Arise: A Simple Story - Definitive Edition
Arise: A Simple Story vom spanischen Entwicklerstudio Piccolo erschien bereits Ende 2019, damals noch mit Hilfe von Publisher Techland. Jetzt hat sich Untold Tales die Rechte an dem Spiel gesichert und eine "Definitive Edition" zusammengesetzt. Mit dieser wird das Spiel am 28. April erstmals auch seinen Weg auf die Nintendo Switch finden. Wir haben genau diese Switch-Version für euch getestet.
Nach dem Tod...
Arise: A Simple Story erzählt, wenig verwunderlich, eine simple Geschichte und tut dies völlig ohne Worte. Das Spiel beginnt mit einer traurigen Szene: Ein Herr mit weißem Rauschebart, der abgesehen von seiner Kleidung Santa Klaus zum Verwechseln ähnlichsieht, liegt leblos auf einer Art Bahre. Um ihn herum stehen ein paar Leute, die um ihn trauern. Aber der Tod ist hier erst der Anfang, denn nur Sekunden später erwacht unser bärtiger Protagonist in einer funkelnden Winterlandschaft. Dort können wir uns durch den frisch gefallenen Schnee bewegen und leuchtende Punkte ansteuern. Jeder Punkt ermöglicht uns den Zugang zu einem Level. Jedes Level wiederum befasst sich mit einem Abschnitt aus dem Leben des Verstorbenen. Zunächst erinnert er sich in einer schlicht mit „Sie“ betitelten Traumwelt an seine erste Begegnung mit seiner geliebten Frau. Später verarbeitet er den Verlust einer geliebten Person oder auch einfach nur Emotionen wie Freude und Hoffnung. Diese emotionale und von ihren Bildern lebende Story plätschert gemächlich und ohne wirkliche Höhepunkte vor sich hin. Schön ist allerdings, dass die insgesamt zehn Level alle an unterschiedlichen Orten stattfinden und dementsprechend auch optisch sehr abwechslungsreich gestaltet wurden.
Im Grunde ist Arise: A Simple Story ein klassischer Platformer. Unser Bartträger kann laufen, springen und klettern. Außerdem hat er ein Seil dabei, mit dem er sich über Abgründe schwingen oder Gegenstände zu sich herziehen kann. Was Arise jedoch erfolgreich von anderen Platformern abhebt, ist eine Mechanik, die es dem Spieler erlaubt die Zeit zu manipulieren. Je nach Level fällt diese Gameplaymechanik ein wenig unterschiedlich aus. Im ersten Level können wir die Zeit so weit vorspulen, dass sich die Jahreszeit vollständig ändert. Aus schneebedeckten Hügeln werden dann grüne, mit Blumen und Gräsern bewachsene Auen; der Wasserspiegel eines Sees hebt und senkt sich. So können wir beispielsweise Steine im Wasser auf- oder abtauchen lassen.
Im zweiten Level, bei dem wir uns wie eine Ameise in einem riesigen Garten vorkommen, können wir die Zeit nur um ein paar Sekunden vor- oder zurückdrehen, das reicht aber aus, um fleißige Hummeln, an denen sich unser Protagonist festhalten kann, von A nach B und zurück zu bewegen. Indirekt können wir also durch Steuerung der Zeit die Umgebungen oder Gegenstände darin manipulieren. Im vierten Level werden außerdem Gegner eingeführt; gespenstische Figuren ganz in Schwarz, die nur in der Dunkelheit existieren können. Ab dann darf unser Rauschebart die Zeit auch komplett anhalten. Tun wir das beispielsweise genau dann, wenn ein verästelter Blitz den Nachthimmel erhellt, verschwinden die düsteren Widersacher alle im grellen Licht. Das Spiel findet immer wieder neue Mittel und Wege, um diese Zeitmanipulation auf kreative Art ins Gameplay einzubauen. Das ist cool gemacht, hat jedoch einen Haken. Die Steuerung der Zeit geht mit dem rechten Analogstick zwar gut von der Hand, verhindert aber, dass wir wie in anderen Spielen die Kamera bewegen können. So sind wir vollkommen auf die automatische Kameraführung des Spiels angewiesen, die insgesamt auch ordentlich, allerdings mitnichten perfekt funktioniert. Während unserem Test führte eine schlechte Kameraposition an der ein oder anderen Stelle dazu, dass wir einen kniffligen Sprung nicht schafften und dann in den Tod (oder Tod-Tod?) fielen.
Überhaupt ist Arise: A Simple Story nicht (immer) der entspannende Journey-Klon, den die ruhige, harmonische Präsentation andeutet. Sehr fair gesetzte Checkpoints verhindern, dass die Geschicklichkeitskost jemals wirklich schwierig wird, aber das Spiel ist trotzdem kein Selbstläufer.
Gelungene Grafik, toller Soundtrack
Apropos Präsentation: Die ist absolut gelungen. Die stark stilisierte Grafik verzichtet auf viele Details, wirkt aber stets stimmig und erlaubt ein insgesamt flüssiges Spielgeschehen mit nur kleineren Makeln, die an dieser Stelle aber nicht unerwähnt bleiben sollen: Einmal wurden Gegner eine halbe Minute zu spät geladen, wodurch eine sonst vermutlich eher knifflige Passage zu einem sprichwörtlichen Kinderspiel wurde. An einer anderen Stelle weigerte sich der Rumble-Motor unseres Controllers nach einer Cut-Scene mit dem Vibrieren aufzuhören. Erst ein Ausflug in das Systemmenü der Switch beendete das nervige Vibrieren. Auch der ein oder andere Clipping-Fehler kam vor. Abgesehen davon lief das Spiel jedoch stabil und überzeugte mit gelungenen Licht- und Glanzeffekten sowie atmosphärischen Umgebungen. Speziell während ruhigeren Passagen kann Arise zudem ein fast meditatives Flow-Feeling, das an Spiele wie Abzu oder Flower erinnert, auslösen.
Die Akustik ist ähnlich gelungen. Die Lieder des Komponisten David Garcia Diaz sind wunderschön und werden mit der Definite Edition von Arise: A Simple Story nicht grundlos als digitaler Soundtrack zum Herunterladen angeboten. Weitere, zum Teil exklusive Goodies der Switch-Version sind ein digitales Kunstbuch, eine Fotomodus und eine optionale Bewegungssteuerung. Die Zusatzinhalte ändern aber am geringen Wiederspielwert des linearen Abenteuers wenig. Nach rund 4 Stunden Spielzeit flimmert der Abspann über den Bildschirm. Lediglich ein paar Sammelitems in der Form kindlicher Zeichnungen laden zum wiederholten Besuch einzelner Levels ein.
Fazit:
Arise: A Simple Story stellt geübte Gamer nie wirkliche vor eine Herausforderung, bietet spielerisch aber weit mehr als ästhetisch ähnliche Titel wie Abzu oder Journey. Die fast meditative Stimmung aus den eben genannten Spielen trifft hier auf klassisches Platformer-Gameplay, angereichert mit einer innovativen Mechanik zur Zeitmanipulation. Das macht durchaus Spaß. Auch technisch überzeugt die Switch-Version größtenteils. Kameraprobleme, ein nicht überragender Umfang und eine zwar emotionale, aber letztlich ziemlich seichte Story verhindern jedoch eine noch höhere Wertung.