
Xenoblade Chronicles 2: Torna - The Golden Country
Ein DLC für Neulinge statt für Fans
Nintendo hat in seiner Marketing-Kampagne für Torna - The Golden Country gerne betont, dass das Add-On auch für Neulinge perfekt spielbar ist. Das liegt zum einen natürlich daran, dass Torna eine Prequel-Story erzählt, die keinerlei Vorkenntnisse aus dem Hauptspiel (zum NplusX-Test zu Xenoblade Chronicles 2) voraussetzt. Wir starten mit Hauptfigur Lora und ihrem Blade Jin, und das Gespann trifft bereits nach kurzer Zeit auf Addam, Mythra und Fan La Norne (die hier noch unter dem Namen „Haze“ auftritt). Zahlreiche Figuren also, die im Hauptspiel teilweise zu kurz kamen und sich jetzt ins Rampenlicht stellen dürfen. Gemeinsam stellen sie sich gegen den Weltzerstörungs-Raubzug von Malos, der zu Beginn der Story schon in vollem Gange ist.
Aber nicht nur die Story will Neueinsteiger anziehen. Im Optionsmenü dürfen wir nämlich neben einem niedrigeren Schwierigkeitsgrad auch ein paar andere Gameplay-Midifikatoren hinzuschalten, die zum Beispiel dafür sorgen, dass uns Gegner auf den Gebietskarten grundsätzlich nicht angreifen - und uns das Spielen somit weiter vereinfachen. Einen höheren Schwierigkeitsgrad oder optionale Herausforderungen für Serienfans gibt es hingegen nicht. Dieser Ansatz setzt sich auch im Spiel fort, wo wir in den ersten Stunden gefühlt alle zehn Sekunden von Tutorials aufgehalten werden, die uns zum Teil nur absolute Basics näherbringen: Wenn wir Gegner besiegen, erhalten wir dafür Geld und Items. Macht Sachen.
Teils alt, teils neu
Torna - The Golden Country wurde von Nintendo in den letzten Monaten wie ein eigenständiges Spiel vermarktet - vielleicht auch ein wenig aus der Verzweiflung heraus, da kein anderer Exklusivtitel im kommenden Weihnachtsgeschäft das klaffende Loch im Einzelspieler-Angebot der Hybrid-Konsole füllen könnte. Das Add-On offenbart sich aber von der ersten Minute an als DLC, der zu einem signifikanten Teil aus Inhalten besteht, die aus dem Hauptspiel kopiert wurden. Schon relativ früh im Spiel verlassen wir Torna und werden dann erst einmal nach Gormott gebracht, das uns noch hinlänglich bekannt ist. Auch die Menüs, einen Großteil der Charaktere, die meisten der herumlaufenden Monster und die generellen Spielmechaniken kennen wir bereits. Im Soundtrack erkennen wir einige Remixe der aus Xenoblade Chronicles 2 bekannten Stücke - diese sind aber wenigstens herausragend gut gelungen.
Das vielschichtige Kampfsystem ist ebenfalls hinlänglich aus dem Quasi-Vorgänger bekannt. Wir warten automatische Angriffe ab, setzen auf Knopfdruck Arts ein und führen schließlich Spezialangriffe aus, die wir dann auch noch zu Combos verbinden können. Die Geplänkel wurden an einigen Stellen vereinfacht; zum Beispiel beim Aufbauen der Blade Combos. Während in Xenoblade Chronicles 2 auf einen Windangriff zwingend ein weiterer Windangriff oder ein Eisangriff folgen musste, damit die Combo fortgesetzt wird, dürfen wir diesmal alle beliebigen Elemente miteinander kombinieren. Auch die klare Einteilung der Blades in Angreifer, Tanks und Heiler wurde zumindest abgeschwächt. Dafür haben wir diesmal die Möglichkeit, im Kampf unsere Blades direkt zu kontrollieren bzw. wieder zu den menschlichen Charakteren zurückzukehren - allerdings jeweils nicht beliebig oft, sondern erst nach Ablauf eines Cooldown-Timers. Vollführen wir einen Wechsel, wird ein Großteil unserer HP wiederhergestellt und die eingewechselte Figur darf ihre Spezialfähigkeiten sofort einsetzen. Wie man es von der Serie kennt müssen wir in den Auseinandersetzungen keine langfristigen Strategien entwickeln, sondern die in mehreren Bildschirmecken untergebrachten Leisten im Auge behalten und auf Basis dieser Informationen schnelle und kurzfristige Entscheidungen treffen. Wer einfach nur Offensivmanöver aneinanderreiht, wird selbst gegen gewöhnliche Gegner sehr schnell ins Gras beißen - so bleiben die Kampfe immer spannend.
Was sich hingegen tatsächlich wirklich neu anfühlt, ist die Handlung des Spiels. Die Legende von Addams Kampf gegen Malos und auch das Verhältnis zwischen Jin und Lora sind zwar schon hinreichend bekannt, aber Monolith hat diese Erzählung mit so vielen neuen Charakteren und Sub-Plots versehen, dass man schon nach wenigen Stunden fast vollständig vergisst, dass die Handlung irgendeinen Bezug zum Hauptspiel hat. Als einziges wirklich neues Gameplay-Feature verbirgt sich hinter dem neuen Menüpunkt "Community" eine bildschirmfüllende Grafik, auf der alle NPCs, denen wir auf unserem Weg begegnen, eingezeichnet werden. Haben wir ein Sidequest abgeschlossen, dürfen wir zur Belohnung eine oder mehrere Figuren in den Kreis unserer Unterstützer aufnehmen. Das klingt nett, ist aber in Wirklichkeit nur ein schicker Anstrich der verschleiern soll, dass wir an gewissen Punkten des Spiels eine bestimmte Anzahl von Sidequests erfüllt haben müssen, bevor es in der Hauptstory weitergeht.
Das leidliche Thema: Umfang
Als letztes Jahr für Breath of the Wild die Ballade der Recken erschien, wurde der DLC vor allem für seinen - in Anbetracht des Preises - mangelhaften Umfang kritisiert (zum NplusX-Test). Torna - The Golden Country muss sich zum Glück keine derartige Kritik gefallen lassen - eigentlich. Denn je nachdem, wie ausführlich wir uns mit den optionalen Inhalten auseinandersetzen, können bis zum Erreichen des Abspanns deutlich über 20 Stunden vergehen. Das ist vor allem in Anbetracht des Season Pass, der neben dem Story-DLC noch einige weitere Extras bereithält, durchaus angemessen. Wer sich die Retail-Version kauft und den Umfang bisheriger Franchise-Ableger im Hinterkopf hat wird aber vielleicht etwas verdutzt sein, wenn nach zwei Wochenenden bereits der Abspann erreicht ist. Denn die „Vollversion“ von Xenoblade Chronicles 2 bietet für einen geringen Aufpreis einen fünf bis zehn mal größeren Umfang. Allein aufgrund dieser Tatsache sollten alle Interessierten, die Xenoblade Chronicles 2 noch nicht besitzen und mit dem DLC als Einstiegspunkt liebäugeln, lieber zum Hauptspiel greifen.
Viel Ärgerlicher als das schwächere Preis-Leistungs-Verhältnis sind jedoch die Auswirkungen, die diese Runterskalierung auf das gesamte Spielerlebnis hat. Alle bisherigen Xenoblade-Ableger lassen sich ohne Zweifel als „Epos“ bezeichnen - der Torna-DLC ist nun gezwungenermaßen deutlich kompakter gehalten. Die begehbaren Abschnitte der Titanen sind merklich kleiner, Charaktere steigen viel schneller im Level auf und die Sidequests erzählen keine eigenständigen Geschichten, sondern laufen nicht selten nach dem Schema „töte X Monster“ ab. Auch auf die Gestaltung von Städten hat Monolith auffallend oft verzichtet - vor allem zu Beginn des Spiels finden wir anstelle der angekündigten Dörfer nur noch einen Krater mit der gedachten Aufschrift: „Malos war hier“. Die noch stehenden Siedlungen beherbergen, mit einer offensichtlichen Ausnahme, etwa zehn NPCs. Für Spieler die nicht allzu viel Zeit in ein einzelnes Videospiel stecken möchten könnte diese Art des Spieldesigns natürlich sogar einen Pluspunkt darstellen. Einige Fachmagazine preisen den DLC aufgrund seines schnelleren Pacings sogar mit dem Prädikat „besser als das Hauptspiel“ an. Serienfans werden jedoch wahrscheinlich die besondere Atmosphäre vermissen, die bisherige Ableger mit ihren ausladenden Spielwelten erzeugt haben.
Fazit:
Betrachten wir Torna - The Golden Country als eigenständiges Spiel und ohne Blick auf die bisherigen Serienableger zeigt sich ein gutes Action-RPG, das mit einer spannenden Story, fordernden und schnellen Kämpfen und einem angemessenen Umfang punkten kann. Auch die Gestaltung der Spielwelt sowie der in ihr lebenden Monster und insbesondere der Soundtrack bieten die gewohnte Monolith-Klasse. Erst im direkten Vergleich zum Hauptspiel ist das Add-On auf hohem Niveau enttäuschend, da das kompaktere Spieldesign vieles von dem epischen Spielerlebnis vermissen lässt, das Xenoblade Chronicles 2 vor einem Jahr auf den Tisch gelegt hat. Wer damit leben und sich trotzdem auf ein Wiedersehen mit den aus Xenoblade 2 bekannten Blades und Titanen freuen kann, bekommt mit Torna - The Golden Country einen ordentlichen Story-DLC. Im Vergleich zur Ballade der Recken ist das DLC-Angebot von Monolith jedenfalls eine deutliche Steigerung.


