Test

Little Inferno

Von Lars Peterke am 27.03.2017

„Gratulation zum rechtmäßigen Erwerb deines brandneuen Little Inferno Entertainment Fireplace! Wir haben jeden Kamin mit Liebe gefertigt, um dein Zuhause zu wärmen, und dein Herz.“ So beginnt Little Inferno, mit einem Brief. Doch diesen Brief werdet ihr nicht lange behalten, oh nein, der Brief wird sogleich verbrannt! Und zwar in eurem neuen Kamin. Jenem Kamin, vor dem ihr noch sehr viel Zeit verbringen werdet, denn er ist der Hauptspielinhalt. Ein Little Inferno just for you!

Die totale Sinnlosigkeit

In Little Inferno verbrennt ihr Sachen. Mehr als das gibt es gar nicht zu tun: Stunde um Stunde sitzt ihr vor eurem neuen Kamin und werft Gegenstände in die Flammen. Die Objekte bestellt die kleine Knubbelfigur im Katalog. Kaum ist die Lieferung da, landet sie auch schon im Feuer - und lässt dabei mehr Geld fallen, als sie gekostet hat. Je mehr ihr also verbrennt, desto mehr könnt ihr auch kaufen. Und das Feuer wird noch größer, noch hübscher, noch anziehender.

Der Reihe nach. Woher kommt der hohe Heizbedarf? Nun, in der Welt von Little Inferno ist es kalt geworden. Seit Jahren fällt der Schnee, die Sonne ist nur selten zu sehen. Um sich selbst warmzuhalten, wird empfohlen, einfach alles zu verbrennen - von Spielzeugen über Nahrungsmittel bis hin zu teuren Erinnerungsfotos. Hinter dem Konzept des Little Inferno Entertainment-Kamins und hinter all den Katalogen steht der Großkonzern Tomorrow Corporation, dessen Chefin, Miss Nancy, euch immer mal wieder Gratulationsbriefe schreibt. Kein Wunder, schließlich geht ihr konsumfreudiges Geschäftsmodell mit Kunden wie euch ja wunderbar auf.

Neben den Briefen von Miss Nancy flattern auch noch andere Dinge in euren Posteingang, die nach und nach die Story vorantreiben: Der Wettermann berichtet regelmäßig von den neuesten Schneestürmen, und immer wieder schreibt eine geheimnisvolle Fremde, die ebenfalls vor ihrem Kamin zu sitzen scheint. Sie bittet ab und an sogar, dass man ihr doch Sachen schicken soll. Diese mysteriöse Person ist der rote Faden in der Geschichte, an dem sich der Spieler entlanghangelt. Denn auch Little Inferno hat ein Ende, ein ziemlich tiefsinniges Ende sogar.

Raffinessen im Spielablauf

Nach und nach erhält die Spielfigur Bares, um noch mehr Brennstoff zu kaufen. Sobald ihr genügend Kaufkraft investiert habt, werden auch neue Kataloge freigeschaltet - mit neuen, völlig unbekannten Gegenständen. Es gibt sieben Kataloge mit je 20 Gegenständen. Macht insgesamt 140 Gegenstände. Ihr wisst also immer ganz genau, wie weit ihr noch vom Ende entfernt seid. Die Kataloge sind thematisch geordnet: In einem gibt es nur Spielsachen, der andere dreht sich ums Essen. Und für jeden Artikel gibt es eine kurze Textbeschreibung, die mit Humor nicht geizt. Das „Kätzchen Kätzchen Poo Poo Stofftier“ füllt „dein Herz mit Liebe und dein Haus mit Fell“. Alles klar?

Sobald ihr die Sachen bestellt, heißt es erst einmal: Warten. Denn die Gegenstände brauchen eine Weile, bis sie ankommen. Bis zu fünf Minuten kann das in Echtzeit dauern. Dies hat keinerlei spielerischen Hintergrund, schließlich gibt es in Little Inferno keine echten Punkte, keine Leben und keine anderen typischen Motivatoren. Das Spielkonzept basiert absichtlich darauf, die Zeit des Spielers zu verschwenden. Verkürzen lässt sich die Wartezeit mit dem Einsatz von Briefmarken. Diese erhält man durch Zufall oder durch Verbrennen von bestimmten Gegenstandskombinationen. Bis zu 99 Briefmarken kann man haben, aber auch hier gilt: Sie sind kein Fortschrittsindikator. Sie helfen euch nur dabei, wertvolle Lebenszeit zu sparen.

Die einzige spielerische Komponente in Little Inferno sind die Kombinationen. Es gibt eine große, jederzeit einsehbare Liste mit den Namen von Kombos, aus denen man die entsprechenden Gegenstände herauslesen muss. Einige Kombos sind dabei ganz einfach zu erraten, andere wiederum richtig schwierig. Wisst ihr etwas mit dem gelben Ziegelsteinweg anzufangen? Nicht? Eine Kombo weniger für euch. Für jede richtig verbrannte Kombination gibt es einen Stern. Und wer alle Sterne hat, der darf sich auf eine Überraschung freuen. Pro-Tipp: Es empfiehlt sich, jeden Gegenstand im Spiel mindestens dreimal zu verbrennen. Wieso, wird nicht verraten.

Der Spirit von Little Inferno

Ihr werdet es bereits mitbekommen haben: Bei Little Inferno handelt es sich um etwas … ganz anderes. Es ist kein richtiges Spiel, aber auch keine Kaminsimulation. Die Entwickler haben mit ihrem Werk eine tiefere Aussage verbunden, die sich erst mit dem großen Finale vollständig offenbart. Und diese Aussage ist tatsächlich ziemlich ungewöhnlich für ein Videospiel. Auf dem Weg dorthin ist auch der ungewöhnliche Artstyle ein Alleinstellungsmerkmal. Die Verwandtschaft zu World of Goo, hinter dem einer der drei Entwickler steckte, wird schon im ersten Moment ersichtlich, wenn man die Titelmusik im Hauptmenü zu hören bekommt (sie steht übrigens auf der Herstellerseite kostenlos zum Download bereit). Die Liebe steckt in allen Details: In den teilweise wirklich abgedrehten Gegenständen, in der Art und Weise, wie jede Lieferung anders verbrennt, im Humor, in der Soundkulisse, den kurzen Texten.

Nach einiger Zeit fängt diese banale Verbrennungstätigkeit tatsächlich an, eine Faszination auszuüben. Gerade so, wie man früher auf dem Schulhof Pokémon-Sticker ausgetauscht hat, um sein Stickeralbum zu füllen, so will man hier alles mal verbrannt gesehen haben. Es fällt leicht, sich in die Rolle des ganz passiven Konsumenten wiederzufinden, die das Spiel einem zuteilt. Der Simplizität des Spielgeschehens ist es allerdings auch geschuldet, dass ein Spieldurchgang nicht sonderlich lange dauert. Je nachdem, wie viel Gewicht man den Kombinationen beimisst, ist ein Storydurchlauf in drei bis sechs Stunden locker beendet. Das ist für ein Spiel mit einem Preis von 10 Euro tatsächlich nicht rekordverdächtig. Wer diese Rechnung allerdings so durchführt, der sollte sich ohnehin fragen, ob Little Inferno das Richtige für ihn ist. Denn erstens kommt einem das Spiel mit seiner gewollten Zeitverschwendung länger vor, als es ist, und zweitens geht es hier nicht darum, möglichst viele spaßige Stunden zu erleben. Wenn man nun fünfzehn oder gar mehr Stunden nur damit beschäftigt wäre, Sachen zu verbrennen, würde das Konzept sicher öde werden. Doch die Kürze macht hier die Würze, und am Ende steht ein rundes Gesamterlebnis, das die einmalige (oder auch mehrmalige?) Reise durchaus wert ist.

Wie steht es um die Pyrotechnik?

Auch ein Wort zu den technischen Aspekten des Spiels sei verloren. Die Verbrennungsanimationen sind schön gemacht, man merkt ihnen die fünf Jahre allerdings an, die sie bereits alt sind. Nicht nur, dass viele Gegenstände bestimmte Auswirkungen haben, die auch für Kombos nützlich sind (die Käfer verfärben beispielsweise die Flammen). Es sieht auch einfach schön aus, wenn die Flammen sich nach und nach über ein Blatt Papier ausbreiten, genau die richtigen Teile braun färben, der Gegenstand irgendwann zerfällt oder sich die Helligkeit der Flammen spiegelt.

Der Soundtrack ist sehr stimmig geworden, man kann ihn sich auch ohne das Spiel anhören. Die Soundeffekte erzeugen ein beklemmendes Ambiente, das Knistern des Feuers passt zum Geschehen auf dem Bildschirm. Insgesamt wird wirklich die Stimmung eines warmen Kamins in einem kalten Winter geschaffen.

Sehr gut gelungen ist den Entwicklern übrigens die Anpassung auf den JoyCon. Mit dem rechten Controller-Stück zeigt ihr auf den Bildschirm wie mit der Wii-Fernbedienung und seid nicht mehr auf eine Sensorbar oder Ähnliches angewiesen. Blöd, dass das Spiel gar nicht richtig startet und keine Hinweise gibt, ohne dass ihr einmal den JoyCon oder den Touchscreen betätigt. Man hat zunächst fast den Eindruck, als sei die Switch-Konsole abgestürzt. Im Handheld-Betrieb könnt ihr das Spiel mit dem kapazitiven Touchscreen spielen.

Fazit:

Wer ein Spiel sucht, mit dem er sich lange Nächte um die Ohren schlagen kann, der ist mit Little Inferno nicht unbedingt am besten beraten: Drei bis sechs Stunden Spielzeit sind wirklich nicht die Welt. Wer allerdings bereit ist, sich auf eine kleine Reise zu begeben und in ein Kunstspiel einzutauchen, bei dem Klasse über Masse steht, der sollte sich Little Inferno nicht entgehen lassen. Die Indie-Entwickler von Tomorrow Corporation haben es geschafft, eine absolut simple Gameplay-Idee in Herz, Humor und Tiefgründigkeit zu verpacken. Ein perfektes Beispiel für einen Titel, der so im Retail-Handel nie funktionieren würde, aber als Download für kleineres Geld im eShop vollständig aufgeht. Nie hat Pyromanie so viel Spaß gemacht wie mit dem Little Inferno Entertainment Fireplace.

Zweites Fazit von Andreas Held:

Man wirft Sachen in einen Kamin, zündet sie an und schaut zu, wie sie verbrennen. Wer sich angesichts dieses Spielinhalts nur am Kopf kratzen kann und nicht versteht, wie mein Kollege auf ganze neun Punkte kommt, wird dies wohl auch nach dem Kauf des Spiels nicht können. Man muss dazu veranlagt sein, ein derartiges Konzept zu mögen; einige tun dies, und andere eben nicht. Und ich gehöre eindeutig zu der zweitgenannten Gruppe. Daher könnte ich das Gameplay nun als reine Zeitverschwendung beschimpfen, aber das hat Marcel in seinem Review ja bereits getan, sodass ich hier kein Pulver habe, um gegen den Titel zu schießen. Abgesehen davon ist natürlich klar, dass man Little Inferno nicht wie ein normales Spiel bewerten kann - Metriken wie "Steuerung", "Leveldesign" oder "Schwierigkeitsgrad" versagen völlig. Und selbst ich als Kunstbanause kann dem Gesamtpaket hier und da etwas abgewinnen: Vor allem die weibliche Briefbekanntschaft wächst einem sehr schnell ans Herz, da sie die absolute Einsamkeit des restlichen Spiels durchbricht. Und die Liebe zum Detail, die sich konstant durch diese Software zieht, ist nicht abzustreiten. Nur in einer Sache lasse ich nicht mit mir diskutieren: Der Download ist überteuert. Wer die Idee reizvoll findet, in einem virtuellen Kamin Dinge zu verbrennen, kann sich von Little Inferno begeistern lassen - denn diese einzigartige Idee wurde hier makellos umgesetzt. Alle anderen werden sich vermutlich fragen, ob all diejenigen bescheuert sind, die das Spiel anpreisen - oder ob man selbst einen an der Waffel hat und daher irgendetwas Wichtiges nicht versteht.

Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version

Unsere Wertung:
9.0
Lars Peterke meint: "Minimalistisch, kurz und trotzdem klasse: Das Kunstprojekt Little Inferno ist durchweg gelungen. Man sollte sich vom äußeren Eindruck nicht täuschen lassen, dieser Titel hat es faustdick hinter den Ohren."
Little Inferno erscheint für PC und Wii U und Nintendo Switch. Wir haben die Version für PC getestet.
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3 Kommentare:
TheMaG93)
TheMaG93
Am 28.03.2017 um 04:50
Grüße ans Team
TheMaG93)
TheMaG93
Am 28.03.2017 um 04:53
Ups, da wurde die andere Hälfte des Kommentars wohl ab dem Emoji abgeschnitten.
Vollständig: Grüße ans Team :) ihr seid klasse!
NaIzE)
NaIzE
Am 28.03.2017 um 17:27
Ich habe es damals zum Release auf der WiiU gekauft und wurde nicht enttäuscht. Ich gehöre nämlich ebenfalls zu den Leuten, bei denen dieses Konzept voll funktioniert. :D
the_Metroid_one)
the_Metroid_one
Am 28.03.2017 um 18:27
Ich frage jetzt mal ganz frech, wer ist Marcel Garling? Dort wird Samus_Aran verlinkt, Samus_Aran ist aber nicht Marcel Garling.