Dead Space
Es ist das Jahr 2008 und das Horror-Genre steckt in einem Tief fest. Alone in the Dark wird von Kritikern zerrissen, Silent Hill Homecoming kann weder qualitativ noch finanziell mit früheren Ablegern der Serie mithalten, und Resident Evil wendet sich nach Teil 4 zunehmend vom klassischen Survival-Horror ab und setzt stattdessen mehr auf Action, um auf den Erfolgszug von Shootern wie Call of Duty aufzuspringen. Doch es gibt einen Lichtschimmer am düsteren Horror-Horizont. Ausgerechnet von Electronic Arts kommt ein Spiel, das so nervenaufreibend ist, dass es binnen kürzester Zeit als moderner Klassiker gehandelt wird: Dead Space.
Nicht ganz fünfzehn Jahre später spendiert uns EA Motive Studios nun ein Remake eben diesen Klassikers und wir haben es selbstredend für euch getestet.
Willkommen auf der USG Ishimura
Die Story von Dead Space kann relativ schnell zusammengefasst werden: Isaac Clarke ist im Jahre 2508 Teil einer fünf-köpfigen Crew, die mit einem kleinen Raumschiff, der USG Kellion, zur USG Ishimura fliegt, um dort Reparaturen durchzuführen. Die Ishimura ist das Flaggschiff der Concordence Extraction Corporation, auch bekannt als C.E.C., und damit ein gigantisches Planetenabbau-Schiff, das seit 62 Jahren im Dienst ist.
Als Clarke und sein Team ankommen, wartet allerdings kein (menschliches) Empfangskomitee auf sie. Stattdessen herrscht wortwörtlich Funkstille. Zu allem Überfluss funktioniert auch die Andock-Mechanik der Ishimura nicht, was zur Folge hat, dass die Kellion in einen Hangar des größeren Schiffs kracht. Von dort macht sich das Team auf, um herauszufinden, was auf der Ishimura passiert ist. Schnell finden sie heraus, dass sich deren Besatzung in widerliche, blutrünstige Monster - sogenannte Necromorphs - verwandelt hat, die am besten zu bekämpfen sind, indem man ihnen ihre Gliedmaßen einzeln abtrennt.
In der Rolle von Clarke geht es fortan darum, zusammen mit den Kollegen Zach Hammond und Kendra Daniels irgendwie einen Weg von der Ishimura zu finden, außerdem will er seine Freundin Nicole aufsuchen, die in der Krankenstation des Schiffs arbeitete.
Die eben beschriebene Story ist im Prinzip dieselbe wie im Original, allerdings hat EA Motive Studios für das Remake einige kleinere Veränderungen vorgenommen, um Veteranen der Serie etwas Neues zu bieten. Diese Veränderungen verbessern die Story nicht wirklich, erweitern sie jedoch und sorgen dafür, dass Dead Space gleichermaßen bekannt und doch irgendwie frisch wirkt. Da wären beispielsweise die beiden Piloten der Kellion, die im Originalspiel von 2008 in der Lounge der Ishimura von Necromorphs getötet werden. Im Remake wird die Pilotin Johnston beim Crash im Hangar verletzt und bleibt zunächst allein in der Kellion zurück. Andere Änderungen an der Story zeigen sich in der Form umgeschriebener Dialoge, an denen sich Isaac nun regelmäßig beteiligt, weil er im Remake nicht mehr nur stumm zuhören, sondern tatsächlich auch sprechen kann. Manche Video-Logs wurden mit Hologrammen ersetzt, ein paar gescriptete Momente laufen anders ab. Neu sind auch einige optionale Side-Quests, die uns Informationen liefern, mit denen wir besser nachvollziehen können, was vor unserer Ankunft auf der Ishimura passiert ist. Außerdem dürfen wir uns über ein alternatives Ende freuen, das erst nach dem zweiten Durchgang freigeschaltet werden kann.
Cut off their limbs!
Was für die Story gilt, gilt auch für das Gameplay: Das Remake bietet uns viel Altbekanntes mit kleinen, aber sinnvollen Erweiterungen. Isaac stapft in seiner speziellen Rüstung und seinen magnetischen Stiefeln schwerfällig wie eh und je durch die Korridore und Räume der USG Ishimura. Das ergibt Sinn, schließlich ist er ein Techniker, kein Actionheld. Als Waffen setzt er auf dieselben Minenwerkzeuge wie im Original, also Plasmacutter, Ripper, Flammenwerfer und eine kleine Anzahl ähnlicher Gerätschaften, die, genau wie sein Anzug, allesamt über Werkbänke verbessert werden können.
Zusätzlich kann Isaac Melee-Attacken durchführen, die sich besonders eignen, um Container zu zerschlagen oder um Gegner, die bereits am Boden liegen, mit seinen schweren Stiefeln zu Brei zu verarbeiten. Bei besonders flinken Gegnern kann er eine Stase-Attacke einsetzten, die Feinde vorübergehend in Zeitlupe agieren lässt. Als Alternative zu den Waffen dient auch stets eine Kinese-Funktion, mit der Isaac diverse Gegenstände auf oder in Gegner schleudern kann. Besagte Gegner sind ebenfalls alle schon aus dem Original bekannt. Standard-Gegner sind aufrecht gehende Zombies mit spinnenartigen Beinen. Dazu gesellen sich unter anderem widerliche Babys mit Tentakeln, am Boden kriechende Wesen, die ein wenig an riesige Skorpione erinnern oder fliegende Monster, die Leichen in Necromorphs verwandeln können. Auch Bosskämpfe gibt es.
Als wären die Bestien nicht schon ekelig genug, haben die Entwickler im Remake das sogenannte Dismemberment-System überarbeitet. Konkret heißt das, dass wir den Necromorphs nicht nur mehr Arme und Beine abtrennen, sondern ganze Fleischfetzen aus den untoten Körpern reißen können. Dementsprechend müssen wir an dieser Stelle ganz klar eine Brutalitätswarnung aussprechen. Dead Space ist nichts für Zartbesaitete.
Spannung pur
Selbst ohne den hohen Grad an Gewalt wäre Dead Space nichts für schwache Nerven. Gegner können zu jedem Zeitpunkt und aus jeder Richtung auftauchen, indem sie durch Wände und Fenster brechen, aus der Decke stürzen oder vermeintlich toten Arbeitern wieder dämonisches Leben einhauchen. Dadurch können wir uns in Isaacs Schuhen nur selten wirklich sicher fühlen. Dead Space schafft es wie kein anderes Spiel eine ungeheure Spannung aufzubauen. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass es kein klassisches HUD gibt. Isaacs Lebensenergie wird stattdessen an seinem Anzug angezeigt. Selbiges gilt auch für die Stase-Energie. Verbliebene Munition wird als Zahl direkt über der jeweiligen Waffe eingeblendet. Auf Knopfdruck kann außerdem eine blau leuchtende Linie aufgerufen werden, die Isaac zuverlässig an sein nächstes Missionsziel führt. Zwar kann ein separates Menü für Isaacs Inventar, die Map oder diverse Missionszusammenfassungen aufgerufen werden, das Spiel pausiert dabei jedoch nicht.
Abseits des Kampfsystems und der Story hat EA Motive Studios Änderungen vorgenommen, die das Leveldesign und Ausflüge in der Schwerelosigkeit betreffen. Wenn Isaac die USG Ishimura verlässt oder Räume aufsucht, in der die künstliche Schwerkraft des Schiffs nicht mehr funktioniert, kann er sich jetzt frei im dreidimensionalen Raum bewegen, statt wie im Original zwischen fixen Punkten hin und her zu springen.
Die Level – das heißt die unterschiedlichen Sektoren der USG Ishimura, die mit einer Magnetbahn verbunden sind – wurden zudem um einige zusätzliche Räume erweitert. Das ist klasse, denn der eigentliche Star des Spiels sind weder Clarke noch die Necromorphs, sondern das riesige Raumschiff. Die USG Ishimura als düsteres Sci-Fi-Bauwerk aus sprödem Glas, schmutzigem Kunststoff und rostigem Stahl ist fast so etwas wie ein eigener Charakter. Bildschirme und Lampen flackern, Maschinen hämmern und dröhnen, Rohre zischen, Wände und Boden beben. Neben der bereits genannten Krankenstation und den Maschinenhallen gibt es Räume, die klarmachen, dass Menschen auf der Ishimura nicht nur arbeiteten, sondern auch lebten, zum Beispiel eine Mensa oder Schlaf- und Aufenthaltszimmer.
Um einige der neuen Räume betreten oder auch abgesperrte Container öffnen zu können, benötigt Isaac bestimmte Freigabestufen, die er im Laufe des Spiels bekommt. Dadurch wird das Dead Space Remake zu einer Art Metroidvania-Lite, bei dem es sich lohnt bereits besuchte Gebiete noch einmal aufzusuchen, um mit neuer Freigabestufe Räume zu öffnen, die Munition, Geld oder Upgrades bereithalten können. Auch im Original gab es allerdings schon einiges an Back-Tacking.
Etwas nervig sind dagegen Passagen mit Sicherungskästen, die Isaac neuerdings so manipulieren muss, dass Strom von einem Bereich eines Raums in einen anderen umgeleitet wird. In der Praxis heißt das, dass wir regelmäßig die Lichter einer Halle ausschalten müssen, um stattdessen einen Aufzug benutzen oder Türen öffnen zu können. Die einzige Lichtquelle ist dann Isaacs Taschenlampe, deren Lichtkegel nur in unmittelbarer Nähe eine wirkliche Hilfe ist. Das soll wohl für noch mehr Spannung sorgen, bewirkt aber letztlich nur, dass wir vorübergehend mehr oder minder orientierungslos durch die Dunkelheit tappen.
Ein gelungenes Remake mit kleinen Makeln
Auch außerhalb dieser Passagen gilt: Das Remake ist um einiges dunkler als das Original. Räume waren früher gleichmäßiger ausgeleuchtet. Licht prallt eigentlich von Wänden ab und verteilt sich dadurch im Raum, im Dead Space Remake dagegen scheinen manche Lichtquellen wie von unsichtbaren Wänden aufgehalten zu werden. Die überarbeiteten Lichteffekte sind sehr atmosphärisch und sehen zugegebenermaßen cool aus, kosten aber einiges an Übersichtlichkeit. Gegner sind schlechter sichtbar. Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau. Allgemein muss man sagen, dass EA Motive Studios sich mächtig ins Zeug gelegt hat, um Dead Space auf das grafische Niveau moderner AAA-Spiele zu hieven.
Die von uns getestete PlayStation 5-Fassung bietet einen Qualitätsmodus bei 30 FPS mit 4K-Auflösung und Ray-Tracing oder einen Performance-Modus, der 60 FPS bei einer reduzierten Auflösung priorisiert und ohne Ray-Tracing auskommen muss. Egal für welchen Modus ihr euch entscheidet, Texturen sind von sehr hoher Qualität. Staub-, Partikel- und Nebeleffekte sehen ebenso hervorragend aus. Auch Flammen und Explosionen sind ein Augenschmaus und lassen uns über ein an manchen Stellen minimales Kantenflimmern leicht hinwegsehen. Einzig die Charaktere könnten noch aus einem Last-Gen-Titel stammen und sehen beispielsweise im inoffiziellen Nachfolger "The Callisto Protocol" deutlich lebensechter aus, das fällt aber kaum ins Gewicht, denn Isaac ist die meiste Zeit solo unterwegs.
Die Akustik war schon im Original fantastisch und ist es natürlich auch im Remake, wobei die deutsche Sprachausgabe der englischen leider ein klein wenig unterlegen ist. Schade ist zudem, dass wir während unserem Test ein paar Mal Speicherstände neu laden mussten, weil uns Bugs am Weiterspielen hinderten. So öffnete sich einmal beispielsweise die Luke zur Tram nicht. An einer anderen Stelle ließ sich ein Schalter nicht betätigen, und wieder anderswo stürzte das Spiel einfach ab und zeigte uns eine PS5-Fehlermeldung.
Fazit
Die Entwickler sind dem Original-Spiel treu geblieben, haben aber kleinere Änderungen am Gameplay vorgenommen und für Dead Space-Veteranen die ein oder andere neue Szene eingefügt. Letzteren ist Dead Space, ähnlich wie bei dem Remake von The Last of Us, trotzdem nur bedingt zu empfehlen, denn auch die Version von 2008 lässt sich noch immer sehr gut spielen und die Änderungen sind mitnichten so tiefgreifend, dass ein Neukauf zu einem Muss wird. Das Ganze wird nicht umsonst als Remake vermarktet, nicht als Reboot. Unabhängig davon haben wir hier aber ein fantastisches, nervenaufreibendes Horrorspiel vorliegen, und wer Dead Space noch gar nie spielen durfte und auch nur ansatzweise etwas mit dem Genre anfangen kann, sollte der USG Ishimura definitiv einen Besuch abstatten.