Phoenix Wright: Ace Attorney Trilogy
Der GBA wird zum Kindle
Japan. Wir schreiben den 12. Oktober 2001. Capcom veröffentlicht ein kleines, experimentelles Spielchen für den Game Boy Advance, dem der Publisher neben Mega Man Battle Network oder Zelda: The Minish Cap wohl kaum große Bedeutung bemisst. Gyakuten Saiban ist eine Mischung aus Visual Novel, Adventure und einer Art Anwalts-Simulation. In der Rolle des Newcomers Naruhodo Ryuuichi dürfen Käufer des Japan-exklusiven Handheld-Titels vier Kriminalfälle lösen und es dabei mit einem Justizsystem aufnehmen, das das Kredo der Unschuldsvermutung völlig auf den Kopf stellt. Damals hätte vermutlich noch niemand geahnt, dass der in blau gekleidete Anwalt mit der Stachelkopf-Frisur irgendwann zu einem weltweiten Phänomen wird.
Doch so kam es schließlich. Gyakuten Saiban wurde zusammen mit seinen beiden Nachfolgern auf den DS portiert und unter dem Namen Phoenix Wright: Ace Attorney auch im Westen veröffentlicht. Capcom machte sich dabei wohl die Touch!-Generations-Welle zunutze: In den Augen Nintendos sollte der DS den Markt für neuartige Konzepte öffnen, die die klassische Definition eines Videospiels in Frage stellen. Dadurch lag der japanische Nischentitel plötzlich nicht nur voll im Trend, sondern fand - im Gegensatz zu Dr. Kawashimas Gehirntraining oder Nintendogs - auch bei Vielspielern Anklang, sodass die Serie den Status der kurzlebigen Modeerscheinung überdauern und sich stattdessen dauerhaft im Markt zementieren konnte. Heute besteht die Serie aus sechs Hauptteilen und insgesamt elf Spielen, von denen jedoch nur acht in Europa erschienen sind.
Zurück in die Vergangenheit
Bisher war Gyakuten Saiban vor allem auf Nintendo-Handhelds zu Hause. Doch mit dem Ende der DS-Ära muss sich Capcom nun ein neues Publikum suchen, sodass mit der Ace Attorney Trilogy zum ersten Mal ein Serienableger auch für PlayStation und Xbox erscheint. Damit Neulinge nicht quer in das Franchise einsteigen müssen, das durchaus auf eine kontinuierliche Handlung setzt, geht es noch einmal ganz von vorne los: Die in Europa nur als Download erhältliche Compilation beinhaltet die ersten drei Ausgaben des Anwalts-Dramas, die vor über 15 Jahren für den Game Boy Advance erschienen sind. Somit können Interessenten nicht nur die Anfänge der Serie nachverfolgen, sondern auch das grundlegende Gameplay kennenlernen.
Phoenix Wright besteht dabei aus zwei Spielabschnitten, die sich immer wieder abwechseln: Klassischen Adventure-Passagen und Gerichtsverhandlungen. Bei den Ermittlungen reisen wir von Ort zu Ort, suchen auf Standbildern nach Beweisstücken, reden mit NPCs und bewaffnen uns auf diese Weise mit den Informationen, die wir im Verhandlungssaal brauchen werden. Bei den tatsächlichen Verfahren besteht unsere Hauptaufgabe darin, aus den Aussagen der Zeugen einzelne Passagen herauszusuchen und diese mit Beweisstücken in Verbindung zu bringen, die mit der gemachten Aussage im Widerspruch stehen. Nicht selten gibt es dabei weit über 100 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, sodass ein plumpes Ausprobieren der Optionen nicht viel bringt. Haben wir einen Widerspruch offen gelegt, wird dies in der Regel von einem lauten "Objection!" und einer Kehrtwende in der Musikuntermalung begleitet. Und natürlich von viel Gezetere der Staatsanwaltschaft. Diese Momente machen bis heute die Highlights der Phoenix-Wright-Serie aus.
Portierung mit erfüllter Pflicht, aber ohne Kür
Dass ein fast zwanzig Jahre altes Game-Boy-Advance-Spiel auf einem großen 4K-Fernseher nicht unbedingt toll aussehen wird, dürfte Capcom klar gewesen sein. Aus diesem Grund wurden die Klassiker gründlich aufbereitet - aber leider nicht gut genug, um die tatsächliche Herkunft der Titel zu vertuschen. Die Entwickler haben es leider klar verpasst, die Ace Attorney Trilogy für dieses Re-Release auf die grafische Klasse von Genrekonkurrenten wie Utawarerumono oder Our World is Ended zu hieven. Das ist schade, denn die Ressourcen dazu hätte der japanische Großkonzern sicherlich gehabt. Immerhin gibt Capcom die so gesparten Kosten auch an die Kunden weiter und verkauft die ehemaligen Vollpreistitel nun mit einem deutlichen Rabatt.
Die einzige echte Neuerung in den Remakes ist ein Quicksave-Menü, mit dem wir jederzeit einen Spielstand anlegen und auch wieder laden dürfen. Somit können wir theoretisch vor jeder Multiple-Choice-Auswahl einen Rücksetzpunkt platzieren und diesen - falls wir im Gericht mal eine falsche Antwort geben - sofort wieder laden, um den Fehler ungeschehen zu machen. Das ist durchaus relevant, denn eigentlich sollten zu viele falsche Antworten irgendwann zu einem Game Over führen. Diese in den Originalen vorgesehene Spielmechanik lässt sich durch die Quicksaves nun komplett aushebeln. Das ist jedoch kein Beinbruch, da Phoenix Wright diese krampfhaft eingebauten, klassischen Videospiel-Elemente ohnehin nicht sonderlich gut zu Gesicht stehen. Statt mit Konsequenzen für falsche Antworten zu drohen und dem Spieler gleichzeitig ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem sich diese Spielmechanik völlig ad absurdum führen lässt, sollten die Entwickler also lieber gleich darauf verzichten.
Davon abgesehen werden Serienfans bei ihrer Rückkehr zu den Wurzeln der Serie bemerken, dass die ersten Serienableger noch nicht die Highlights der Phoenix-Wright-Serie darstellen. Vor allem die beiden 3DS-Ableger, Dual Destinies und Spirit of Justice, sind im Vergleich zur ursprünglichen Trilogie doppelt so umfangreich, sodass sie viel mehr Zeit haben, ihre Charaktere auch außerhalb von Kriminalsituationen zu entwickeln und in ihrem Erzählstil deutlich ausführlicher zu sein. Im direkten Vergleich dazu sind die Remakes ein spürbarer Rückschritt - auch deshalb, weil sich alle drei Teile ihre Trümpfe jeweils für ihr abschließendes Kapitel aufheben und große Teile der Story bis dahin wie Füllmaterial wirken. Etwas kurios ist übrigens noch, dass die für die Nintendo-DS-Versionen angefertigten deutschen Texte erst einmal nicht in den Remakes enthalten sind - sie sollen jedoch in den nächsten Monaten per Patch nachgeliefert werden.
Fazit:
Mit der Phoenix Wright: Ace Attorney Trilogy veröffentlicht Capcom drei Spieleklassiker, die eine langlebige Serie begründeten und nun für schmales Geld noch einmal erlebt werden dürfen. Einen absoluten Pflichtkauf stellt die Collection nicht dar, denn die über 15 Jahre alten Handheld-Titel wurden mit relativ wenig Aufwand auf den großen Bildschirm portiert und hängen ihren Nachfolgern in Sachen Umfang und Storytelling ordentlich hinterher. Insbesondere für Neulinge, die einen Einstieg in die textlastige Adventure-Serie suchen, ist die Sammlung jedoch definitiv ihr Geld wert. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass Capcom auch die Teile 4 bis 6 noch auf die neuen Zielplattformen bringt und die Serie danach würdig fortsetzt.
Von uns getestet: PlayStation-4-Version
Zum Thema: Für mich ist und bleibt Ace Attorney eine der ganz großen Spieleserien, vergleichbar mit Zelda oder Pokemon. Trotzdem habe ich von Teil 5 und 6 bislang die Finger gelassen, ohne deutsche Texte kann ich mich irgendwie nicht dazu durchringen die zu spielen. Wenn für die aktuelle Collection noch deutsche Texte kommen keimt ja fast Hoffnung auf dass Capcom auch mal für die jüngeren Teile Übersetzungen in Auftrag gibt...
Die deutschen Texte für die aktuelle Collection werden dieselben sein, die damals für die DS-Versionen angefertigt wurden. Dass Capcom für eine Trilogy 2 extra Übersetzungen in alle europäischen Sprachen anfertigen lassen würde, halte ich ehrlich gesagt für ausgeschlossen.