Test

Spidersaurs

Von Robert Emrich am 25.07.2022

Wer sich in den letzten Jahrzehnten ein wenig mit dem Run’n’Gun-Genre befasst hat, wird dabei nahezu zwangsläufig über Konamis Contra-Reihe gestolpert sein. Im Verlauf von 32 Jahren erhielt die Serie 14 Teile, die nicht nur von Konami, sondern zum Teil auch von extern beauftragten Studios entwickelt wurden. So auch der elfte Teil der Reihe, der den leicht verwirrenden Titel “Contra 4” trägt, 2007 für den Gameboy Advance veröffentlicht und von WayForward entwickelt wurde; dem Studio, das sich mit Spielen wie der Shantae-Reihe einen Namen gemacht hat. Obwohl das Spiel in Europa ne auf den Markt kam, wurde der Titel bei den meisten Spielern und Testern sehr gut angenommen, was die Entwickler wohl dazu motivierte, es einmal mit einem eigenen Run’n’Gun-Spiel zu versuchen. Das Ergebnis dieser Überlegung trägt den Namen “Spidersaurs” und wurde 2019 zuerst für Apples Arcade-System veröffentlicht, ehe es jetzt seinen Weg auf andere Plattformen gefunden hat. Wie es sich dort nach all dieser Zeit und im Schatten des großen Vorbildes schlägt, verrät unser Test.

Was hat acht Beine und macht “Roar!”?

Eigentlich klang der Plan der Wissenschaftler des Lebensmittel-Konzerns InGest Corp. ja ganz sinnvoll: Um die durch Sonneneruptionen und Überbevölkerung ausgelöste Lebensmittelknappheit zu bekämpfen und schnell an große Mengen Fleisch zu gelangen, züchteten die Forscher eine neue Spezies, indem sie die DNS von Dinosauriern (für mehr Fleisch) und Spinnen (für mehr Beine und damit Keulen) kreuzten. Leider übersahen sie dabei völlig, dass sich eine Kreuzung aus zwei Gattungen, die selber gerne Fleisch fressen, kaum für die Massentierhaltung eignet. Binnen kürzester Zeit waren die Spidersaurs aus ihren Käfigen ausgebrochen. Im Bemühen die ganze Sache unter den Teppich zu kehren, heuerte InGest diverse Jäger an, zu denen auch eure Helden, die Rock-Gitarristin Victoria und der Polizeischüler und Pizzabote Adrian gehören. Doch schon vor dem Ende des Intros sind die beiden plötzlich die einzigen noch zur Verfügung stehenden Jäger und damit auch die letzte Chance, um den guten Ruf des Konzerns und vielleicht sogar die Welt selber zu retten.

Obwohl die Geschichte zusammengefasst erst einmal albern klingt, wird sie in den Dialogen der Zwischensequenzen gut vorgetragen und wirkt in sich stimmig. Tatsächlich macht Spidersaurs mit seinem animierten Intro im Stil eines Cartoons der 90er Jahre und seiner gesamten Aufmachung einen so organischen Eindruck, dass wir ernsthaft überrascht waren, dass es sich bei dem Spiel nicht um einen Lizenztitel für eine bestehende Serie handelt. So zählt die Geschichte zu den besten im Run’n’Gun-Genre, auch wenn sie objektiv und genreübergreifend eher Mittelmaß ist.

Eine Gitarre, eine Baseball-Kanone und jede Menge wütendes Fleisch

Spielerisch orientiert sich Spidersaurs klar an klassischen Vertretern des Genres wie Contra 3, das in Europa unter dem Namen “Super Probotector” für das SNES veröffentlicht wurde. Alleine oder kooperativ zu zweit lauft, springt und schießt ihr euch euren Weg durch schlauchförmige Level, vorbei an allen möglichen Monstern, die euch ans Leder wollen. Dabei geht es konsequent nur in eine Richtung, was vermutlich auch ganz gut ist, da das Spiel Gegner in unendlicher Menge generiert, solange ihr euch nicht bewegt oder bestimmte Abschnitte passiert. Innerhalb der Level kommt so kaum Ruhe auf. Gezieltes schießen, bewegen und ausweichen sind dementsprechend wichtig, um es heil durch die Abschnitte zu schaffen. Für die Verstärkung eurer Schusskraft, könnt ihr in den Leveln herumfliegende Power-Ups abschießen und einsammeln, um damit zwei Waffen mit unterschiedlichen Effekten ausrüsten. Das Arsenal ist dabei zwar relativ überschaubar und bietet selbst bei Waffen, die ihr durch das wiederholte Aufsammeln des gleichen Power-Ups aufgewertet habt, keinen wirklichen Wow-Faktor, dafür verhalten sich die Waffen aber je nach Charakter unterschiedlich, sodass die Abwechslung ein wiederholtes Durchspielen der Kampagne interessant macht. Alternativ könnt ihr die Charaktere aber auch zwischen den Leveln wechseln und jedes erfolgreich beendete Level beliebig oft erneut besuchen.

In der Mitte und am Ende jedes Levels erwartet euch außerdem jeweils ein Boss, der deutlich schwerer zu knacken ist, als alle üblichen Gegner und dessen Angriffsmuster und Schwachstellen ihr erst kennenlernen müsst, um gegen ihn eine Chance zu haben. Besiegte Zwischenbosse schalten einen Checkpoint in der Mitte des Levels frei, während besiegte Endbosse euch nicht nur Zugang zum nächsten Level gewähren, sondern euch auch jeweils eine besondere Fähigkeit wie den Doppelsprung, das Klettern an Wänden oder ein Kletterseil schenken, das ihr wie eine Spinne aus eurem Hinterteil abschießt. Die Fähigkeiten machen das Spiel gerade in den letzten Leveln spürbar interessanter, sind am Anfang aber zum Teil entweder nur wenig sinnvoll oder sogar ziemlich störend. Gerade die erste Fähigkeit, an Wänden und der Decke klettern zu können hat uns mehr als ein Leben gekostet, wenn unser Held mitten im Ausweichsprung plötzlich irgendwo hängen blieb und sich nur umständlich wieder lösen ließ. Mit der Zeit gelingt der Umgang mit den Fähigkeiten immer flüssiger und besser, doch diverse Metroidvanias hätten den Entwicklern ein Beispiel geben können, wenn es darum geht, die Steuerung solcher Fähigkeiten intuitiver zu gestalten.

Auch mit dem Schwierigkeitsgrad des Titels hatten wir anfangs so unsere Probleme. Zugegeben, Spidersaurs ist mit seinen sechs Zonen, die erfahrene Spieler theoretisch in ein bis zwei Stunden durchspielen können, ein vergleichsweise kurzes Spiel, sodass es, in Anlehnung an die Spiele der 90er Jahre, Sinn ergibt, die Spieldauer durch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad zu verlängern. Wer darauf aber nicht vorbereitet ist, oder die Spiele der SNES Ära nie gespielt hat kann sich von den drei Schwierigkeitsgraden, die von “normal” bis “bockschwer” reichen ein wenig erschlagen fühlen. Und tatsächlich mussten wir im mittleren Schwierigkeitsgrad bei mehr als einer Gelegenheit an Studio MDHRs Cuphead denken, das zwar immer noch ein wenig schwerer ist, dafür aber auch die präzisere Steuerung bietet. Das macht Spidersaurs per se nicht schlecht und besonders Fans der alten Contra Spiele werden an den fordernden Kämpfen ihre helle Freude haben. Jüngere Spieler, die sich von der Cartoon-Grafik angesprochen fühlen, kann das Spiel aber unter Umständen frustrieren.

Technisch einwandfrei

Dass Spidersaurs trotz der genannten Schwächen ein unterhaltsames Spiel ist und die meiste Zeit über durchaus Spaß macht, liegt zu einem guten Teil auch an der rundum gelungenen Präsentation. Die handgezeichnete Grafik wirkt zu jeder Zeit wie aus einem Guss und gerade die sechs Level bieten viel Abwechslung untereinander, selbst wenn die Auswahl der regulären Gegner vergleichsweise überschaubar ausfällt und wir uns bei ihnen ein wenig mehr Abwechslung gewünscht hätten. Auch der Soundtrack und die ausschließlich englische Synchronisation der Charaktere lässt keine Wünsche offen. Deutsche Untertitel gibt es aber natürlich auch wieder. Die Steuerung geht grundsätzlich in Ordnung, ist aber nicht immer ganz intuitiv und benötigt eine gewisse Eingewöhnung, anders als die Ladezeiten, die jeden Level innerhalb weniger Sekunden laden. Der erwähnte Koop-Modus, in dem ihr das Abenteuer zu zweit bestreiten könnt, beschränkt sich auf lokales Couch-Koop, funktioniert aber problemlos und bietet noch ein wenig zusätzlichen Spaß, wenn ihr gemeinsam auf die Jagd geht.

Fazit:

Der Versuch der Entwickler von WayForward, ein Run’n’Gun zu erschaffen, das sich wie die großen Vorbilder von Konami spielt, ist weitestgehend gelungen. Spidersaurs strotzt nur so von schnellen, fordernden Kämpfen und Bossen, deren Angriffsmuster ihr besonders in den späteren Leveln erst durchschauen müsst, um sie bezwingen zu können, und erinnert bei mehr als einer Gelegenheit an Spiele wie Contra oder Metal Slug. Dass der Titel eigentlich schon ein paar Jahre älter ist, merkt man ihm dank der zeitlosen und toll aussehenden Cartoon-Grafik nie an und in Kombination mit Handlung und Akustik wirkt das ganze Spiel so etabliert, wie ein Spiel, das für eine schon seit Jahren existierende Cartoon-Serie entwickelt wurde. Die Lernkurve beim Einsatz der Spezialfähigkeiten und der recht hohe Schwierigkeitsgrad, der wohl die vergleichsweise kurze Spieldauer kompensieren soll, trüben den positiven Eindruck ein wenig und sorgen dafür, dass der Titel wohl hauptsächlich Fans des Genres und frustresistente Naturen ansprechen wird. Die dürften mit Spidersaurs dafür aber auch auf ihre Kosten kommen und können dem Spiel dementsprechend gerne eine Chance geben.

Unsere Wertung:
7.5
Robert Emrich meint: "Nicht der beste Vertreter des Genres, aber trotzdem ein würdiges Abenteuer für alle Run'n'Gun-Freunde."
Spidersaurs von WayForward Technologies erscheint am 24.07.2022 für PC und iOS und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von WayForward Technologies zur Verfügung gestellt.
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