
TOEM
Es gibt diese Tage, an denen man aus der Schule oder von der Arbeit nach Hause kommt und sich mit dem Controller bewaffnet in herausfordernde Abenteuer stürzen und heldenhaft Schlachten oder Turniere für sich gewinnen will. Und dann gibt es diese ganz anderen Tage, an denen man zwar gerne etwas spielen, sich dabei aber einfach nur wohl und entspannt fühlen möchte. Für eben diese letztgenannten Tage haben die Entwickler des kleinen Studios Something We Made das Fotoabenteuer TOEM ersonnen, das wir uns auf einer Couch und in warmen Wollsocken einmal genauer angesehen haben.
Auf ins Abenteuer!
Das Spiel beginnt für unseren Charakter mit einem ganz besonderen Tag: Dem Tag an dem wir uns endlich auf den Weg machen können, um uns das magische Phänomen, das als “TOEM” bekannt ist, selber einmal anzusehen. Also schwingen wir uns aus dem Bett, schnappen uns unseren Rucksack und machen uns auf den Weg zur Oma in die Wohnküche, während der Wanderwoman (das Gegenstück zum Walkman in der realen Welt) seinen ersten Song abspielt. Oma, die in ihrer Jugend ebenfalls TOEM besichtigt hat, überlässt uns direkt ihre alte Kamera für die Reise und zum Dank (und als Beweis, dass wir es können) schießen wir als erstes ein Foto von ihr. Nachdem wir es in unserem Fotoalbum gespeichert und ihr anschließend präsentiert haben, machen wir uns auf den Weg zur nächsten Bushaltestelle und damit auch in das kommende Abenteuer.
Was tut man nicht alles, um Bus fahren zu dürfen...
An der Bushaltestelle erklärt uns der freundliche Kartenverkäufer, wie wir uns unsere Fahrt zum Gipfel des Kiiruberges über mehrere Stationen verdienen können: Um ein Ticket für die Fahrt zum nächsten Abschnitt zu erlangen, müssen wir unseren Mitmenschen helfen und dadurch Stempel sammeln. Jede Aufgabe ist einen Stempel wert und es gibt in jedem Gebiet mehr verdienbare Stempel als für eine Fahrt benötigt werden, sodass wir nicht zwingend jedem unserer Mitmenschen helfen müssen, um auf unserer Reise weiterzukommen. Die Aufgaben sind selten wirklich schwer. Bei vielen reicht es aus, das richtige gewünschte Motiv zu fotografieren und das Foto dem um Hilfe suchenden Mitmenschen zu zeigen. Bei anderen müssen wir einen gesuchten Gegenstand oder Charakter zum Besitzer zurückzubringen oder das richtige Kleidungsstück tragen, das wir zuvor gefunden oder geschenkt bekommen haben. Es gibt aber natürlich auch immer einige Aufgaben, die, passend zum Adventure-Genre, ein wenig komplexer sind. Diese paar seltenen Missionen erfordern den Besuch mehrerer Gebiete, ehe sie abgeschlossen werden können. Zu unserem Glück können wir mit unseren Bustickets aber zwischen bereits freigeschalteten Gebieten beliebig hin und her reisen, falls wir irgendwo etwas nachträglich erledigen wollen oder müssen.
So fotografieren wir uns durch die Welt und erliegen schon in kürzester Zeit dem Charme des Spiels. Regelmäßig werden unserem Wanderwoman neue Lieder hinzugefügt, die das aktuelle Geschehen mit meist entspannten instrumentalen Stücken untermalen. Auch in der Welt selber geht es zumindest für uns und unseren Charakter nie allzu hektisch zu. Manche Motive huschen zwar sehr schnell durch die Welt und benötigen ein wenig Geduld und Timing. Doch davon abgesehen geraten wir nie in Zeitdruck oder Gefahr, egal ob wir uns auf den Straßen einer Großstadt oder auf einer zum Techno-Club umgebauten Waldlichtung voller Tanzbären befinden. Selbst vom Rand der Karte fallen können wir nicht und mit dem so gesicherten Überleben, dreht sich auf unserer Reise alles um das Erleben.
Kurz und gut und schön
Und das ist etwas worauf sich TOEM in den etwa sechs Stunden, die ihr zum Durchspielen des Titels braucht, bestens versteht. In den sich thematisch immer wieder stark unterscheidenden Gebieten erwartet euch ein wahres Feuerwerk an niedlichen Ideen und witzigen Situationen, die geradezu nach einem Schnappschuss schreien. Und auch die vielen in der Welt auffindbaren Charaktere sprühen nur so vor Charme und zum Teil skurrilen Humor, wobei die Entwickler auf eine gewissen Bodenständigkeit Wert gelegt haben, die das Spiel nicht ins Alberne abrutschen lässt.
Durch die sich so stark unterscheidenden Zonen und die überschaubare Spieldauer, fallen auch einige mehrfach genutzte Spielmechaniken zu keiner Zeit negativ auf. Zumal sie immer auch ein wenig auf die entsprechende Situation des Gebietes angepasst wurden, sodass sich das Spiel bis in die letzte Zone frisch und unterhaltsam anfühlt.
In den meisten Fällen dürftet ihr bei der Erfüllung der Aufgaben auch keinerlei Probleme haben. Die Steuerung eures Charakters und der Kamera ist so durchdacht gestaltet, dass ihr intuitiv mit ihr zurecht kommen solltet. Nur gelegentlich täten dem Spiel ein paar zusätzliche Hinweise ganz gut, die zum Beispiel darüber informieren könnten, dass man die Aufgaben im Logbuch zum Teil für zusätzliche Informationen aufklappen kann. Oder, dass man mit dem Stativ auch Bilder machen kann, während man selber nicht an der Kamera steht und Tiere vom automatischen Sucher mit einem etwas breiteren Rahmen erfasst werden müssen, damit ihr Foto ins separate Sammelalbum kommt. Der zum Teil sparsame Umgang mit derlei Informationen sorgt dafür, dass ihr bei einigen Aufgaben ein wenig herumprobieren müsst. Wirklich nervig oder deprimierend wird es aber trotz allem nie und die mit Liebe gestaltete Welt und das eingebaute kleine Erfolgssystem sorgen dafür, dass man gerne ein paar Umwege für die letzten Aufgaben in Kauf nimmt.
Letzten Endes erreichten wir den finalen Gipfel mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Froh darüber für die Strapazen der Reise belohnt zu werden, wünschten wir uns doch, dass sie länger gedauert hätte.
Technik
Während die Nintendo Switch bei vielen Titeln ja an der einen oder anderen Stelle an ihre technischen Grenzen stößt, fühlt sich TOEM so an, als wären Konsole und Spiel füreinander geschaffen worden. Alles läuft flüssig, lädt in wenigen Sekunden und sieht dabei auf kleinen und großen Bildschirmen gleichermaßen gut aus. Der grafische Stil mit den in Graustufen gehaltenen Dioramen, die an einige Paper-Mario-Spiele erinnern, wirkt zwar auf den ersten Blick ein wenig fragwürdig, funktioniert im laufenden Spiel aber ausgezeichnet. Egal, ob man ein paar Ameisen oder eine riesige Sehenswürdigkeit sucht - alles ist sehr gut erkennbar und dank des stufenlosen Zooms, den ihr mit den Schultertasten nutzen könnt, könnt ihr wahlweise einen ganzen Gebietsabschnitt überblicken oder dicht an euren Charakter heranrücken.
Der Soundtrack ist ein weiteres Highlight und braucht sich hinter dem Gameplay und der Optik nie zu verstecken. Zwar gibt es für die Dialoge keine Sprachausgabe, aber die Musik alleine entschädigt dafür problemlos, während sie in diesem Spiel die Atmosphäre nicht nur unterstützt, sondern maßgeblich mitgestaltet.
Zur Steuerung gibt es wenig zu sagen. Sie funktioniert grundsätzlich tadellos und das einzige, was man an ihr verbessern könnte, wäre eine zuschaltbare Bewegungssteuerung der Kamera in der Nintendo-Switch-Version des Spiels. Wirklich nötig ist sie aber nicht.
Fazit:
TOEM wirkt in nahezu allen Belangen wie das perfekte Gegenteil zu Spielen wie Doom Eternal: Statt grafisch opulenter Blut- und Blitzlicht-Action zu krachender Musik aus einem riesigen Entwicklerstudio mit unbegrenzten Ressourcen haben wir hier ein kleines Kunstwerk, das seine Stärken voll ausspielt und euch an einem verregneten Sonntag für ein paar Stunden hervorragend unterhalten kann. Ob euch das die aktuell knapp 18 Euro wert ist, die der Titel im eShop kostet, müsst ihr natürlich selber entscheiden. Aber Spielern, die nach etwas Entspannung in ihrem Videospiel-Alltag suchen, können wir den Titel wärmstens empfehlen.
Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version
Vielen Dank an Something We Made für die Bereitstellung des Testmusters.