Banishers: Ghosts of New Eden
Wenn der Name des französischen Entwicklerstudios Don't Nod fällt, denken die meisten Gamer an die Life Is Strange-Reihe. Die Abenteuer von Max Caulfield und Chloe Price sind zu so etwas wie ein Aushängeschild des Studios geworden, tatsächlich aber verfügt Don't Nod inwischen über fast ein Dutzend unterschiedlicher IPs. Mehrere Teams arbeiten zeitgleich an verschiedenen Projekten und veröffentlichen in einem fast jährlichen Takt neue Spiele. Im letzten Jahr brachte Don't Nod mit Harmony: The Fall of Reverie und Jusant gleich zwei Spiele auf den Markt, beides waren jedoch kleinere Titel. Mit Banishers: Ghosts of New Eden folgt darauf nun ein AA-Titel mit Focus Home Entertainment als Publisher. Wir sind in die Schuhe der titelgebenden Banishers geschlüpft, um euch den nachfolgenden Test des Action-Adventures zu liefern.
Willkommen in New Eden
Die Banishers – zu Deutsch Geisterverbanner – sind hier ein Liebespaar bestehend aus dem grobschlächtigen Schotten Red mac Raith und seiner kubanischen Partnerin Antea Duarte. Im Jahr 1695 sind sie mit einem Schiff nach New Eden, einer Art fiktiven Version von New England, im Nordosten Amerikas unterwegs, um im Auftrag des dort ansässigen Reverend Charles Davenport einen boshaften Geist zu verbannen. Noch während ihrer Reise über den Atlantik mutmaßen die beiden, dass es sich um einen besonders mächtigen Dämon handeln muss, denn Charles ist selber ein fähiger Geisterjäger, der normalerweise nicht auf die Hilfe anderer angewiesen ist.
In New Eden entpuppt sich die Sorge der Banishers schnell als berechtigt. Obwohl es Sommer ist, werden sie von eisigen Temperaturen und einer bedrückenden Atmosphäre empfangen. Die Ortschaft New Eden Town ist wie ausgestorben und die drei Mitglieder des dortigen Stadtrats berichten, dass Charles tot auf dem nahen Friedhof aufgefunden wurde. Sie behaupten zudem, dass ein Fluch auf dem Dorf laste. Erst suchten Pest und anderen Krankheiten die Anwohner heim, dann kamen Albträume, Wahnsinn und schließlich ein nie enden wollender Winter.
Red und Antea nehmen sich des Falles an und als Spieler steuern wir fortan einen der beiden Charaktere durch die Landstriche New Edens, wobei wir auf Knopfdruck jederzeit zwischen beiden hin und herwechseln dürfen.
Das erste Kapitel dient als eine Art Tutorial. Es stellt verschiedene Charaktere vor, lässt uns den Tod von Charles untersuchen und gipfelt in einem Kampf gegen den Dämon, der das Dorf peinigt. Der Kampf endet mitnichten so, wie es sich die Geisterjäger vorgestellt hatten, mehr wollen wir an dieser Stelle allerdings nicht verraten. Danach verflacht die Story von Banishers: Ghosts of New Eden zunächst ein wenig, was vor allem den Professionen der Hauptcharaktere geschuldet ist. Wer The Witcher 3 gespielt hat, kennt das Problem: Während Gerald von Riva in der Open-World von CD Projekt RED eigentlich seine Ziehtochter Ciri suchen soll, nimmt er als professioneller Monsterjäger nebenher regelmäßig Aufträge an, um für das Bauernvolk diverse Monster zur Strecke zu bringen. Analog dazu verbannen Red und Antea hauptberuflich eben verschiedene Geister und Dämonen, während sie dem Geheimnis des Fluchs nachgehen. An unterschiedlichen Orten nehmen sie dazu kleine Aufträge beziehungsweise Fälle an, die wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, ehe sie sich wieder wichtigeren Dingen widmen können.
Manche dieser Sidequests, die nur zum Teil optional sind, schaden dem Pacing ein wenig, werden aber ungeachtet dessen kompetent und fantasievoll erzählt. Die Quests, die die Hauptstory vorantreiben sind deutlich besser und unterstreichen einmal mehr Don't Nods Ruf als exzellenter Geschichtenerzähler.
Geisterkrimi mit viel Action und Rollenspielelementen
Auch spielerisch bietet Banishers: Ghost of New Eden mehr als nur Standardkost. Um mächtigere Geister verbannen zu können, müssen Red und Antea immer erst herausfinden, wieso deren Seelen noch auf der Erde wandeln, was in der Regel mit den Taten hinterbliebener Personen zu tun hat. Während der sogenannten Spukermittlung befragen wir diese Personen, verfolgen Spuren, lesen Briefe und untersuchen Gegenstände. Red kann an vorgegebenen Stellen außerdem Rituale durchführen, um vergangene Ereignisse sichtbar zu machen oder Stimmen der Vergangenheit zu hören. Die Fälle sind abwechslungsreich gestaltet, es ist jedoch schade, dass wir sie als Spieler eher passiv lösen. Wirkliche Detektivarbeit dürfen wir nicht verrichten. Für den jeweiligen Fall relevante Gegenstände leuchten nämlich blau und können dadurch unmöglich übersehen werden. Haben wir alle Hinweise abgegrast, wird auf der Karte ein neuer Marker freigeschaltet, der zu weiteren Hinweisen oder einer Geistergestalt führt. Ist die Recherche abgeschlossen, müssen wir eine von drei möglichen Entscheidungen treffen: Wir können die heimgesuchte Person des Mordes beschuldigen, den Geist "aufsteigen" lassen oder den Geist "verbannen". Bei den zwei zuletzt genannten Optionen schicken wir den Geist entweder freiwillig in den Himmel oder unfreiwillig in die Hölle. Wie wir uns jeweils entscheiden, hat zunächst wenig Einfluss auf das Spielgeschehen, wohl aber auf das Ende der Hauptstory.
Abseits der Spukermittlungen hat Banishers: Ghost of New Eden weniger mit The Witcher 3 gemein und mehr mit Spielen wie Tomb Raider oder God of War. Das liegt einerseits daran, dass Don't Nod auf eine einzige offene Spielwelt verzichtet und uns stattdessen mehrere halb-offene Gebiete und Ortschaften präsentiert, die mit schlauchartigen, linearen Wegen verbunden sind, aber auch daran, dass Red und Antea wie Lara Croft regelmäßig an auffällig markierten Felswänden emporklettern müssen. Auf ihrer Reise durch Höhlen, Schluchten, Wälder und Sümpfe können beide zudem über enge Felssimse balancieren, sich an Felsvorsprüngen hochziehen oder von selbigen herabseilen. Eine gesonderte Erwähnung verdient neben den eben genannten Gebieten noch die Leere, die in Grundzügen an die Welt zwischen den Welten in God of War erinnert und mit besonders herausfordernden Gegnern aufwartet.
Wie in Tomb Raider dienen Lagerfeuer als Rastplätze und Schnellreisepunkte. Dort können außerdem die Ausrüstung und verschiedene Fähigkeiten verbessert werden. Letzteres erfordert Punkte, die wir mit jedem Levelaufstieg erhalten. Zum Verbessern der Ausrüstung benötigen wir dagegen Rohstoffe, die wir in der Natur oder in diversen Kisten und Truhen finden.
Hin und wieder dürfen kleinere Rätsel gelöst werden, die etwa das Verschieben von Wägen, das Zerstören versteckter Türen oder das Durchtrennen von Seilen und Ketten erfordern. Antea beherrscht ein paar magische Tricks, mit denen sie Abgründe überwinden oder getarnte Gegenstände aus der Welt der Geister sichtbar machen kann. Red ist mit weniger übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet als Antea, trägt aber anders als seine Partnerin ein langes Schwert bei sich, mit dem er leichte und schwere Angriffe ausführen kann. Hinzu kommen eine Spezialattacke, Ausweich- und Blockmanöver, sowie die Möglichkeit sich mit einem Sud zu heilen. Nach ein paar Stunden erhält er zudem ein Jagdgewehr, das fortan als Distanzwaffe dient.
Während den häufig vorkommenden Kämpfen gegen sogenannte Schemen sind wir aufgrund der verschiedenen Skillsets der Banishers darauf angewiesen, immer wieder zwischen beiden Charakteren zu wechseln, um Reds brachiale Waffengewalt mit Anteas übernatürlichen Angriffen zu kombinieren. Das sorgt für Abwechslung, lässt so manchen Kampf allerdings etwas chaotisch daherkommen. Wenn mehrere Gegner gleichzeitig angreifen, einer mit einer Distanzwaffe, andere mit magischen Angriffen, die Stacheln aus dem Boden wachsen oder giftige Pfützen erscheinen lassen und wir zudem mit Red und Antea einen fliegenden Wechsel zelebrieren, leidet die Übersicht. Spaß machen die flotten Kämpfe aber trotzdem und mit fünf unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sollten auch unerfahrene Gamer zurechtkommen.
Grundsolide Technik
Technisch zeigt sich Banishers: Ghosts of New Eden grundsolide. Während unserem Testlauf blieben wir von Spielabstürzen oder derberen Bugs und Framerateeinbrüche komplett verschont. Die Spielewelt ist abwechslungsreich und sehr atmosphärisch gestaltet. Darüber hinaus punktet sie gelegentlich mit einigen schönen Details, es ist dem Spiel jedoch nur selten anzumerken, dass es nur für die aktuelle Konsolengeneration entwickelt wurde. Einige sich ständig wiederholende Hindernisse, wie Felsspalten, durch die sich die Banishers zwingen müssen, wirken wie Überreste einer vergangenen Zeit, als Ladevorgänge beim Wechseln von Gebieten noch mit solchen Tricks kaschiert werden mussten. Vielleicht war eine PS4- oder Xbox-One-Umsetzung tatsächlich einmal geplant.
Auch abseits des Leveldesigns bekommen wir eher gehobenes PS4-Niveau als Next-Gen-Technik, das soll aber keinesfalls heißen, dass Banishers: Ghosts of New Eden kein hübsches Spiel sei. Texturen, Partikel- und Wettereffekte können immer wieder überraschen und einige vorgerenderte Szenen wie etwa beim Verbannen eines Geistes oder beim Eintauchen in die Leere sind absolut erstklassig. Steinigere Gebiete, wie Höhlen oder Felsplateaus sehen sehr realistisch aus, dem gegenüber stehen jedoch Gewässer, Bäume und Gräser sowie die Inneneinrichtung bestimmter Gebäude, die etwas altbacken erscheinen. Ähnlich verhält es sich mit den meisten Charaktermodellen, die zwar detailliert ausgearbeitet wurden, aber vor allem während Dialogen etwas hölzern wirken. Beim Sprechen passt die dezente Mimik zudem nur bedingt zur Sprachausgabe - unabhängig davon, ob wir auf Englisch, Deutsch oder Französisch spielen.
Apropos Sprache: Wer mit deutschen Untertiteln spielen möchte, sollte sich auf einige seltsame Fehler gefasst machen, die vermuten lassen, dass die französischen Texte einfach durch ein Übersetzungsprogramm gejagt wurden.
Deutlich mehr Mühe haben sich die Entwickler bei der akustischen Gestaltung des Spiels gegeben, sowohl bei der musikalischen Untermalung als auch der Sprachausgabe. Vor allem die englische Sprachausgabe ist super. Der Schauspieler Russ Bain (Peaky Blinders, Snatch), der Red mac Reith spricht, überzeugt mit einem authentischen schottischen Akzent und einer störrischen Ruhe, die in bestimmten Momenten von emotionalen Ausbrüchen perfekt ergänzt wird. Seine Kollegin Amaka Okafor, die Antea spricht, steht dem in nichts nach. Die deutsche Sprachausgabe kann da leider nicht mithalten. Sie ist zwar nicht schlecht, aber wenig mehr als zweckmäßig.
Fazit:
Banishers: Ghosts of New Eden hat einige kleinere Schwächen: Das Pacing während der Anfangsstunden ist nicht optimal und es ist schade, dass wir während den Spukermittlungen praktisch an der Hand geführt werden. An manchen Stellen hätte auch die Semi-Open-World noch mehr Feinschliff vertragen können. Das sorgt dafür, dass das Spiel an einer Top-Wertung vorbeischlittert, unabhängig davon können wir jedoch mit gutem Gewissen eine Kaufempfehlung aussprechen. Banishers: Ghosts of New Eden nimmt Elemente aus Titeln wie The Witcher 3, Tomb Raider und God of War und vermengt sie gekonnt zu einem düsteren, storylastigen Fantasy-Abenteuer mit einigen interessanten Charakteren und einzigartigen Schauplätzen. Die Hauptstory steigert sich im Laufe der rund 25 Stunden Spielzeit (die sich durch eine Fülle an Sammelitems noch um etliche Stunden erweitern lässt). Sie zieht den Spieler immer mehr in ihren Bann, und es macht einfach Spaß, Red und Antea auf ihrer Reise durch New Eden zu begleiten.