Special

Test: Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging für Nintendo Switch

Von Kamil Witecy am 20.12.2019

Fast 15 Jahre ist es mittlerweile her, dass die Dr.-Kawashima-Spielereihe auf dem Nintendo DS ihr Debüt gefeiert hat. Die interaktive Lernsoftware wurde schnell zu einem echten Verkaufsschlager und ermutigte in der Folge Millionen von Spielern weltweit, ihren Verstand mit einfachen täglichen Aufgaben zu schärfen. Das große Erfolgsgeheimnis: Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging erreichte neben den klassischen Spielern vor allem auch bis dahin nie erahnte Käuferschichten und war dementsprechend zusammen mit der Simulation Nintendogs maßgeblich mitverantwortlich für den insgesamt sehr großen Verkaufserfolg des Nintendo DS. Alleine in Europa haben es die ersten beiden Kawashima-Titel für den Nintendo DS auf mehr als 15 Millionen verkaufte Einheiten gebracht, weltweit sind es über 35 Millionen verkaufte Exemplare.

Dr. Kawashima gibt es dabei wirklich: Ryūta Kawashima, so sein vollständiger Name, ist ein renommierter, japanischer Neurowissenschaftler, der mit seinen Forschungen das Konzept hinter der Lernsoftware gebildet hat. Er stellte im Rahmen seiner zahlreichen Studien die These auf, dass das Demenzrisiko im Alter drastisch reduziert werden kann, wenn Menschen ihr Gehirn täglich trainieren würden. So kann mit der Gehirn-Jogging-Software das geistige Alter der Spieler ermittelt und mittels entsprechendem Training auch aufgefrischt werden. Vor wenigen Wochen hat Nintendo seinen Denksport-Klassiker in Japan auch für Nintendo Switch veröffentlicht, Anfang Januar erfolgt dann auch der Release im Westen. Wir konnten die Software vorab testen.

Das tägliche Training

Viel hat sich in der Switch-Version gegenüber dem Original nicht geändert. Tatsächlich kombiniert die Switch-Fassung einige neue Minispiele mit klassischen Aufgaben des Originals. Somit ist Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging nüchtern betrachtet nur eine kleine Sammlung von kurzen Trainings-Minispielen und Denksportübungen - zum Beispiel Kopfrechnen, Lesen, Wörter und Bilder merken oder Buchstabenrätsel lösen. Die einzelnen Übungen können dabei bei senkrecht gehaltener Switch entweder mit den Fingern oder mit dem Touchpen absolviert werden, der in der physischen Version mit enthalten ist. Da das Spiel auf tägliche und kontinuierliche Anwendung ausgelegt ist, lässt sich jede dieser Übungen nur einmal pro Tag absolvieren (bzw. wird das Ergebnis nur einmal gespeichert). Zusätzlich gibt es dann noch die Krönung eines jeden Denkmarathons: Den obligatorischen Alterstest.

Beim Alterstest werden eure kognitiven Fähigkeiten einmal täglich in drei zufällig ausgewählten Übungen in den Kategorien Selbstkontrolle, Info-Verarbeitung und Kurzzeitgedächtnis auf die Probe gestellt, sodass am Ende das geistige Alter des Gehirns ermittelt wird. 20 Jahre ist dabei das beste Ergebnis, 80 Jahre das schlechteste. Der Alterstest bietet auch variable Aufgaben, die es im sonstigen täglichen Training nicht gibt. Alle Ergebnisse lassen sich anschließend in einer Grafik anzeigen, die auch einen Vergleich zu vergangenen Ergebnissen oder anderen Spielern z.B. im Freundeskreis zieht. Online-Ranglisten spornen zusätzlich dazu an, regelmäßig zu spielen, sich anzustrengen und schlussendlich das geistige Alter jung zu halten. Damit ihr eure täglichen Übungen nicht verpasst, könnt ihr zudem auch einen Alarm einrichten. Dann erinnert euch eure Nintendo-Switch-Konsole an eure Übungen, selbst wenn diese sich im Standby-Modus befindet.

Im allgemeinen Trainingsmodus von Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging findet ihr neben den klassischen Gehirnübungen auch verspieltere Denksportvarianten wie z.B. Sudoku oder eine an Dr. Mario angelehnte Bazillenjagd. Mit zunehmenden Spielverlauf und erhaschten Stempeln, die es für absolvierte Übungen gibt, können weitere Übungen freigeschaltet werden. Insgesamt ist die Anzahl an verschiedenen Übungen jedoch wie bereits in den Vorgängern recht begrenzt.

Das schnelle Spiel für zwei Spieler

Ganz im Sinne der starken Multiplayer-Fähigkeiten der Nintendo Switch unterstützt Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging auch einen lokalen Mehrspieler-Modus für zwei Spieler, allerdings nicht im gesamten Spiel, sondern nur bei speziell dafür vorgesehenen Aufgaben. Diese finden sich im spielinternen Menü unter dem Punkt „Schnelles Spiel“ wieder. Hier gibt es insgesamt sechs Spiele zu sehen: Schere-Stein-Papier-Test, Finger-Rechnen, Fingerübungen, Vögel zählen, Flagge zeigen und Kisten zählen.

Bei vier der sechs Disziplinen kommen entweder die Infrarotkamera oder aber die Bewegungssensoren der Switch-Eingabegeräte ins Spiel. Beim bekannten Schere-Stein-Papier-Spiel müsst ihr den rechten Joy-Con mit dem IR-Sensor vor eure Hand platzieren, sodass dieser erkennt, ob ihr mit eurer Hand gerade eine Faust ballt (Stein), ein Peace-Zeichen mit den Finger formt (Schere) oder einfach die flache Hand hinhält (Papier). Ganz ähnlich funktioniert die Erkennung auch bei den Fingerübungen während ihr beim Flagge-Zeigen mit dem Joy-Con in bestimmte (euch gemerkte) Richtungen zeigen müsst. Die Erkennung funktioniert bei richtiger Handhabung und entsprechenden Lichtverhältnissen (es sollte weder zu dunkel noch zu hell sein) zumeist problemlos, dennoch hält sich der allgemeine Spaßfaktor in Grenzen und nutzt sich bereits nach kurzer Zeit ab.

Bei den restlichen Spielen geht es lediglich darum, mit einem Joy-Con in der Hand möglichst schnell Vögel oder eben Kisten zu zählen, und einen entsprechenden Counter mit den Schultertasen auf die gezählte Zahl zu stellen und zu bestätigen. Im Duell mit einem Freund macht das auch durchaus Spaß – aber auch eben hier nur für begrenze Zeit.

Aufmachung und Technik

Der geheime Star des Spiels bleibt der schwebende Kopf von Doktor Kawashima höchstpersönlich, der die Spieler auch im Switch-Ableger durch die Software begleitet. Er dient zu Beginn als Tutor für jede Art von Rätsel, klärt euch über den Hintergrund der Software und seine Forschungsergebnisse auf und gibt uns immer wieder Tipps, wie wir das Spielerlebnis bereichern können. Dadurch bekommt die Lernsoftware einen ganz eigenen Charme spendiert. Darüber hinaus kommt die Optik ansonsten recht zweckmäßig daher, einen großen Unterschied wird man im Vergleich zu den früheren Teilen nicht feststellen.

Auch bei der Akustik wird deutlich, dass es sich bei Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging nicht wirklich um ein klassisches Videospiel handelt. Zwar sind im sehr aufgeräumten Menü und den einzelnen Übungen jeweils eigene Melodien untergebracht, wirklich hervorstechen tun diese aber nicht. Punkten kann der Titel dafür wie gewohnt bei der Steuerung und generellen Navigation. Zwar ist die Schrifterkennung hin und wieder etwas ungenau, was aber häufig an der eigenen Sauklaue liegt, die unter Zeitdruck natürlich nicht besser wird. Zu empfehlen ist dabei absolut die Nutzung des bei der Retail-Fassung mitgelieferten Touchpens, mit dem einfach genauer und auch bequemer interagiert werden kann. Da ihr im Prinzip fast alles über den Touchscreen regeln könnt (Ausnahme bilden einige der Multiplayer-Spiele mit den JoyCons) fühlt sich die Bedienungen auch jederzeit entsprechend intuitiv an.

Fazit:

Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging auf dem üblichen Weg zu bewerten ist gar nicht so einfach, schließlich handelt es sich um kein klassisches Videospiel, sondern um einen kontinuierlichen Trainingsparcours für das Gehirn. Auf eine klassische Zahlenwertung wird deswegen verzichtet. Die simplen, aber effektiven Übungen bringen eure grauen Zellen spielerisch auf Trab, sodass ihr mit nur ein paar investierten Minuten am Tag wieder frischen Saft in die Rübe bekommt. Somit kann die Lernsoftware auch auf Nintendo Switch durchaus mit dem Prädikat wertvoll ausgezeichnet werden. Fraglich ist jedoch, ob diejenigen, die bereits einen Ableger der Serie besitzen, unbedingt zum Switch-Pendant greifen müssen. Denn bis auf einige nette, aber nicht sehr langlebige Spielereien mit dem Infrarotsensor und der Bewegungserkennung der Joy-Cons, macht der Titel nicht viel anders als anno 2005. Wer jedoch sein Training in den letzten Jahren vernachlässigt hat und nun wieder einsteigen möchte, macht mit den rund 35 Euro inklusive Touchpen (bzw. 27 Euro als Download ohne Pen) nichts verkehrt, wenn auch sicherlich über den aufgerufenen Preis diskutiert werden kann. Wichtig ist jedoch zu bedenken: Dr. Kawashima ist kein herkömmliches Videospiel und erst recht nicht für lange Sessions gedacht, sondern eben nur für wenige Minuten Training pro Tag. 

Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren