Test

Kamiwaza: Way of the Thief

Von Robert Emrich am 11.02.2023

Vor knapp 17 Jahren veröffentlichte das Spielstudio Acquire, von dem auch die Tenchu-Reihe stammt und das jüngst an der Entwicklung der “Octopath Traveler”-Spiele beteiligt war, das Spiel Kamiwaza, dessen Titel man ungefähr mit “göttliche Taten (oder Techniken)” übersetzen kann. Damals allerdings nur auf der Playstation 2 und exklusiv für den japanischen Markt, sodass Fans in der westlichen Welt nur über Umwege die Möglichkeit hatten, die Abenteuer des Diebes Ebizo zu erleben. Vor Kurzem wurde der Titel aber in Form eines Remasters erneut veröffentlicht und fand seinen Weg dabei auch auf die Nintendo Switch. Wie es sich auf der Hybrid-Konsole spielt und ob der Trip in die Vergangenheit sich lohnt, haben wir für euch getestet.

Robin Hood in Japan

Unsere Geschichte spielt im Japan des 19. Jahrhunderts. Während das zu der Zeit herrschende Tokugawa-Shogunat sich darum bemühte, die imperialistischen Industrienationen des fernen Westens aus dem Land zu halten, führten Ausfälle der Ernte zu einer weitläufigen Hungersnot. Den einfachen Bürgern ging es immer schlechter, korrupte Mitglieder der Regierung wurden durch ihre Machenschaften immer reicher und Revolten und Unruhen waren in allen Regionen an der Tagesordnung. Diebesbanden, die von den Reichen stahlen, um den Armen zu helfen, wurden beim Volk immer beliebter und auch der Clan der Silber-Raben, dessen jungen Schüler Ebizo ihr im Verlauf des Spiels spielt, genoß den Ruf einer noblen Diebesbande, die für das Volk stahl aber nie ein Opfer verletzte. Auch Ebizo möchte eines Tages als Dieb erfolgreich sein und legt großen Wert darauf, keinem seiner Opfer ein Haar zu krümmen. Doch sein Grundsatz wird bereits im Verlauf des Tutorials einer harten Probe unterzogen, als die anderen Silber-Raben sich plötzlich dazu entschließen, die Einwohner eines Palastes doch zu massakrieren, was Ebizo dazu zwingt, mit der einzigen Überlebenden, einem Mädchen im Kleinkindalter, die Flucht anzutreten.

Erschüttert von den Begebenheiten im Palast schwört Ebizo dem Diebesleben ab und verbringt die nächsten zehn Jahre mit ehrlicher Arbeit als Handwerker und Zimmermann, während er das kleine Mädchen mit dem Namen Suzuna aufzieht. Aber wie nicht anders zu erwarten, zwingen unglückliche Umstände Ebizo zur Rückkehr in sein altes Leben und so nimmt seine Geschichte und damit euer Abenteuer seinen Lauf.

Die Handlung basiert vermutlich lose auf der Geschichte des Diebes Nezumi Kozō, der im Edo (heute Tokio) des 19. Jahrhunderts in über 100 Gebäude einbrach, ehe er verhaftet und hingerichtet wurde, und kann trotz einiger Ungereimtheiten mit ihren Charakteren und Dialogen überzeugen. Das Spiel bietet außerdem vier Enden, die, je nach euren diebischen Leistungen, mehr oder weniger düster sind, sodass interessierte Spieler den Titel mehr als einmal durchspielen können, bis sie alles erlebt haben.

Schleichen, Klauen oder per Salto beides auf einmal erledigen

Spielerisch kann man Kamiwaza eigentlich recht einfach zusammenfassen: Ihr schleicht und springt durch eure Heimatstadt und klaut so schnell und heimlich wie möglich alles was nicht niet- und nagelfest ist. Dass es damit aber nicht getan ist, ist beinahe selbstredend und so gibt es bei der ganzen Geschichte einige Umstände, die euch und Ebizo das Leben schwer machen:

Zuerst einmal wären da Ebizos persönliche Umstände (wir wollen nicht zuviel verraten), die ihn überhaupt erst wieder zum Dieb werden lassen und die es nötig machen, möglichst jeden Tag 3000 Ryo (die damalige Währung) zu verdienen, um mit dem Geld Medikamente zu kaufen. Eine stolze Summe für ein wenig Medizin, die besonders in den ersten Tagen, wenn ihr euch mit dem Diebstahl noch schwer tut, kaum zu beschaffen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass auch eure Mitbürger und die Leitung des örtlichen Syndikats die Hände offen halten und auch Händler im Tausch für ihre Ausrüstung Bargeld fordern. Wer es schafft, all diesen Forderungen gerecht zu werden, kann sich auf eine entspannte Karriere als Langfinger freuen, doch die Chancen dafür stehen besonders in den ersten Stunden nicht allzu gut. Stattdessen werden Dorfbewohner bei eurem Anblick wohl panisch Alarm schlagen und Wachen die Schwerter zücken, während euch chronisch das Geld für wichtige Einkäufe fehlt. Damit ihr ungesehen durch die Straßen und zu eurer Beute kommt, habt ihr zwei Möglichkeiten, die ihr einsetzen müsst: Zum einen wäre da das reguläre Schleichen, das man aus Stealth-Spielen bereits kennt und bei dem ihr leise und ungesehen an NPCs vorbeikommen könnt, sofern deren Laufwege dies zulassen. Die zweite und deutlich interessantere Möglichkeit ist Ebizos Fähigkeit, sich in dem sehr kurzen Zeitraum, ehe ein NPC ihn erkennt, mit einem Spezialmove zu verstecken. Der Zeitraum zum Drücken der benötigten Schultertaste ist zwar vergleichsweise kurz, dafür hechtet ihr aber auf diesem Weg nicht nur aus dem Sichtfeld von Wachen und Bürgern, sondern könnt auch blitzschnelle Diebstähle durchführen, die mehr Geld wert sind. Es ist also des Öfteren euch überlassen, ob ihr langsam und gefahrlos Dinge stehlen wollt, oder ob ihr schnell und mit Risiko unterwegs sein möchtet. Erfolgreiche Diebstähle und abgeschlossene Missionen steigern Ebizos Charakterlevel und machen ihn auf diesem Weg zu einem immer besseren Langfinger, wodurch die Chancen, genug Geld zu ergaunern, ebenfalls immer besser werden. Zusätzliche Ausrüstung verbessert eure Werte und in den rund 15 Stunden, die zum Durchspielen benötigt werden, mausert ihr euch zum Meisterdieb, während auch die Handlung ihren unvermeidlichen Lauf nimmt.

Technisch und spielerisch nur teilweise überzeugend

Trotz oder vielleicht auch dank seiner ungewöhnlichen Schleich- und Diebstahl-Mechaniken, macht Kamiwazas Spielbalance anfangs nicht unbedingt den besten Eindruck. Nicht alle Mechaniken werden im Tutorial komplett erklärt und die Masse der Fraktionen, die man gleichzeitig bei Laune halten muss, kann gerade Neulinge überfordern. Mit der Zeit entwickelt der Titel aber eine gewisse Sogwirkung. Wenn die Missionen immer bessere Chancen auf Erfolg haben und ihr euch an die Eigenheiten der Charaktere und der Steuerung gewöhnt habt, gewinnt das Spiel an Schwung und kann für eine Weile gut unterhalten. Doch schon ein paar Stunden später stellen sich wieder erste Ermüdungserscheinungen ein, die den sich wiederholenden Missionen, den wenigen und auch ziemlich kleinen Gebieten und dem, mit steigenden Fähigkeiten immer weiter sinkenden Schwierigkeitsgrad geschuldet sind. Dank der mäßigen K.I., die schon vor 16 Jahren vergleichsweise schwach war und heute kaum noch als “intelligent” bezeichnet werden kann, rutscht das Backtracking irgendwann komplett ins Triviale ab. Und auch sonst macht Kamiwaza technisch keine allzu gute Figur. Um ein wenig Kontext zu schaffen: In dem Jahr, in dem der Titel zuerst auf der Playstation 2 veröffentlicht wurde, erschienen auch “The Legend of Zelda: Twilight Princess”, “Okami” und “GTA: Vice City”, die in den letzten Jahren allesamt noch einmal (mehr oder weniger erfolgreich aufgehübscht) veröffentlicht wurden. Kamiwaza, das sich auch 2006 schon nicht mit den drei genannten Titeln hätte messen können, sieht als Remaster auf der Switch aus, als hätte man nur die Steuerung angepasst und dem Titel schnell ein paar englische Untertitel gegönnt (wer nicht englisch lesen oder japanisch verstehen kann, hat leider Pech gehabt), um ihn dann auf den Markt zu werfen. Es ist unbestritten, dass die Switch technisch keine Maßstäbe setzt. Ein wenig mehr als Playstation2-Niveau sollte aber schon möglich sein. 

Fazit:

Kamiwaza ist ein Spiel voller Widersprüche: Als Stealth-Spiel bezeichnet, spielt es sich am besten, wenn man nicht schleicht. Ebizo ist als Dieb und gesellschaftlicher Außenseiter mehr um das Wohl eurer Heimat kümmern müsst, als seine übrigen Einwohner. Für die erneute Veröffentlichung wurde zudem nicht mehr als das bloße Minimum überarbeitet. So könnte man das Spiel getrost als schwachen Versuch, ein wenig schnelle Kohle zu machen, zu den Akten legen und vergessen, gäbe es da nicht doch immer wieder Momente, in denen man sich dabei erwischt, dass man an dem Titel wider Erwarten Spaß hat. Das vergleichsweise originelle Spielprinzip und seine damit verbundenen Mechaniken können (nach einer längeren Eingewöhnung) tatsächlich unterhalten. Und auch wenn dieser Umstand Kamiwaza nicht wirklich rettet, wird der Titel doch mit ziemlicher Sicherheit seine Nische finden, in der Freunde des Genres oder des Originals ihn zumindest für ein paar Stunden genießen können. Wer sich zu einer dieser Personengruppen zählt, findet Kamiwaza in Nintendos E-Shop. Für alle anderen Schleichspiel-Fans gibt es aber überzeugendere Alternativen.

Unsere Wertung:
5.0
Robert Emrich meint: "Für Fans vielleicht interessant. Davon abgesehen aber oft nicht überzeugend."
Kamiwaza: Way of the Thief von Acquire Corp. erscheint am 11.10.2022 für PC und PlayStation 4 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von NIS America zur Verfügung gestellt.
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