Forspoken
Der Retter aus Gold
Eigentlich hat Frey Holland, die Protagonistin des Spiels, mit ihrem Leben abgeschlossen. Die Teenagerin dümpelt als Waisenkind durch die Großstadt von New York und hält sich mit kleinen kriminellen Aktivitäten über Wasser, während sie auch schon das eine oder andere Mal vor Gericht stand. Eine Behausung hat die junge Dame ebenfalls nicht und so möchte Frey ihrem Leben eigentlich schon ein Ende setzen, als sie einen schicksalhaften Gegenstand findet. Es handelt sich um „Reif“, einen goldenen Armreif, der Besitz von Freys rechtem Arm ergreift und fortan der Hauptdarstellerin nicht mehr von der Seite weichen möchte. Dazu kommt noch, dass der goldene Schmuck sehr gesprächig daherkommt und die arme Frey im ersten Moment pausenlos „voll quasselt“. Als wäre das nicht schon seltsam genug, entsteht bei der Verbindung des ungewöhnlichen Paars ein Dimensionstor, das die zwei Helden in eine neue Welt zieht, ehe es sich wieder schließt. Das Schlamassel scheint perfekt, obwohl sich Frey immer einen Ausweg aus ihrem alten Leben gewünscht hat. Aber so? Auf der anderen Seite des Dimensionstors befindet sich das Königreich Athia. Das erste Ziel ist die Stadt Cipal, in der Frey alles andere als freundlich empfangen wird, und sich kurze Zeit später erst einmal in Gefangenschaft befindet. Nach dieser Einführung ist das Gameplay ein wenig erklärt worden, die Geschichte etwas näher gebracht und ihr bekommt einen kleinen Vorgeschmack auf das, was euch die nächsten gut 20 Stunden bis zum Abspann erwartet.
Die Story ist eigentlich gar nicht schlecht, jedoch stören ein paar grundsätzliche Elemente. Warum Square Enix unbedingt eine klischeehafte Einführung mit einer afroamerikanischen, kriminellen Jugendlichen, die darüber hinaus einen überragenden Job macht, für den Plot verwendet, erschließt sich nicht ganz. Es hätte auch alles andere funktioniert, da die erste Stunde niemanden interessiert. Hätte man einen Charakter-Editor eingebaut und das Spiel in Athia mit der Verbindung des Reifs gestartet, wäre alles im Lot gewesen. So kommen halt immer wieder derbe Sprüche und Anspielungen auf das harte Leben von Freys Vergangenheit zum Vorschein, die dem Spiel nicht unbedingt gut tun. Der Rest der Story (und das ist der große Teil) ist ordentlich erzählt. Und hier kommen auch interessante Charaktere mit ins Boot, die perfekt in die Spielwelt passen. Gerade die Begegnungen mit den Tantas, den Herrscherinnen der Welt und gleichzeitig auch Bossgegnern, zählen zu den Storyhighlights.
Sonic trifft Final Fantasy
Das Gameplay beginnt ganz gemächlich – vielleicht etwas zu gemächlich. Das liegt vor allem daran, dass der Spieler mit Tutorials zugeschüttet wird. Bei jedem neuen Gameplay-Element wird eine kurze Sequenz eingeblendet und erklärt, was zu tun ist oder wie genau was funktioniert. Dadurch gestalten sich die ersten beiden Stunden sehr zäh. Dazu gesellt sich die Quasselstrippe „Reif“, der zu allem etwas zu erzählen hat. Das mag für den einen oder anderen ganz interessant sein und hin und wieder kommen wichtige Informationen ans Licht. Die meiste Zeit nervt der goldene Armschmuck und ihr werdet die Momente genießen, in denen er seine „Klappe“ hält. Das Problem von Athia ist der sogenannte „Bruch“, eine Art Seuche, welche die Menschen zu Monstern verwandelt und das Königreich in eine Art Verderbnis stürzt. Jeder, der mit dem Bruch in Berührung kommt, verfällt der Seuche – außer Frey, was sie zur Retterin macht. Warum das so ist, wird euch die Geschichte erklären. Fakt ist, dass die vier Herrscherinnen, die Tantas, die die Welt in Besitz genommen haben, für die Ausbreitung des Bruchs verantwortlich sind. Wir müssen als Frey diese Ausbreitung natürlich stoppen. Dank des Armschmucks hat die Protagonistin ein paar Asse im Ärmel, wie zum Beispiel die Fähigkeit, blitzschnell durch die Landschaft zu flitzen oder einem Parcours gleich durch verwinkelte Städte und Gassen zu sausen, wie es ein berühmter blauer Igel schon seit jeher tut. Diese Mechanik ist vor allem dann wichtig, wenn hohe Mauern überwunden werden möchten oder weite Entfernungen zurück gelegt werden. Grundsätzlich funktioniert das Spielelement sehr flüssig. Hier und da stimmt allerdings die Kollisionsabfrage nicht ganz und der geschmeidige Move findet sein jähes Ende.
Tolles Kampfsystem
Die Möglichkeit, Feinde jeglicher Art aus dem Weg zu räumen, ergibt sich aus Zaubern. Dabei wird zwischen zwei Arten von Zaubern unterschieden. Es gibt einen Angriffszauber, der sich in drei Arten gliedert. Hier ist ein Schildzauber, der den Feind wegstößt, ein Schnellzauber, der an ein Maschinengewehr erinnert und einen etwas mächtigeren Steinzauber, der zwar etwas länger benötigt, dafür aber mehr Durchschlagskraft bietet. Die anderen Zauber dienen der Unterstützung. Hier können zum Beispiel Ranken aus dem Boden gezaubert werden, welche die Gegner fesseln oder Schutzschilde, welche die eigene Trefferresistenz erhöhen. Die Zauber werden durch ein Kreis-Menü flott durchgetauscht und generell funktioniert das Kampfsystem einwandfrei. Jeder Gegner hat andere Schwachstellen und so gilt es bei großen Feinden, diese erst einmal zu entlarven. Durch geschicktes und rechtzeitiges Ausweichen, darf dann ein Konter gesetzt werden und im richtigen Moment wirkt der richtige Angriff wahre Wunder. Deshalb ist es wichtig, die Gegner teilweise zu studieren und nicht kopflos in jeden Kampf hinein zu stürmen. Heiltränke helfen, wenn es mal brenzlich wird, generell ist der Schwierigkeitsgrad ausgewogen und je nach eingestellter Stufe stellt das Spiel eine moderate Herausforderung dar.
Damit Forspoken nicht zu schnell die spielerische Puste ausgeht, darf abseits der großen Spielwelt und der Story allerhand erkundet werden. Hier und da sind kleinere Gebäude, in denen es Gegenstände zu finden gibt. Außerdem laden kleinere Dungeons dazu ein, die Kampffähigkeiten auf die Probe zu stellen. Und Frey möchte natürlich stärker werden, weshalb eine große Auswahl an Sammelobjekte dazu genutzt werden dürfen, Gegenstände zu verbessern oder herzustellen. Leider wirkt die Spielwelt relativ kalt. Es mag ein Feature sein, dass kaum etwas los ist, jedoch wünscht man sich abseits des Ödlands doch ein bisschen mehr Trubel auf der Spielfläche. Neben Ruinen und ein paar Gebäuden fehlen einfach belebte Städte oder ein paar Dörfer. Dadurch saust ihr durch die Landschaft, ohne euch richtig umzusehen, da ihr kaum Sorge tragen müsst, etwas zu verpassen. Was leider irgendwann im Spiel auffällt: Die Nebenaufgaben wirken alle gleich. So wird man das Gefühl nicht los, dass die Entwickler gegen Ende des Spiels einfach keine Lust mehr gehabt haben, neue Ideen ins Spiel zu integrieren.
Ordentliche Performance
Technisch gesehen kann sich Forspoken sehen lassen. Die Hochgeschwindigkeitsraserei von Frey, welche eigentlich ein Stolperstein in Sachen Performance hätte werden können, funktioniert einwandfrei und das Spiel ruckelt nicht. Dazu sieht die Spielwelt einfach nur wunderschön aus. Die Partikeleffekte im Kampf, das Wasser, die Natur – alles wirkt richtig sauber. Die Zwischensequenzen lassen das Spiel kaum noch von einem Film unterscheiden. Schade, dass die Figuren manchmal etwas merkwürdig synchronisiert wurden. Die Lippenbewegungen passen manchmal überhaupt nicht und es sieht einfach nur komisch aus, wenn die Darsteller sprechen. Apropos Darsteller: Ella Balinska glänzt einfach nur und hat als Frey einen fantastischen Job gemacht. Die Musik ist im Übrigen ebenfalls bestens gelungen und fängt die Stimmung gekonnt ein. Schade, dass sich die gelungenen Stücke oft wiederholen, da hätte das eine oder andere zusätzliche Musikstück sicher gut getan. Was wirklich etwas nervig ist, ist die teilweise übertriebene Wortwahl. Und hier sind wir wieder beim Plot, der einfach nur unnötig ist und das Spiel etwas runter zieht. Dass man die glänzende Protagonistin als armes kriminelles Ghetto-Mädchen radikalisieren muss, ist einfach nur traurig und zieht sich leider dahingehend das gesamte Spiel durch. Niemand braucht einen fluchenden Teenager, wenn er gerade einen Drachen bekämpft. Es funktioniert auch ohne und ihr werdet vor dem Bildschirm, je nach Schwierigkeitsgrad, genug fluchen, bis ihr das Spiel durchgespielt habt.
Fazit:
Forspoken lässt leider viel liegen. Und damit beginnt das Fazit schon relativ negativ, obwohl das Spiel eigentlich ziemlich gut geworden ist. Die Spielwelt ist geheimnisvoll, die Story im großen und ganzen recht unterhaltsam und das Kampfsystem macht richtig Laune. Die Spielmechanik mit der Frey durch die Spielwelt saust und dann im vollen Tempo einen Gegner nach dem anderen erlegt, sieht nicht nur wunderschön aus, sondern macht auch noch richtig viel Spaß. Aber die Entwickler haben einige Entscheidungen getroffen, die das Spielerlebnis etwas schmälern. Die grandiose Protagonistin muss unbedingt ein klischeehaftes Ghetto-Mädchen sein. Der Einstieg ist einfach nur lahm. Die Kollisionsabfrage in vollem Tempo funktioniert, geht aber auch mal in die Hose. Und die Spielwelt sieht zwar wunderschön aus, wirkt aber leer und gerade gegen Ende schleichen sich unnötige Wiederholungen ein. Deshalb ist Square Enix leider nicht der ganz große Wurf gelungen und Forspoken ist ein gutes aber sicher kein überragendes Spiel.