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NplusX-Analyse: Über Sinn und Unsinn von ultraniedrigen Schwierigkeitsgraden

Von Andreas Held am 19.05.2017


Die Schlausteuerung ist ein neues Feature in der Switch-Version von Mario Kart 8, das Karts automatisch beschleunigt und es fast unmöglich macht, von der Strecke abzukommen. Auf den leichtesten Schwierigkeitsgraden ist es daher mit Glück möglich, ein Rennen zu gewinnen, ohne ein einziges Mal den Controller zu bedienen. Auf höheren Spielstufen und in Online-Rennen sorgt sie jedoch für einen Nachteil, da der maximale Drift-Boost bei eingeschalteter Schlausteuerung nicht zur Verfügung steht und das Feature außerdem verhindert, dass man Abkürzungen nehmen kann. Obowhl sie optional und ihre Nutzung mit Nachteilen verbunden ist, kritisierten Fans die neue Spielhilfe heftig.

Eigentlich ist es in den letzten Jahren jedoch gar nicht ungewöhnlich, wenn Videospiele das Erreichen des Abspanns unfassbar einfach machen. Im Rennspiel-Genre gehört eine eingeblendete Ideallinie, die dem Spieler genau zeigt, wann er Pedale und Lenkrad bedienen muss, ebenso zum Standard wie ein Rewind-Feature, mit dem man Fahrfehler einfach ungeschehen machen kann. Viele Action-Titel gehen sogar so weit, gar kein klassisches "Game Over" mehr zu implementieren, sondern stellen die Lebensenergie des Protagonisten nach seinem virtuellen Ableben einfach wieder her, ohne dabei die Gegner zu heilen - unbegrenzt oft. Ein solches Spiel zu beenden ist noch einmal deutlich einfacher, als in Mario Kart 8 mit aktivierter Schlausteuerung alle Cups zu gewinnen. Doch wenn man öffentlich erwähnt, dass automatische Wiederbelebungen den Schwierigkeitsgrad praktisch auf Null senken, wird man meistens verbal attackiert oder erntet bestenfalls ein "ja, das nervt ein bisschen".
Nintendo-Fans hingegen regen sich regelmäßig über derartige Features auf - auch der Super Guide aus New Super Mario Bros. oder der goldene Pilz aus Super Mario 3D World sorgten für ähnliche Diskussionen. Auslöser ist vermutlich die - nicht ganz unbegründete - Angst davor, dass sich die First-Party-Spiele aus Kyoto mehr und mehr den "Casual-Gamern" anbiedern und Freunde von anspruchsvolleren Spielen im Regen stehen lassen. Doch wenn dies das Ziel wäre, müsste man sich ja nicht die Mühe machen, optional auch weniger einfache Spielmodi einzubauen. Außerdem darf bezweifelt werden, dass diese Herangehensweise überhaupt richtig wäre: Ein direkter Zusammenhang zwischen einem niedrigeren Schwierigkeitsgrad und höheren Verkaufszahlen kann jedenfalls nicht immer beobachtet werden. Beispielsweise gibt es eine ganze Reihe von Monster-Hunter-Klonen (darunter Soul Sacrifice, God Eater und Toukiden), die deutlich einfacher sind als das für seinen Schwierigkeitsgrad berüchtigte Vorbild. Trotzdem reicht der kommerzielle Erfolg dieser Serien nicht annähernd an den von Capcoms Franchise heran.

Ein weiteres Argument, das gerne gegen Features wie die Schlausteuerung vorgebracht wird, ist die Behauptung, dass sie verhindern würden, dass Neulinge ein Videospiel jemals richtig erlernen. Doch vermutlich ist das genaue Gegenteil der Fall: Ein vollkommen unerfahrener Spieler, der in den ersten Minuten eines Spiels bereits gegen eine Wand läuft, wird dieses wohl sofort wieder zur Seite legen und sich einem anderen Hobby zuwenden. So gesehen ist die Schlausteuerung aus Mario Kart 8 sogar ziemlich ausgeklügelt: Sie verhindert, dass Neulinge von ihren ersten Misserfolgen sofort vergrault werden, ist aber gleichzeitig mit Abstrichen verbunden, die nur erfahrene Spieler überhaupt bemerken. Wahrscheinlich setzt Nintendo darauf, dass Anfänger nach einer Zeit das Gefühl haben, auch ohne Schlausteuerung auf der Strecke bleiben zu können, und gleichzeitig den Wunsch entwickeln, auch mal die dritte Driftstufe oder Abkürzungen zu benutzen - weil sie andere Spieler dabei beobachten, wie sie mit diesen Vorteilen Rennen gewinnen. Dann nehmen sie die Stützräder ab und Nintendo darf behaupten, einen neuen Mario-Kart-Rennfahrer "ausgebildet" zu haben.
Was von den Hardlinern ebenfalls gerne ignoriert wird: Oft kommen ihnen optionale, niedrigere Schwierigkeitsgrade sogar indirekt zugute. Einfache Spielmodi sind zwar - wie oben erwähnt - kein Zaubermittel für kommerziellen Erfolg, aber trotzdem ist natürlich klar, dass übermäßig fordernde Titel den Kreis potentieller Käufer ebenfalls sehr stark einschränken. Fire Emblem: Awakening konnte sich wohl nur deshalb am Massenmarkt durchsetzen, weil es optional auch niedrigere Schwierigkeitsgrade anbot. Mit dem Phoenix-Modus in Fates, der alle gefallenen Einheiten am Ende jeder Runde automatisch wiederbelebt, hat Intelligent Systems das Spiel noch einmal deutlich vereinfacht. Serienfans erhielten jedoch mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad und eingeschaltetem Permadeath auch weiterhin anspruchsvolle Strategiekost. Gäbe es keine optionalen Spielhilfen, hätten die Entwickler vermutlich den Default-Schwierigkeitsgrad vereinfacht und somit Franchise-Veteranen im Regen stehen gelassen. Auch Nintendo kann dank einer potentiellen Schlausteuerung in Mario Kart 9 weiterhin Kurse wie die Rainbow Road oder den Cloudtop Cruise anbieten, ohne das Risiko beachten zu müssen, dass zu anspruchsvolle Streckendesigns unerfahrene Spieler abschrecken könnten.

Wir dürfen also festhalten, dass sowohl sehr einfache als auch übermäßig schwierige Spiele Probleme damit haben, sich am Markt durchzusetzen. Die Ursache hierfür könnte in der aktuellen Marktlandschaft liegen: Ist ein Spiel zu leicht, wird es von Vielspielern und Genrefans ignoriert. Genau diese Leute sind es aber, die in Internetforen, Blogs und auf ihren Youtube-Kanälen Mundpropaganda betreiben - und diese Form der Berichterstattung ist heutzutage meist effektiver als traditionelle Werbung. Ist ein Spiel hingegen zu schwierig, stellen weniger versierte Spieler spätestens beim Anspielen fest, dass sie wohl doch nichts mit dem Titel anfangen können, den ihr Lieblings-Let's Player so gelobt hatte. Auch dann bleibt der kommerzielle Erfolg aus und die Entwicklung eines Nachfolgers wird unwahrscheinlicher, was Fans des betroffenen Franchise genausowenig nützt. Die einzige Lösung für dieses Dilemma besteht darin, Optionen anzubieten, durch die sich der Grad der Herausforderung konfigurieren lässt.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Wer anspruchsvolle Spiele mag, sollte eigentlich sogar dankbar für optionale "Easy Modes" sein, da sie indirekt dafür sorgen, dass die schwierigeren Spielstufen ohne Kompromisse sehr anspruchsvoll gestaltet werden können, weil die Entwickler dort keine Rücksicht mehr auf potentielle Anfänger und Gelegenheitsspieler nehmen müssen. Mir persönlich wäre ein Mario Kart 9 mit optionaler Schlausteuerung jedenfalls deutlich lieber als ein Mario Kart, in dem alle Strecken aus Angst vor einer möglichen Überforderung von Neulingen sehr breit gestaltet und durch Barrieren abgesichert sind. Dass derartige Spielhilfen potentielle Wunderkinder davon abhalten, ein Spiel jemals wirklich zu erlernen, darf ebenfalls bezweifelt werden; wahrscheinlicher ist sogar, dass sie gezielt Neulinge anlocken, die dann irgendwann von selbst den Wunsch entwickeln, selbstständiger zu spielen. Vielspieler sollten extrem einfachen Modi also deutlich entspannter gegenüberstehen: Denn das Fehlen zuschaltbarer Spielhilfen ist, wenn man das Gesamtbild betrachtet, auch für erfahrene Spieler eher ein Nachteil. Wichtig ist nur, dass diese Hilfen auch wirklich optional sind.

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7 Kommentare:
Jerry)
Jerry
Am 19.05.2017 um 14:09
So eine Schlausteuerung ist eigentlich eine feine Sache für Leute, die so etwas brauchen. Was mir allerdings gar nicht gefallen hat war, dass sie standardmäßig eingeschaltet ist, dies dem Spieler nie mitgeteilt wird und man ne ganze Weile suchen muss, bis man die Option zum Abschalten findet.
Denios)
Denios
Am 19.05.2017 um 14:18
sehe ich genauso. eine winzig kleine Erklärung beim ersten Mal Anmachen hätte doch keinem wehgetan
Matthew1990)
Matthew1990
Am 19.05.2017 um 14:26
Das stimmt. Ein allgemeines Optionsmenü fehlt irgendwie. Gäste dürfen bei jedem Neustart auch die Schlausteuerung bei Bedarf erst einmal deaktivieren. :/
NDragon1412)
NDragon1412
Am 19.05.2017 um 18:24
Also ich habe die Option gleich beim ersten Einschalten auf Anhieb gefunden, ohne überhaupt danach zu suchen. Aber ich spiele in neuen GUIs aber sowieso erstmal viel rum und probiere bewusst alle Untermenüs aus, den Einwand kann ich also verstehen.
Matthew1990)
Matthew1990
Am 19.05.2017 um 14:25
Ich frage mich eh, wieso dieses Thema umstritten ist. Seit ich als Kind mit dem N64 angefangen habe, gab es Schwierigkeitsgrade: Leicht, mittel und schwer. Als Kind habe ich immer aus Angst vor Niederlagen "leicht" gewählt, aber im Laufe der Entwicklung zu "mittel" gewechselt, da man häufiger viel mehr freischalten kann, z.B. an Secret Endings in Kingdom Hearts.

"Dann nehmen sie die Stützräder ab und Nintendo darf behaupten, [...]" ist eine hervorragende Metapher. Meiner Meinung nach könnte man es nicht besser beschreiben.
Buttergebäck)
Buttergebäck
Am 19.05.2017 um 15:57
Ein sehr kluger und richtiger Artikel. Den einen richtigen Schwierigkeitsgrad für alle Spieler gibt es einfach nicht, da ist es besser, Optionen anzubieten.
kraid)
kraid
Am 19.05.2017 um 17:10
Ganz so einfach ist es dann ja doch nicht.
Ziel des Spiels ist es doch die Cups mit drei Sternen Trophähe zu gewinnen und das ist dann wiederrum richtig schwer, da man nur einmal ein Rennen als zweiter beenden muss um sich die höchste Punktzahl zu versauen.

Meiner Meinung nach fehlt da noch die Option "Retry", die es ermöglicht einzelne Rennen zu wiederholen, wenn man durch Zufallsereignisse wie Blaue Panzer kurz vor der Ziellinie plötzlich den ersten Platz einbüßt.

Gegenwärtig muss man da den ganzen Cup neu starten und das beste hoffen.
Venne)
Venne
Am 19.05.2017 um 17:26
Das sehe ich nicht als Problem. Sind ja nur 4 Rennen. Dann fährt man die halt nochmal.
Ribesal)
Ribesal
Am 25.05.2017 um 12:45
Hmm, also ich hab schon ein paar mal 3 Sterne erhalten ohne immer erster gewesen zu sein. Ich weiß nicht was genau da bewertet wird, aber volle Punktezahl ist da nicht zwingend notwendig.
Pogo)
Pogo
Am 19.05.2017 um 18:48
Es kommt immer darauf an, wie sie implementiert werden udn ob sie ins Spielkonzept passen. Bei Zelda TWW hat es z.B. gepasst, da das Spiel ohnehin sehr kindlcih war. Bei TP hat es gar nicht gepasst, da das Spiel auf düster gemacht hat. Das hat sich dann extrem gebissen. Bei Zelda SS haben einige Tafeln und Fis Erklärungen des offensichtlichen einige Rätsel kaputt gemacht, in dem das Rätsel und die Lösung sofort genannt wurde - mehrmals.

Aber wenn es gut implementiert ist und passt, dann finde ich es willkommen, auch wenn ich immer auf mittel oder hart spiele.
Der R)
Der R
Am 20.05.2017 um 10:08
Ich finde Fire Emblem ein gutes Beispiel. Ich habe die Casual-Variante mal in Kombination mit Lunatic ausprobiert und musste feststellen, dass es bei mir ein vollkommen anderes Spielverhalten auslöst. Da opfert man auch mal einen Charakter wissentlich um zu gewinnen. Bei FE kann man also sagen dass es tatsächlich damit mehr Variationen gibt. Mir gefällt jedoch eher ein defensives Spielen weshalb ich gewechselt habe zum klassischen Modus und Einfach. Auf den höheren Leveln passiert es einfach zu häufig dass mir Jemand stirbt. Manche Kämpfe sind auf Einfach tatsächlich zu leicht jetzt. Andere aber wiederum erweisen sich als schwer, sobald man seine Beziehungen und schwachen Kämpfer aufleveln möchte. Es reicht manchmal ein bisschen Pech um einen Kämpfer zu verlieren.
Kurzum: Jeder Spielmodus der optional ist und ein Spiel ergänzt - ist meiner Meinung nach erstmal ein Gewinn. Was einem am Besten gefällt kann dann ja jeder für sich selbst ausmachen.
mega)
mega
Am 21.05.2017 um 20:12
Selten so einen Schwachsinn gelesen. Wenn jeman gleich am Anfang gegen eine Bande o.ä. fährt muss er es eben so lange versuchen bis er es kann. So schwer ist das nun auch nicht und wenn jemand keinen Willen hat, sowas zu "Erlernen" oder sich etwas länger damit zu beschäftigen, dann sollte er sich ein anderes Hobby. All dieser Hilfs-Scheiss und das unnötige Schwierigkeitsgrad gesenke verweichlicht die Gamer Jugend immer mehr! Früher haben wir die Spiele so lange gespielt bis wir weiter kamen. Es sei denn das Spiel war totaler Müll. Das war der Reiz datan zu lernen und sich so im Spiel immer weiter nach vorn zu arbeiten. Heutzutage ist die Jugend von dem ganzen Müll schon so verweichlicht, das sie sofort bei youtube schauen oder nach Komplettlösungen suchen wenn sie ein Mal sterben oder kurz Mal nicht weiter kommen. Wie man da einen Vorteil daran sehen lann ist mir schleierhaft ^^ und wenn man quasi nichts mehr machen muss, brauch man nicht mehr spielen.
Dieser Artikel ist echt daneben...