Test

Glyph

Von Jeremiah David am 16.08.2021

Metroid-Ball

Erinnert ihr euch an den ferngesteuerten Käfer aus The Legend of Zelda: Skyward Sword? Stellt euch vor, genau dieser Käfer hat aus irgendeinem Grund Samus in den gut gepanzerten Hintern gekniffen und kann sich seitdem in einen Morphball verwandeln. Gut, das ist so vermutlich nie passiert, aber ein solches Ereignis würde zumindest halbwegs erklären, wieso wir in Glyph einen stylischen Morphball steuern dürfen, der sich auf Knopfdruck in einen Käfer verwandeln kann.

„Glyph“ ist sowohl der Titel des Spiels als auch der Name der Kugel, mit der wir uns in bester Monkey-Ball-Manier innerhalb verschiedener Level stets von A nach B bewegen dürfen. Nach einem ausführlichen, aber keineswegs langatmigen Tutorial wird unserem Morphball durch einen anderen Roboterkäfer mitgeteilt: „Glyph! Du wurdest aufgeweckt, um das verdorbene Herz der Erschaffung zu reinigen. Die Überreste der Tempelstadt sind hier im Sand vergraben. Du musst zwischen den vielen Orten (Levels) reisen und die verlorenen Edelsteine finden. Nur so kannst du den Tempel von Aaru wieder aufbauen und dich der Quelle der Verdorbenheit entgegenstellen.“

Das klingt zunächst etwas hochtrabend, aber viel mehr Story bietet das Spiel nicht und im Prinzip hätten die Entwickler auch gut und gerne auf die mehr als halbherzig präsentierte Geschichte rund um Aaru und dessen verdorbenes Herz verzichten können. Letztlich ist Glyph ein sehr klassisch aufgebautes Geschicklichkeitsspiel, in dem es immer nur darum geht, ein bestimmtes Ziel zu erreichen und auf dem Weg dorthin alle Schlüssel und möglichst viele Münzen und Edelsteine einzusammeln.

Sämtliche Level sind unterteilt in sogenannte Erkundungs- und Zeitfahren-Level. Beide Arten von Level bestehen in der Regel aus quaderförmigen Felsen und schwebenden Plattformen, die über eine stilisierte und ziemlich detailarme, aber dennoch hübsche 3D-Wüstenlandschaft verteilt sind. Berührt Glyph den Wüstensand oder spezielle, orange markierte Flächen, explodiert unser Käfer-Morphball und das jeweilige Level muss von neuem begonnen werden. Checkpoints innerhalb der Level existieren nicht.

Die Zeitfahren-Level unterscheiden sich durch ein Zeitlimit von den Erkundungs-Level, außerdem gibt es hier weder Edelsteine noch Münzen, sondern lediglich Schlüssel zu finden. Edelsteine bekommen wir für das erfolgreiche Absolvieren des jeweiligen Zeitfahren-Kurses innerhalb des Zeitlimits jedoch trotzdem. Besonders schnelle Spieler werden nämlich mit drei Edelsteinen, etwas langsamere mit zwei oder einem belohnt. Wer das Ziel nicht innerhalb des Zeitlimits erreicht, bekommt gar nichts. Das ist nur logisch, allerdings sind die Zeitvorgaben wirklich verdammt kurz und bieten so ein sehr hohes Frustpotenzial.

Nach dem Aufsammeln aller Münzen in einem Erkundungs-Level erscheint ein goldener Skarabäus, mit dem weitere Zeitfahren-Level freigeschaltet werden können. Die Münzen dienen außerdem als Währung zum Freischalten neuer Erkundungs-Level. Die Schlüssel öffnen ein Portal am Ende jeden Levels, das als Ausgang dient, und mit den Edelsteinen können neue Abschnitte des Tempels betreten werden. Der Tempel ist eine Art Hub-Welt, von wo aus sämtliche Level zugänglich sind. Weitere Goodies gibt es in der Form kosmetischer Items, die entweder Glyphs Aussehen oder seinen glühenden Schweif verändern.

Physik-Engine mit Tücken

Glyph kann als Kugel natürlich rollen, darüber hinaus aber auch springen und als Käfer in der Luft gleiten. Auf markierten Feldern am Boden oder an Wänden, sowie durch das Passieren leuchtender Ringe in der Luft kann Glyph Energie aufladen und dann einen Doppelsprung durchführen, außerdem kann er/sie/es auf Knopfdruck senkrecht nach unten plumpsen, um beispielsweise einen zu lang geratenen Sprung mit einer Art Stampfattacke abrupt zu beenden. Glyph steuert sich dadurch prinzipiell sehr präzise und in der Theorie müssten die rund 80 Level im Spiel keine größere Herausforderung darstellen. Dass letzteres absolut nicht der Fall ist und Glyph stattdessen frustrierend schwer sein kann, liegt einerseits an den knifflig gestalteten Kursen mit winzigen Plattformen und Brücken, aber vor allem auch an der Kamera und der Physik-Engine des Spiels.

Die Kamera muss ständig mit dem rechten Analogstick nachjustiert werden, denn nur aus der Vogelperspektive ist ein sicheres Landen auf kleineren Plattformen möglich. Das erfordert bei gleichzeitigem drücken anderer Tasten und dem Bedienen des linken Analogsticks mitunter einiges an Fingerakrobatik.

Die Entwickler haben dem Spiel darüber hinaus eine relativ komplexe Physik-Engine spendiert, diese hält sich aber leider nicht immer an die Gesetze unserer Physik. Glyph kann Hänge nicht nur hinab-, sondern auch hinaufrollen und obwohl die Kugel aus vermeintlich schwerem Metall zu bestehen scheint, wirkt sie speziell beim Springen irritierend schwerelos. In der Luft kann sie jederzeit die Richtung ändern – auch um volle 180°. Vorwärtsdynamik kann und muss genutzt werden, um bei bestimmten Sprüngen weiter zu kommen, ist aber ohne eine entsprechende Anpassung der Geschwindigkeit schwer einzuschätzen und kann so häufig dazu führen, dass wir über ein Ziel hinausschießen und im tödlichen Sand landen. Mit anderen Worten: Die Kugel Glyph verhält sich nur auf ebenen Böden wie eine metallene Kugel. In der Luft, an Hängen und beim Abprallen von Kanten verkommt sie zu einem magischen Tischtennisball, der sich mit Geräuschen, die ebenfalls verdächtig an Ping-Pong erinnern, häufig unberechenbar benimmt. Das ist mitnichten ein Deal-Breaker, aber allemal gewöhnungsbedürftig.

Erschwerend kommt hinzu, dass wir als Spieler oft mehrere Fähigkeiten kombinieren müssen, um höher gelegene Orte zu erreichen oder im späteren Spielverlauf auch Gegner zu überwinden. So muss Glyph beispielsweise schon früh im Spiel auf bestimmten Feldern erst hochspringen, sich wieder nach unten sacken lassen, um mit Wucht vom Boden abzuprallen, um dann mit einem Doppelsprung die nötige Höhe zu erreichen, um als Käfer zur nächsten Plattform zu gleiten. Klingt kompliziert? Ist es auch. Mehr oder weniger. Glyph ist definitiv nichts für ungeduldige Spieler oder Anfänger. Wer sich allerdings auf die eigenwillige Physik einlässt und sich nach und nach auch an die Kombinationsmöglichkeiten der unterschiedlichen Fertigkeiten gewöhnt, der kann viel Spaß mit dem Titel haben. Die vielen kurzen Kurse laden zum spontanen Daddeln ein. Ein paar Minuten hier, ein paar da – Glyph ist ein kurzweiliger Zeitvertreib für Spieler, die sich nicht auf langwierige Geschichten, komplizierte Rätsel oder brutale Kämpfe einlassen wollen, aber dennoch eine Herausforderung suchen. Und wenn sich ein bestimmtes Level dann doch mal als zu herausfordernd erweist, ist es praktisch, dass es im Spiel weit mehr Münzen und Edelsteine gibt, als letztlich benötigt werden. Zum Erreichen des Abspanns müssen also nicht alle Level gemeistert werden.

Technisch macht Glyph derweil eine gute Figur. Die Optik ist zugegebenermaßen minimalistisch, läuft aber butterweich und ohne Pop-Ups, Kantenflimmern oder Glitches. Die Musik ist im positiven Sinne unauffällig und unterstreicht das ruhige Wüstenambiente. Nach dem Auffinden aller Schlüssel eines Levels schwillt sie jedoch an. Das klingt super.

FAZIT:

Glyph bietet eine eher minimalistische Optik und eine gewöhnungsbedürftige Physik, ist aber ansonsten ein gelungener und sehr herausfordernder Puzzle-Platformer mit anständigem Umfang. Die vielen Level sind perfekt für kurze Spielesessions zwischendurch, allerdings stellenweise so schwer, dass sie klassischen Gelegenheitsspielern nicht zu empfehlen sind. Geübte Gamer auf der Suche nach gleichermaßen kurzweilige wie anspruchsvolle Geschicklichkeitskost dürfen dagegen ruhig einen Blick riskieren.

Wir bedanken uns bei Bolverk Games für die Bereitstellung des Testmusters.

Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version

Unsere Wertung:
7.0
Jeremiah David meint: "Gleichermaßen kurzweilige wie anspruchsvolle Geschicklichkeitskost für geübte Gamer."
Glyph erscheint für Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet.
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