von SWAT 4 sind 20 Jahre vergangen. Ready or Not tritt in die Fußstapfen dieser alten Serie und füllt so eine Lücke im modernen Spieleangebot. Allein dadurch ist Ready or Not empfehlenswert, man merkt dem Spiel aber an, dass es sich um eine Low-Budget-Produktion eines Indie-Studios handelt. Cut-Scenes gibt es gar nicht, die Präsentation ist bestenfalls mittelmäßig und die Konsolen-Version bietet eine unnötig komplexe Steuerung. Die realistischen Szenarien sind jedoch cool umgesetzt und die Umgebungen abwechslungsreich. Wer das Spiel ausschließlich online mit menschlichen Mitspielern im Koop-Modus zocken möchte, darf unserer Wertung im übrigen ruhig noch einen Punkt hinzuaddieren, denn dann können einige der oben genannten Kritikpunkte schlicht ignoriert werden.