Test

Grapple Dog

Von Robert Emrich am 10.02.2022

Nach dem vergleichsweise ruhigen Januar fährt der Februar jetzt spieletechnisch schwere Geschütze auf. Die ersten zum Teil millionenschweren AAA-Produktionen stehen endlich in den Startlöchern und buhlen dabei mit umfassenden Werbestrategien um eure Aufmerksamkeit. Doch auch Abseits des medialen Rummels finden sich in diesem Monat wieder einige kleinere Titel, die einen prüfenden Blick verdienen. Einer davon ist das hier vorliegende Grapple Dog, das im Studio Medallion Games zum größten Teil von einer einzigen Person entwickelt worden ist. Zeit, sich in die Latzhose zu werfen und das Abenteuer für euch auf Herz und Pfoten zu prüfen.

Eine klassische “Hund-trifft-Roboter”-Story

Die Geschichte, die euer Abenteuer einläutet, beginnt vor etwa 1000 Jahren in einer Paralleldimension, in der die vorherrschenden Tierwesen ziemlich unglücklich waren, bis ein sogenannter “großer Erfinder” erschien und ihnen Glück und Wohlstand brachte. Alles war gut und die Bewohner feierten ihren Erlöser entsprechend. Doch eines Tages hatte der Erfinder eine Vision von einem zukünftigen großen Übel und schuf zur Rettung der Dimension vier kosmische Geräte, die er (wenig nachvollziehbar) für andere unaufspürbar in der Welt versteckte.

Knapp 1000 Jahre später ist der Erfinder längst tot, das große Übel immer noch nicht erschienen und auch die vier Geräte wurden trotz eifriger Bemühungen nie gefunden. So arbeitet ihr in der Rolle von Pablo dem Hund als Forschungsassistent für eure Freundin die Professorin und erkundet gerade alte Ruinen, als plötzlich der Boden unter euch nachgibt. Mit eurem Sturz in ein zuvor unentdecktes Gewölbe beginnt ihr nicht nur euer Tutorial, sondern begegnet auch eurem zukünftigen Antagonisten “Nul”, mit dem der ganze Ärger beginnt.

Die weitere Handlung findet in einigen kurzen Dialogen statt, die ihr hin und wieder mit befreundeten NPCs und Nul führt. Die Geschichte, die sich dabei entwickelt, ist nicht sonderlich umfassend, entspricht aber gutem Jump’n’Run-Durchschnitt und schafft es, euch durch das Abenteuer zu führen und den Charakteren sogar ein wenig Tiefgang zu verleihen.

Laufen, springen, Haken schwingen

Mit dem Abschluss des Tutorials wird Grapple Dog im bestgemeinten Sinn zu einem ganz regulären Platformer bei dem ihr euch der Reihe nach durch die einzelnen Level spielt und Juwelen sammelt mit denen ihr am Ende jedes Weltabschnitts einen Endgegner freischalten könnt. Das Arsenal eurer Bewegungsmöglichkeiten umfasst neben dem üblichen Laufen und Springen, einen Bodenstampfer aus der Luft, Wall-Jumps sowie den namensgebenden Haken, mit dem ihr euch an fest definierten Blöcken festhalten und herumschwingen könnt. Außerdem könnt ihr an vorgegebenen Stellen schwimmen und tauchen sowie Wände hochklettern.

Innerhalb der Level versucht ihr euch von Checkpoint zu Checkpoint zu spielen, um die Glocke am Ende jedes Gebiets zu erreichen. Dabei verfügt euer Hund Pablo über vier Lebenspunkte und unendlich viele Leben. Treffer von Gegnern, die Berührung mit Dornen oder ein Sturz in einen Abgrund kosten euch jeweils einen Lebenspunkt. Sind alle Lebenspunkte verloren, startet ihr beim zuletzt besuchten Checkpoint neu. Das klingt und wirkt zwar zuerst einfach, ist aber gerade in späteren Zonen dringend nötig, denn die Juwelen sind zum Teil sehr gut versteckt und benötigen mitunter mehr als einen Versuch, um erreicht oder gefunden zu werden. 

Zwischen den Leveln bewegt ihr euch in einem kleinen Dampfer über die Weltkarte und könnt auf diesem Weg bereits besuchte Gebiete noch einmal besuchen, um zum Beispiel übersehene Juwelen zu suchen. Außerdem schaltet der Abschluss eines Gebietes für dieses den “Time-Run”-Modus frei mit dem die Speedrunner unter euch die besten und schnellsten Wege durch das Spiel suchen können.

Habt ihr erst einmal genügend Juwelen gefunden, um einen Endboss aktivieren zu können, könnt ihr theoretisch bis zu diesem vorspringen und alle vorherigen, noch nicht besuchten Gebiete auslassen. Zu empfehlen ist das aber nicht, denn bis fast zuletzt führt das Spiel immer wieder neue Gameplay-Elemente wie elektrische Böden oder zerbrechende Blöcke ein, die kennengelernt und gemeistert werden wollen. Außerdem ist das Spiel, wenn man nur den Abspann erreichen möchte, nicht sonderlich lang. Vier bis sechs Stunden solltet ihr, je nach Fähigkeit, mindestens einplanen, wobei der Titel seinen Umfang mit 30 regulären Zonen, drei Herausforderungs-Zonen, 23 Bonusleveln und den möglichen Time Runs problemlos vervielfachen kann.

Mit Liebe designed

Während es beim schnellen Durchspielen vermutlich nicht wirklich zur Geltung kommt, macht ein entspannter Besuch der einzelnen Gebiete klar, mit wieviel Sorgfalt Joseph Gribbin, der Entwickler und Designer des Spiels, am Werk war. Jedes neue Element begegnet euch zuerst in einem ruhigeren Gebietsabschnitt, wo ihr es gefahrlos ausprobieren könnt, ehe es voll in die Welten integriert wird. Dabei fügt sich diese Kennenlernphase absolut organisch in das Spiel ein und unterbricht den Fluss an keiner Stelle.

Auch die Steuerung Pablos ist beispielhaft und funktioniert, zu Fuß, in der Luft, unter Wasser und ganz besonders am Haken sauber und pfeilschnell, sodass gewagte Schwung-und-Sprung-Passagen theoretisch problemlos gemeistert werden können.

Praktisch sieht es da aber ganz anders aus, da das Abenteuer des niedlichen Hundes entgegen dem optischen Eindruck schnell sehr knackig wird. Dabei erreicht das Spiel zwar nicht ganz die Schwierigkeit von Titeln wie Cuphead oder Meatboy, ist aber stellenweise nicht weit von ihnen entfernt, sodass Kinder mit Grapple Dog höchstens in den ersten Welten Spaß haben werden. Trotz allem ist das Spiel aber niemals unfair und mit Geduld und Übung schaffbar. Wer aber dennoch verzweifelt, kann Pablo im Menü jederzeit unverwundbar machen und das Abenteuer mit dieser Unterstützung abschließen, ohne dass es negativ angekreidet wird.

Volldampf mit kleinen Fehlern voraus

Auch technisch ist Grapple Dog ein interessantes Beispiel dafür, wie man einen Titel an eine Plattform anpassen kann. Denn die angepeilten 60 Bilder pro Sekunde der PC-Version schafft die Switch dank der animierten Hintergründe zu keiner Zeit und kommt in seltenen kurzen Momenten sogar ins Stottern. Das macht das Spiel zwar nie unspielbar, kann aber in den Optionen verbessert werden, indem ihr entweder nicht-animierte Hintergründe oder sogar schlichte einfarbige Hintergründe aktiviert. Nötig ist beides aber grundsätzlich nicht. 

Die Steuerung und die Ladezeiten sind insgesamt angenehm zügig. Nintendo-Spieler wird die Tatsache, dass alle Einstellungen im Menü mit der B-Taste bestätigt werden müssen vermutlich irritieren. Doch anders als einige Stacheln, die unter Wasser nicht angezeigt werden und ein einzelnes Bonuslevel, das aufgrund eines Fehlers unspielbar ist, handelt es sich bei der ungewöhnlichen Tastenbelegung offenbar um Absicht. Während das Problem mit den Stacheln in unserem Test nur in einer Zone kurz für Verwirrung gesorgt hat, bleibt zu hoffen, dass das Problem mit dem Bonuslevel der allgemeinen Qualität zuliebe kurzfristig behoben wird.

Deutlich tragischer ist tatsächlich der mangelnde Umfang des Soundtracks, der zwar grundsätzlich gut klingt, aber einfach zu wenig Abwechslung bietet. Jeder Weltabschnitt besitzt eine eigene Melodie und umfasst bis zu sechs reguläre Level, die dann alle den gleichen Song in Dauerschleife spielen. Das führt nach einer anfänglichen Begeisterung schnell dazu, dass man die letzten Level eines Abschnitts schneller durchspielt oder die Musik einfach gleich ganz ausschaltet. Die kindlich bunte und liebevoll gestaltete Grafik entschädigt aber mühelos für die genannten Probleme und der leicht grobpixelige Grafikstil funktioniert auf allen Bildschirmen sehr gut. Auch in sehr belebten Sequenzen in denen uns die Angriffe von allen Seiten um die Ohren flogen, konnten wir mühelos den Überblick behalten ohne uns von den knalligen Farben oder anderen Effekten abgelenkt zu fühlen. 

Update

Mit dem seit heute erhältlichen Patch auf die Version 2.0 werden alle zuvor genannten Fehler aus dem Spiel entfernt, sodass auch das letzte Bonuslevel ohne Probleme gespielt werden kann und auch alle Stacheln unter Wasser sichtbar sind. Grund genug für uns, die Wertung des Spiels um 0,5 Punkte anzuheben.

Fazit:

In Zeiten immer größerer Spieleproduktionen, die tausende Arbeitsstunden und Budgets mit mehr Ziffern als Telefonnummern verschlingen, hält Grapple Dog als Repräsentant für all die Kleinststudios, die in Garagen und Jugendzimmern ihre Träume verwirklichen, tapfer die Stellung. Das Gameplay des Spiels ist makellos, der Umfang für den Preis angemessen und auch die Grafik passt hervorragend zu der lockeren Geschichte und zeigen ein weiteres mal, dass Qualität keine Frage der Kosten ist, wenn alle Beteiligten Hand in Hand arbeiten. 

Dennoch müssen der Fairness halber die kleinen Fehler beachtet werden, die das Spiel nicht unspielbar machen, aber dennoch stören und hoffentlich bald behoben werden. Und auch der Soundtrack könnte seine Qualitäten mit mehr Umfang deutlich besser ausleben, wenn man nicht dazu gezwungen wäre, die mitunter sehr mitreißenden Stücke für eine Stunde immer wieder und wieder zu hören. 

Trotz allem ist Grapple Dog gerade für Jump’n’Run-Freunde ein durchweg gelungenes Abenteuer und kann allen, die Lust auf ein gleichermaßen unterhaltsames und forderndes Spiel haben guten Gewissens ans Herz gelegt werden.

Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version
Wir danken Super Rare Games für die Bereitstellung des Testmusters. 

Unsere Wertung:
8.0
Robert Emrich meint: "Fordernd und unterhaltsam schwingt sich Pablo direkt in eure Herzen."
Grapple Dog von Medallion Games erscheint für PC und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Super Rare Games zur Verfügung gestellt.
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