Phoenix Wright Ace Attorney: Spirit of Justice
Im mittlerweile sechsten Hauptteil der Phoenix-Wright-Serie verschlägt es Phoenix, Apollo, Trucy und Athena in das mythische Himalaya-Königreich Khura'in. Wir sind mitgereist.
Während sich die Serie um den stachelköpfigen Rechtsanwalt vor allem in Japan größerer Beliebtheit erfreut, ist das extrem textlastige Ace-Attorney-Franchise im Westen eher weniger populär. Damit ist wohl auch zu erklären, warum Capcom in Europa auf einen Retail-Release und eine mehrsprachige Übersetzung für Spirit of Justice verzichtet hat. Wer das neue Abenteuer der Mitarbeiter der Wright-Anything-Agentur begleiten will, muss mit einer englischen Download-Version Vorlieb nehmen, die immerhin zu einem etwas ermäßigten Preis verkauft wird.
Ur Dihara Khura'in!
Das Spiel beginnt mit der Ankunft von Phoenix Wright im Königreich Khura'in. Der Protagonist möchte seine einstige Gehilfin Maya Fey abholen, die ihre Ausbildung zu einem Geistermedium fast beendet hat. Übernatürliche Phänomene spielten in der Ace Attorney-Saga schon immer eine kleine Rolle, treten in Spirit of Justice jedoch klar in den Fokus. In Khura'in ist es nämlich gang und gebe, dass zu Beginn eines Mordverfahrens auch der Geist des Opfers befragt wird. Sehr früh tritt Wright in einem solchen Verfahren als Rechtsanwalt auf und tut das, was er am besten kann: Einen eigentlich glasklaren Mordfall auf den Kopf stellen.
Spirit of Justice ist in einzelne Kapitel unterteilt, die serientypisch jeweils eine abgeschlossene Handlung erzählen. Diesmal zieht sich zusätzlich ein klarer roter Faden durch einen großen Teil des Spiels, der zwar auch in den Vorgängern immer vorhanden war, aber noch nie so stark ausgeprägt wurde. Das hat zur Folge, dass viele Orte und Figuren im Verlauf des Spiels immer wieder auftauchen, was dem Spiel insgesamt sehr gut tut. Denn die zusammenhängende Hintergrundgeschichte sowie die starken Charaktere, die das Spiel im Rahmen der extrem umfangreichen Handlung etabliert, bilden das klare Highlight des sechsten Serienablegers. Neulinge werden sich in der Story problemlos zurechtfinden, da diese zwar auf den Vorgängern aufbaut und bekannte Charaktere einsetzt, aber keine Vorkenntnisse erfordert.
Gewohntes Gameplay mit neuen Elementen
Das neue Gameplay-Element in diesem Serienteil sind die Séancen, in deren Rahmen den Verfahrensteilnehmern die letzten Erinnerungen des Opfers präsentiert werden. Diese erscheinen als eine Art Video-Aufzeichnung, in der alle anderen Sinneseindrücke in Form von Schriftzügen auftauchen. Wie man es von der Serie erwarten würde, sprechen diese Visionen meist eindeutig für die Schuld des Angeklagten und es ist die Aufgabe des Spielers, Details ausfindig zu machen, die das Verfahren in eine andere Richtung lenken.
Darüber hinaus präsentiert euch Spirit of Justice wieder das gewohnte Phoenix Wright-Gameplay, das fast ausschließlich aus geschriebenem Text besteht. Außerhalb des Gerichtssaals suchen die Protagonisten nach Zeugen und Beweisen, bevor sie gleich am nächsten Tag vor den Richter treten müssen. Im Rahmen der Verhandlungen gilt es, den Staatsanwalt und die von ihm geladenen Zeugen auseinanderzunehmen, indem bestimmte Aussagen hervorgehoben und Beweisstücke präsentiert werden, die mit diesen Aussagen im Widerspruch stehen. Darüber hinaus werdet ihr während der Verhandlungen und auch außerhalb des Gerichtssaals immer wieder mit kleineren interaktiven Sequenzen und Logikrätseln herausgefordert, die eine gute Beobachtungsgabe, einen Blick für Details und manchmal auch ein gutes Gedächtnis erfordern.
Zwischen Visual Novel und Adventure
Eine weitere kleine, aber sehr weitreichende Neuerung betrifft das Strafpunkte-System. Präsentiert der Spieler dem Gericht eine andere als die von den Programmierern vorgesehene Lösung, wird der Richter eine Strafe in Form von verlorener Lebensenergie verhängen. In den Anfängen der Serie konnte das durchaus dazu führen, dass man sich über eine Stunde lang durch bereits bekannte Texte klicken musste, um wieder zu dem Punkt zu gelangen, an dem das Verfahren verloren wurde. Mit dem dritten Teil wurde dieses System bereits stark entschärft, da es ab dann erlaubt war, jederzeit einen Spielstand anzulegen. Spirit of Justice geht nun noch einen Schritt weiter: Verliert der Spieler seinen letzten Lebenspunkt, erhält er einfach fünf neue, was die vom Richter verhängten Strafen komplett wirkungslos macht.
Da die Phoenix Wright-Serie in erster Linie ein Adventure bzw. eine Visual Novel sein will, tut diese Neuerung dem Spiel eigentlich sehr gut - denn die Lösung eines einmal gelösten Rätsels ist anschließend nun mal bekannt, sodass der Verlust von Spielfortschritt (anders als in einem klassischen Videospiel) nicht zum Schwierigkeitsgrad beiträgt. Dazu kommt, dass die meisten der Rätsel in Phoenix Wright so gestaltet sind, dass das Finden der Lösung durch bloßes Herumprobieren mindestens sehr lange dauern würde. Trotz der fehlenden Konsequenzen lohnt es sich also, gründlich über jede gegebene Fragestellung nachzudenken. Und Nachdenken ist auch tatsächlich erforderlich, denn im Vergleich zum direkten Vorgänger wurde der Schwierigkeitsgrad deutlich angezogen. Im Ausgleich dazu bietet das Spiel ein Feature an, mit dem sich Spieler, die sich ausschließlich auf die Story konzentrieren möchten, die Lösung vorsagen lassen können. Dieses Hilfesystem kann im Hauptmenü des Spiels vollständig deaktiviert werden.
Fazit:
Fans des Phoenix Wright-Franchise werden wahrscheinlich sehr viel Freude am neuesten Serienableger haben. Die ausgeklügelten Kriminalfälle und die teils recht kniffligen Logikrätsel fesseln abermals an den Handheld-Bildschirm. Derweil sorgen die umfangreiche Hintergrundgeschichte und die starken Charaktere dafür, dass sich Spirit of Justice von seinen Vorgängern abheben kann. Vor allem die von Beginn an klar ausgeprägte Haupthandlung mit ihren vielen kleinen und großen Wendungen macht den sechsten Teil der Phoenix Wright-Saga zu einem echten Highlight. Puristen unter den Serienveteranen könnten sich vielleicht daran stören, dass die vom Richter verhangenen Strafpunkte keine Konsequenzen mehr haben und dass die neuen Charaktere (Apollo Justice und Athena Cykes) wieder einen großen Teil des Rampenlichts für sich vereinnahmen. Wer sich daran nicht stört und mit einer englischsprachigen Download-Version zufrieden ist, darf mit Phoenix Wright Ace Attorney: Spirit of Justice eine herausragend gute interaktive Geschichte erleben, die aufgrund ihres immensen Umfangs außergewöhnlich lange unterhalten kann.