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Angespielt: Dauntless

Von Andreas Held am 26.05.2019

Wartest du noch oder spielst du schon?

Dauntless wurde nach einer langen Beta-Phase am 21. Mai offiziell veröffentlicht - und hat auf einen Schlag 500.000 Spieler dazubekommen. Epic Games ist nun eigentlich kein Konzern, der Probleme mit einem derartigen Ansturm haben sollte: Immerhin hat der Publisher genug Geld, um sich die Exklusivrechte an AAA-Titeln wie Borderlands 3 oder The Outer Worlds bzw. gleich ganze Entwicklungsstudios wie den Rocket-League-Entwickler Psyonix einfach mal zu kaufen. Trotzdem bekamen wir am Freitag- und Samstagabend beim Versuch, Dauntless zu starten, die Meldung: "Du befindest dich auf Platz 20.000 der Warteliste." Etwa 15 Minuten dauerte es jeweils, bis der Titel spielbar wurde. Die Entwickler von Phoenix Labs ließen derweil verlauten, dass sie das Wochenende durcharbeiten werden, um ihre Online-Infrastruktur weiter zu optimieren. Gleichzeitig dürften die hochbezahlten Prokuristen von Epic Games, die dem Titel für den durch den offiziellen Launch verursachten Ansturm ein paar Serverkapazitäten dazukaufen könnten, wahrscheinlich irgendwo an der amerikanischen Ostküste am Strand liegen.

Wer die 15 Minuten aussitzt, darf irgendwann das Spiel mit seinem Epic-Games-Account verbinden. Anschließend geht es an die Charaktererstellung, die zwar eigentlich sehr detailliert ist, aber ein fundamentales Detail vermissen lässt: Die Festlegung des Geschlechts unserer Spielfigur. Zwar dürfen wir zumindest beim Körperbau zwischen "feminin" und "maskulin" wählen, aber ansonsten passen alle vorgefertigten Gesichter und Frisuren zumindest theoretisch auf beide Geschlechter - was die Entwickler nur durch das Entfernen aller biologischen Erkennungsmerkmale und einen entsprechend niedrigen Detailgrad bewerkstelligen konnten. In der Folge fehlt es den comichaften Figuren an Eigenständigkeit, Charakter, Persönlichkeit und vor allem an Charisma - ein Problem, das sich auch auf alle NPCs des Spiels überträgt und durch die völlig ausdruckslose Mimik noch verstärkt wird. Alle Figuren sehen aus wie realistisch proportionierte Funko Pops. Für ein Spiel, das seine Langzeitmotivation fast ausschließlich aus dem Freischalten kosmetischer Items beziehen soll, ist das schon mal kein guter Anfang.

Behemoth Hunter

Dauntless bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie "furchtlos", kann aber im allgemeinen Sprachgebrauch je nach Kontext manchmal auch als Synonym für "schamlos" verstanden werden. Während der Titel natürlich auf die im Spiel auftretenden Kämpfer bezogen ist, beschreibt er durchaus auch recht treffend die Art und Weise, auf die die Entwickler die Monster-Hunter-Serie auffallend dreist kopiert haben. Das Spiel startet mit einer Einleitungsjagd, bei der wir nicht nur die Steuerung, sondern auch das HUD sofort wiedererkennen - beides wurde quasi unverändert übernommen. Unsere Beute, ein Lesser Gnasher, hat einen auffallend großen Schwanz, der sich nach einigen Treffern vom Körper löst, woraufhin wir mit einem speziellen Item belohnt werden. Auch andere Markenzeichen wie der Rage Mode, die Elementarwaffen oder die Sammelitems in Form von Pflanzen und Erzen wurden 1:1 aus dem Vorbild übernommen. Nach der erfolgreichen Jagd erhalten wir Teile des gejagten Monsters, mit denen wir uns eine spezielle Waffe und eine aus vier Teilen bestehende Rüstung craften können, deren Design und Statuswerte an das Aussehen des Gnashers angelehnt sind. Wow.

Auch das Konzept der Hub-Town hat Phoenix Games aus Monster Hunter kopiert. Ramsgate ist dabei im Gegensatz zu den Dörfern aus Monster Hunter nicht funktional und kompakt gehalten, sondern erinnert an eine typische West-RPG-Stadt, in der es zwar lange Laufwege und viele verwinkelte Gassen, aber wenig zu sehen oder zu tun gibt. Elemente wie das Quest-Board oder die verschiedenen Schmieden für Waffen und Rüstungen kennen wir aus Capcoms Flaggschiff-Serie; das einzige eigenständige Element ist eine Vorrichtung zum Öffnen von Loot-Boxen. Diese kommen in Bronze-, Silber- und Gold-Ausfertigungen daher und enthalten zufällige Buffs, die wir in unsere Ausrüstung einsetzen können, um uns ein paar passive Skills zu verschaffen - die exakt genauso funktionieren wie die Skills, die wir in Monster Hunter durch Juwelen bekommen, welche ebenfalls in vorgegebene Rüstungsslots einzusetzen sind.

Immerhin: Zumindest in der aktuellen Version des Free-to-Play-Titels werden im Online-Store keine Loot-Boxen verkauft. In die Tasche greifen müssen Spieler derzeit nur für kosmetische Items sowie Gegenstände, die den Schwierigkeitsgrad des Spiels senken, zum Jagderfolg aber nicht essentiell sind und sich mit entsprechendem Zeitaufwand meist auch so erspielen lassen. Man zahlt quasi für das Privileg, nicht bei jeder Jagd minutenlang durch die Gegend laufen und Pflanzen pflücken zu müssen. Darüber hinaus gibt es noch den an Fortnite angelehnten Hunt Pass, den wir durch das Erspielen sogenannter Heartseekers aufleveln können - die bekommen wir durch Sammelitems in der Stadt, durch das Zerstören von Körperteilen und das Abschließen wöchentlicher Challenges. Den Hunt Pass können wir durch Einsatz der Premium-Währung (Platin) für umgerechnet 10€ auf eine Elite-Version upgraden; der wichtigste Unterschied zu Fortnite ist dabei, dass wir durch das Erreichen des maximalen Levels nicht genug Platin erhalten, um uns den nächsten Elite-Pass zu kaufen. Dauntless-Spieler müssen also entweder jedes Mal, wenn es einen neuen Hunt Pass gibt, erneut in die Tasche greifen - oder eben auf einen Großteil der kosmetischen Items und einige Spielvorteile verzichten.

Und wie spielt es sich?

Der generelle Spielablauf von Dauntless ist sehr eng an Monster Hunter angelehnt: Eine Gruppe von 1-4 Spielern (Dauntless ist ohne Einschränkungen auch für Solisten spielbar) betritt das Jagdgebiet, sucht einen Behemoth, der bekämpft und verfolgt werden muss, und erhält nach einer erfolgreichen Jagd Körperteile des erlegten Monsters, um damit Ausrüstungsgegenstände zu schmieden oder zu verstärken. Allerdings merkt man an allen Ecken und Enden, dass der Free-to-Play-Titel nicht annähernd die Qualitätsstandards erreicht, die Capcom mittlerweile etabliert hat. Durch das Fehlen kleinerer Kreaturen sind die Jagdgebiete abgesehen von den wahllos verstreuten Sammelitems komplett leer - ein Problem, das durch das ideenlose und monotone Landschaftsdesign noch verstärkt wird. Die Designs der derzeit 19 im Spiel enthaltenen Monster sind derweil geradezu peinlich und scheinen aus der Retorte eines chinesischen Smartphone-Entwicklers zu stammen.

Wirklich deutlich wird der Klassenunterschied allerdings bei den Kämpfen selbst, denen jegliche Dynamik fehlt. In Monster Hunter hat jede Kreatur einen markanten Schrei, der unseren Jäger manchmal sogar in die Knie zwingt. Die Monster rennen und stürzen unter lautem Rumpeln und Poltern durch die Gegend, bringen die Erde zum Beben und schleudern unsere Spielfigur durch die Luft. In Dauntless fehlen all diese Elemente, es gibt kein durchgängiges Sound Design, die Monster haben kein Gewicht - und die Kämpfe sind dadurch deutlich weniger mitreißend. Wenn wir irgendwann die Einstiegsmonster hinter uns gebracht und alle Spielsysteme weitestgehend verstanden haben, sodass wir uns mit unserer Ausrüstung einen für uns funktionierenden Spielstil zurechtlegen und diesen in den Kämpfen umsetzen können, kommt auch in Dauntless Spielspaß auf. Wie in Monster Hunter müssen wir einen neuen Behemoth erst Mal studieren und lernen, wann er welche Attacken einsetzt und wie wir diesen ausweichen können. Das größte Problem von Dauntless ist, dass es wenige bis gar keine eigenen Ideen umsetzt und dadurch nie über den Status eines merklich schwächeren Imitats des Capcom-Franchise hinauskommt.

Diese Verfehlungen könnte man nun damit erklären wollen, dass Monster Hunter eben für Geld verkauft wird und Dauntless "eigentlich" kostenlos ist. Dieses Argument hat jedoch sehr kurze Beine, da Phoenix Games in seinem Ingame-Store äußerst happige Preise verlangt. Einzelne Animationen, mit denen man in der Stadt anderen Spielern zuwinken kann, werden hier teilweise schon für zweistellige Beträge verkauft. Selbst Spieler, die nur die Elite-Pässe kaufen, werden nach einigen Monaten mehr Geld für Dauntless ausgegeben haben als für ein Vollpreisspiel. Und es ist ein offenes Geheimnis dass es Spieler gibt, die im Industriejargon als "Wale" bezeichnet werden und vier- bis fünfstellige Beträge in ein einzelnes Spiel pumpen, weil sie ihr Kaufverhalten nicht im Griff haben. In diesem Zusammenhang ist es auch ärgerlich, dass Dauntless seine Premium-Währung nur in absolut lächerlichen Mengen als Ingame-Belohnung herausgibt. Mit dem aktuellen Wirtschaftsmodell würde es zwei bis drei Jahre dauern, sich ein einzelnes Rüstungs-Skin zu erspielen.

Fazit:

Man nehme den Grafikstil und den Battle Pass von Fortnite, momentan eines der beliebtesten Spiele der Welt, und kombiniere es mit dem Gameplay von Monster Hunter World, das sich mit weltweit über 12 Millionen verkauften Einheiten ebenfalls nicht mehr verstecken muss. Ein Erfolgsrezept? Das wird sich noch zeigen müssen. Kenner werden jedenfalls sehr schnell feststellen, dass Dauntless nicht annähernd mit der Liebe zum Detail entwickelt wurde, die Capcoms Action-RPG-Franchise mittlerweile zum Welterfolg gemacht hat. Phoenix Labs haben ihre karge und leblose Spielwelt mit emotionslosen Jägern und NPCs bevölkert, die keinerlei Ausstrahlung besitzen. Auch der Free-to-Play-Charakter von Dauntless kann dieses Manko nicht wegerklären, denn es gibt einzelne Mikrospiele in Wario Ware, die für sich genommen schon mehr Charme und Persönlichkeit mitbringen als der von Epic Games gepublishte Monster-Hunter-Klon. Und da man ohne Echtgeldeinsatz nicht viel freispielen kann, würde Dauntless mit der Zeit sogar teurer als jedes Vollpreisspiel. Hinzu kommen ärgerliche Server-Probleme und zumindest in den Konsolenportierungen eine instabile Framerate (wir haben Dauntless auf einer PS4 Pro gespielt). Wenn einem das Always-Online-Konzept keinen Strich durch die Rechnung macht, funktioniert Dauntless aus technischer Sicht, und es gibt somit keinen Grund dem Titel nicht zumindest mal eine Chance zu geben. Wer sich aber mit dem Gedanken erwischt, Geld für die Ingame-Währung des Spiels ausgeben zu wollen, sollte sich sehr schnell daran erinnern, dass es mit Monster Hunter ein konzeptionell identisches, aber um Welten besser umgesetztes Franchise gibt.

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5 Kommentare:
Denios)
Denios
Am 26.05.2019 um 17:09
Das hört sich ja gar nicht mal so gut an :D
Da ich in MHGU aber noch genug zu tun habe und bald ja auch noch Iceborne kommt, brauch ich echt keinen schlechten MH Klon
Vyse)
Vyse
Am 26.05.2019 um 23:27
Durch die Server ist das Spiel zum Kotzen. Platz 80.000 auf der Warteliste, 30 Minuten auf den Login gewartet (in der Zeit Horizon Chase Turbo auf der Switch gespielt).

Dann drei Monster gejagt und zwei davon haben nicht gezählt, weil alles nur serverseitig erfasst wird und die Datenpakete verloren gehen. Quest: "Jage einen Behemoth mit einem Hammer", hab ich gemacht - Quest nicht erfüllt, weil der Server es nicht mitbekommen hat. Mir kam es schon öfters so vor dass einige Statistiken weniger angezeigt haben als ich eigentlich gemacht habe, damit ist nun klar dass es keine Einbildung war.

Durch die Bugs kann man auch Vorteile bekommen - hatte genug Items um eine Waffe ein Mal zu upgraden, beim Klick auf "Upgrade" ist nichts passiert. Noch drei Mal geklickt und auf einmal gingen alle vier Upgrades durch, mir wurden aber nur die Items für das erste Upgrade abgezogen. Hätte nur noch gefehlt dass mich irgendein Script als Cheater erkannt und gebanned hätte.

Hab's nun wieder gelöscht, denn so macht das echt keinen Sinn. Am 6. September kommt Iceborne, da ist meine Zeit deutlich besser investiert.
TraxDave)
TraxDave
Am 27.05.2019 um 08:49
Wenn ich MH spielen will, das kein MH ist, dann bleib ich bei God Eater. ^^
MH World wird auch immer noch versorgt, also so gesehen - danke, nein. Sieht aber okay aus.
michi1894)
michi1894
Am 28.05.2019 um 11:32
Ich habe jetzt auch mal begonnen. Gestern Abend habe ich 15 Minuten gebraucht, heute morgen allerdings bin ich auf Anhieb rein gekommen. Mir gefällt das Spiel ganz gut, natürlich aber kein Vergleich zu Monster hunter. Die quests sind allerdings interessant und auch ohne battle pass motivierend.
Ribesal)
Ribesal
Am 06.06.2019 um 12:07
Nun, ich habe Dauntless vor längere Zeit gespielt gehabt, von daher kann ich nix dazu sagen, wie die Server Stabilität jetzt gerade so ist. Sicher hats einige Schwächen und ich mag MH auch viel lieber.

Aber dreist kopiert? Monster Jagen, zerlegen, mit ihren Teilen neue Rüstung / Waffen bauen um härtere Monster zu bekämpfen und während der Jagd Pflanzen / Erze sammeln... ein derartiges Spielsystem ist unfassbar unoriginell. Das Dauntless als dreiste Kopie vorzuhalten ist schon... dreist.
Sicher haben die sich von MH inspirieren lassen, aber wirklich grandios originell ist so ein Spiel halt eh nicht.

Keine eigene Ideen reingebracht? Wartet bist ihr auf Embermane trefft und einen Spieler dabei habt der weiß was man tun kann ;D
(Fast?) alle Monster haben bestimmte Angriffe, welche mit bestimmen Angriffen eurerseits auf bestimmte Körperregionen unterbrochen und das Monster zu Fall gebracht werden kann.

Im Falle von Embermane sieht das so ungefähr so aus: Embermane geht auf Entfernung, dreht sich um, brüllt und spuckt Feuer, und stürmt - während das Feuer fliegt - auf einen Spieler zu. Wenn dieser jetzt exakt timed und Embermanes Kopf mit einem schweren Schlag trifft bevor Embermane widerum ihn trifft, schreit das Monster auf, überschlägt sich, und geht zu Boden wo es einige Sekunden liegen bleibt.
Und diese Sache ist übrigens auch eine die ich MH etwas vermisse, nachdem ich Dauntless etwas spielte.

Wer dazu etwas im Netz suchen will: Stichwort "boopen", da sollte sich etwas finden lassen.
Denios)
Denios
Am 28.06.2019 um 08:35
egal, wie originell das Konzept letzten Endes ist: MH hats halt zuerst gemacht. God Eater, Toukiden und eben auch Dauntless bauen unleugbar darauf auf und können daher zurecht als Kopien bezeichnet werden, manche eben mit mehr und manche mit weniger Differenzierungs-Effort.