Test

Resident Evil 4: Das Remake im Test

Von Jeremiah David am 03.08.2023

Anno 2005 revolutionierte Resident Evil 4 Capcoms altehrwürdige Horrorreihe und wurde von vielen Kritikern und Gamern zurecht als ein Meilenstein der Videospielgeschichte gefeiert. Während die ersten Teile der Serie einen klaren Fokus auf eine gruselige Atmosphäre und Rätsel setzten, war Resident Evil 4 mehr ein Actionspiel. Statt der starren Kameraperspektive früherer Teile, führte das Spiel eine über die Schulter blickende Kameraperspektive ein, die Spielern ein neues Gefühl von Präzision und Kontrolle vermitteln sollte. Die Kämpfe gegen die infizierten Dorfbewohner und andere furchteinflößenden Kreaturen waren dadurch spannender und fordernder, auch weil die Gegner erstmals in der Serie in größeren Gruppen auftraten und sich – zumindest für Resident-Evil-Verhältnisse – schnell bewegen konnten. Vorbei waren die Zeiten hüftsteifer Zombies, die wie Besoffene durchs Bild torkelten.

Seit Ende März ist ein Remake eben dieses Spiels erhältlich. Wird es dem Meisterwerk gerecht? Ist es eine gelungene Neuinterpretation, die den Charme des Originals bewahrt, gleichzeitig aber auch moderne Gaming-Elemente einbringt? Diese Fragen beantwortet unser Test.

Finde Baby Eagle

Die Handlung von Resident Evil 4 bleibt im Remake fast unverändert. Zwar gibt es einige Erweiterungen und zusätzliche Details, die wohl vor allem den Charakteren mehr Tiefe verleihen sollen, diese verbessern das Spiel allerdings nicht nennenswert, was mitunter auch an den stellenweise noch immer peinlich schlechten Dialogen liegt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Spieler, die mit der Trash-Story von Resident Evil 4 im Jahre 2005 nichts anfangen konnten, auch mit der nur wenig ernsteren Geschichte des Remakes nicht zufrieden sein werden. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Fans von charmanten B-Movie-Filmen und bewusst trashigen Storys wieder klar auf ihre Kosten kommen.

Wer Resident Evil 4 bis heute tatsächlich noch nie gespielt hat (obwohl das Spiel inzwischen auf einem dutzend Systemen erhältlich ist), der bekommt hier eine knappe Zusammenfassung der Handlung: Als Elitesoldat Leon S. Kennedy sind wir im spanischen Hinterland auf einer geheimen Mission unterwegs. Wir müssen Ashley Graham, a.k.a. "Baby Eagle", finden und zurück nach Amerika bringen. Ashley ist aber nicht irgendwer, sondern die entführte Tochter des US-Präsidenten, und so ist die Rettungsaktion natürlich nicht ganz einfach. Die holde Maid befindet sich in der Gewalt der Los Illuminados, einer Sekte, die die Menschen des Dorfs Pueblo, die Mönche eines nahegelegenen Schlosses und die Soldaten einer Militäranlage mittels des Las-Plagas-Parasiten kontrolliert. Anführer der Sekte ist Osmund Saddler, der grundsätzlich nur in einer langen Kutte herumläuft und ein Tentakel-Zepter schwingt. Sein Parasit verwandelt Menschen in Zombie-ähnliche, willenlose Kämpfer, die Leon und Ashley nach dem Leben trachten. Im Laufe der Story werden sowohl Ashley als auch Leon zu allem Überfluss mit dem Parasiten infiziert und beginnen zunächst Blut zu husten bevor die Symptome schlimmer werden. Der perfide Plan Saddlers: In Amerika sollen die beiden alle wichtigen Entscheidungsträger des Weißen Hauses infizieren, und ihm so die Weltherrschaft ermöglichen.

Sehe Baby Eagle

Während die Story größtenteils noch immer dieselbe ist, hat sich in Sachen Präsentation natürlich deutlich mehr getan. Anders formuliert: Resident Evil 4 wird optisch und akustisch modernsten Standards gerecht. Capcom setzt einmal mehr auf die RE-Engine, und dass die einiges auf dem Kasten hat, wissen wir schon seit Resident Evil 7.

Umgebungen und Charaktermodelle wurden komplett überarbeitet, neue Wetter- und Lichteffekte runden das Gesamtpaket ab. Manche Figuren wie Leon oder Saddler gleichen in ihrem jeweiligen Design ihren 2005er-Versionen, während andere Charaktere wie etwa Ashley oder der Biologe Luis Sera im Prinzip völlig ausgetauscht wurden. Die Präsidententocher hat beispielsweise ein ganz anderes Gesicht (dem Instagram-Model Ella Freya nachempfunden) und trägt neuerdings eine orangefarbige Jacke über ihrem ärmellosen Top, wodurch sie viel weniger kindlich wirkt. Auch ihre Synchronsprecherin klingt etwas reifer.

Die schön gestalteten Umgebungen erinnern oftmals an Resident Evil: Village, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass große Teile beider Spiele in einem abgelegenen Dorf und einem alten Schloss stattfinden. Im direkten Vergleich zieht hier das RE4-Remake jedoch eindeutig den Kürzeren. Das namensgebende Village aus Resident Evil 8 besticht einfach mit viel mehr Details, was eventuell damit zu begründen ist, dass Capcom dem armseligen und eher spärlich eingerichteten Dorf aus dem Original treu bleiben wollte, aber sicher auch damit zusammenhängt, dass die Ego-Perspektive von RE: Village den Spieler noch unmittelbarer in die Umgebung setzt und so einen höheren Detailgrad erfordert. Das altbackene Leveldesign lässt sich so dagegen nur teilweise erklären. Die unterschiedlichen Schauplätze des Spiels sind mit schlauchartigen Korridoren verbunden, von denen Leon kaum bis gar nicht abweichen darf. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Dass es auch anders geht, zeigt etwa das Gebiet rund um den See Lago. Hier öffnet sich die Map ein wenig und ladet zu Erkundungstouren via Motorboot ein. Unabhängig davon wissen die abwechslungsreichen Gebiete optisch und vor allem atmosphärisch aber definitiv zu gefallen.

In der von uns getesteten PlayStation-5-Version dürfen sich Spieler außerdem für einen von zwei visuellen Modi entscheiden: Der eine priorisiert die Auflösung, der andere eine hohe Framerate. Erfreulich: Beide laufen einwandfrei ohne Ruckeinlagen oder größere Bugs.

Beschütze Baby Eagle

Abseits der audiovisuellen Verbesserungen hat Capcom auch am Gameplay gefeilt. Die vielleicht größte Veränderung macht sich beim Kampfsystem bemerkbar: Im Original konnte Leon nicht gleichzeitig Laufen und Schießen. Das ist jetzt anders. Im Remake ballert er sich sehr viel agiler durch die Gegnerhorden und kann außerdem – gutes Timing vorausgesetzt – eine Vielzahl an Angriffen mit seinem Messer abwehren. Damit das Spiel in Anbetracht dessen nicht zu leicht wird, hat Capcom die Gegneranzahl ordentlich nach oben geschraubt und die Widersacher zugleich aggressiver gemacht. Auch gibt es jetzt mehr Sequenzen, in denen der Spieler mit gefühlt unendlichen Gegnerwellen zurechtkommen muss. Solche Stellen enden in der Regel nicht mit dem Besiegen aller Feinde, sondern mit dem Triggern eines besonderen Ereignisses, wie beispielsweise das Läuten der Kirchturmglocke am Anfang des Spiels oder dem Öffnen eines Tors. Als Konsequenz dessen ist das Remake noch actionlastiger als es das Original ohnehin schon war. Trotz der damaligen Gameplayänderungen hatte die 2005er-Version immer noch einiges mit ruhigeren Horrorspielen wie Silent Hill oder dem später erschienenen Dead Space gemein. Die 2023er-Version macht dagegen einen noch größeren Schritt Richtung rasantere Shooter wie Doom oder Call of Duty. Zwar ist Leon bei weitem kein Sprinter und braucht bisweilen Ewigkeiten zum Nachladen, aber durch das hohe Gegneraufkommen werden wir als Spieler praktisch dazu gezwungen, ständig in Bewegung zu bleiben. Hinzu kommt, dass Leon jetzt noch mehr auf Nahkampfattacken angewiesen ist. Waren Letztere im Original wenig mehr als ein cooler Bonus, ist ihr Einsatz in brenzligen Situation mit größeren Gegnerguppen jetzt fast unausweichlich. Kommt ein Gegner ins Taumeln, kann ein Roundhouse-Kick nicht nur den Taumelnden, sondern auch weitere Feinde auf Distanz halten. Das funktioniert meist, aber leider nicht immer gut, denn sämtliche Nahkampfattacken sind kontextsensitiv. Das heißt, sie können nur dann ausgeführt werden, wenn das Spiel dazu einlädt. Selbiges gilt auch für Ausweichmanöver.

Dem ein oder anderen modernen Gamer mag der noch größere Fokus auf Action gefallen, Fans des Originals könnte dieser Umstand dagegen sauer aufstoßen, auch weil Capcom keine gute Balance zwischen den drei Schwierigkeitsgraden gefunden hat. Der niedrigste Schwierigkeitsgrad ist so einfach, dass er praktisch gar keine Herausforderung bietet. Schon der Standard-Schwierigkeitsgrad multipliziert die Gegneranzahl jedoch um ein Vielfaches und ist zwar nicht unspielbar, aber so schwer, dass auch geübte Spieler regelmäßig das Zeitliche segnen dürften. Letzteres wird noch verstärkt durch Gegnertypen, die auf „sanftere“ Angriffe schlicht gar nicht reagieren und damit sind mitnichten nur Endbosse gemeint. So gibt es beispielsweise einen neuen Gegner, der mit einer Kuh-Maske ausgestattet ist und sich von Pistolen- oder TMP-Schüssen ins Gesicht oder Schrotflintentreffern in den Rumpf völlig desinteressiert zeigt. Das kann für dezenten Frust sorgen.

Frust kann auch unser kleiner „Igel“ hervorrufen, denn die Präsidententochter ist 2023 paradoxerweise merklich dümmer als noch 2005. Konnte Leon ihr im Original noch befehlen, irgendwo auf ihn zu warten, folgt Ashley ihm jetzt während bestimmten Kapiteln auf Schritt und Tritt. Als Spieler dürfen wir lediglich festlegen, ob sie ihm nah oder in einigem Abstand folgen soll. So oder so zeigt sich die Blondine als Gegnermagnet und muss ständig aus den Klauen eines boshaften Dorfbewohners, Möchtegern-Mönch oder mutierten Soldaten gerettet werden. Immerhin besitzt Ashley jetzt keinen eigenen Lebensbalken mehr. Wenn sie zu viel Schaden nimmt, bleibt sie einfach am Boden liegen, bis wir ihr wieder auf die Beine helfen – oder ihr ein Gegner den Todesstoß versetzt.

Famos abwechslungsreiches Action-Adventure

Den oben genannten Kritikpunkten zum Trotz macht das Remake von Resident Evil 4 aber zweifelsohne viel Spaß. Das liegt vor allem daran, dass es ein wirklich abwechslungsreiches Action-Adventure darstellt. Kein anderer Teil der Resident-Evil-Reihe bietet so viele unterschiedliche Gebiete und vor allem auch Endbosskämpfe. Einen Moment ballern wir uns durch ein heruntergekommenes Dorf, im nächsten schippern wir über einen See, bekämpfen einen riesigen Troll, erkunden Tropfsteinhöhlen, schießen mit mittelalterlichen Kanonen, fahren in bester Indiana-Jones-Manier in einer Lohre durch Minenschächte oder lösen kleinere Rätsel, um Türen und Truhen zu öffnen. Nicht alle Gebiete des Originals haben es in das Remake geschafft, aber die kultigsten Szenen und Charaktere sind nach wie vor da, und was gestrichen wurde, wurde häufig mit anderen Szenen ersetzt, sodass der Umfang mit rund 18 Stunden Spielzeit noch immer ordentlich ist. Das Remake bietet darüber hinaus, genau wie das Original, einen hohen Wiederspielwert. So gibt es einige Sammelaufgaben, für die uns der gewohnt zwielichtige Händler mit diversen Gegenständen belohnt. Außerdem gilt es eine Vielzahl an Waffen, Cheat-Modi, Modellfiguren, Konzeptzeichnungen und lustige Kostüme freizuschalten: Von einem Hühner-Hut für Leon bis hin zu einer Ritterrüstung für Ashley. Ganz neu sind zudem Anhänger, die wir an unterschiedlichen Schießständen für gute Ergebnisse bekommen und an unseren Waffenkoffer hängen können, um Leon passive Boni zu gewähren.

Lobenswert ist zudem, dass Capcom zwar nicht völlig auf Quicktime-Events verzichtet, diese aber viel seltener und gezielter einsetzt. Das Tetris-artige Inventar-Management wurde wohl bewusst beibehalten, es gibt aber eine praktische Auto-Sortierfunktion, die uns viel Zeit ersparen kann.

Fazit:

2005 war Resident Evil 4 ein Meisterwerk, das grafisch und spielerisch neue Maßstäbe setzen konnte. Das Spiel war so gut, dass es die Gaming-Industrie nachhaltig veränderte und viele spätere Titel beeinflusste. Das Remake wird das sicher nicht tun. Die seichte Story und die B-Movie-Charaktere sind bereits bekannt; Technik und Gameplay sind auf einem hohen Niveau, setzen aber keine neuen Maßstäbe – nicht zuletzt, weil das Remake auch noch für die Last-Gen-Konsolen erhältlich ist. Ungeachtet dessen können wir jedoch guten Gewissens festhalten: Capcom liefert hier wieder einmal ein exzellentes Remake ab. Leons spanisches Abenteuer macht obgleich der etwas kürzeren Spielzeit und dem noch größeren Fokus auf Action noch immer immens viel Spaß. Genau wie das Original ist die Horror-Hatz auf eine gute Art und Weise stressig und so abwechslungsreich wie eh und je. Sowohl RE4-Veteranen als auch Neulingen ist das Remake trotz kleinerer Schwächen sehr zu empfehlen.

Unsere Wertung:
8.5
Jeremiah David meint: "RE4 ist noch immer ein famoser Eintrag in die Serie, aber kann als Remake keine neuen Maßstäbe setzen."
Resident Evil 4: Remake von Capcom erscheint am 24.03.2023 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für PlayStation 5 getestet.
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2 Kommentare:
2null3)
2null3
Am 03.08.2023 um 20:47
Ich habe den vierten Teil auf der Wii geliebt. Vielleicht wird es Zeit für eine weitere Runde.
mega)
mega
Am 07.08.2023 um 16:02
Ich habe den vierer auf dem Gamecube quasi gesuchtet. 7 Mal hab ich das Spiel durchgespielt bis ich schließlich nicht mehr an den Titel herankam.
Das Anfangs gezeigte machte Lust auf das Remake, jedoch verflog diese schnell.
Mir geht das alles teilweise viel zu weit weg vom Original, besonders im Dorf wirkt der Levelaufbau bzw. die Schlauchgänge arg gekünstelt und wenig natürlich. Ebenso fehlen etliche Dinge und Szenen aus dem Original. Noch schlimmer ist das fehlen der eigentlichen QuickTime-Events, was besonders bei den Bosskämpfen schwer ins Gewicht fällt.. und das negativ. Waren diese im Original episch und überaus grandios inszeniert, fehlt davon in der Neuauflage leider jede Spur. Auch optisch sehen Leon und Ashley leider alles andere als passend aus, zumindest für mich. Auch so wirkt vieles nicht so "Aus einem Guss", wie es beim Original der Fall war... Es war alles irgendwie stimmiger.
Das Remake mag letztendlich gelungen sein, an den Meilenstein "Original" kommt es jedoch bei weitem nicht heran... Schade. Da war das Remake zum dritten Ableger deutlich gelungener und stimmiger.