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The Walking Dead: The Final Season

Von Jeremiah David am 01.04.2019
Auf dem Cover befindet sich nicht mehr der Schriftzug „Telltale Games“, denn nur das erste der vier Kapitel wurde tatsächlich vom kalifornischen Entwicklerstudio umgesetzt. Nach der Schließung des Studios aufgrund finanzieller Schwierigkeiten war einige Zeit nicht klar, ob die Serie überhaupt noch ein Ende finden würde. Zum Glück sprang Skybound Entertainment, das Studio von The-Walking-Dead-Schöpfer Robert Kirkland, in die Bresche, um die verbliebenen Episoden zu entwickeln. Merkt man das dem Titel an? Macht das Spiel trotz der problematischen Entwicklung Spaß? Wir haben die Antworten.

Wie alles begann

Der erste Teil der Walking Dead-Serie wurde vor rund sieben Jahren mit Auszeichnungen überhäuft, und es waren diese Auszeichnungen, die mich nicht nur zur Serie sondern auch zum Genre führten. Das Spiel machte fast im Alleingang ein ruhigeres, emotionaleres Abenteuer-Genre populär, das zuvor bestenfalls ein Nischendasein gefristet hatte. Telltale Games ebnete anderen Studios zudem den Weg, Inhalte auf mehr oder weniger umstrittene Art und Weise – nach und nach als einzelne Kapitel – zu veröffentlichen. Die episodische Struktur, die die Serie und weitere Spiele des Entwicklers stets auszeichnete, kennen wir heute auch von Titeln anderer Entwickler. Life is Strange und Life is Strange: Before the Storm perfektionierten die Erzählweise fast. Until-Dawn-Entwickler Supermassive Games startet noch dieses Jahr mit The Dark Pictures: Man of Medan eine neue episodische Serie, selbiges gilt für DontNods interaktiven Thriller Twin Mirror.

Abseits des Genres und der episodischen Erzählweise, haben alle Spiele von Telltale Games noch eine weitere Sache gemeinsam: Sie leben von ihrer jeweiligen Story, sind kaum mehr als interaktive Filme. Die Erzählungen müssen die Spiele tragen, und an dieser Tatsache ist Telltale Games zuletzt des Öfteren gescheitert. Das anspruchslose Spielprinzip ist nicht jedermanns Sache, und über die Jahre hinweg wurde auch kaum an der Technik gefeilt. Stattdessen verließen sich die Entwickler immer und immer wieder auf dieselbe vermeintliche Erfolgsformel, und so wirkten die letzten Spiele trotz zum Teil offensichtlicher Qualitäten sehr altbacken.

Paradoxerweise bietet ausgerechnet der Titel, der das Ende des Entwicklers begleitet, eine neue Grafikengine mit realistischeren Beleuchtungseffekten, detaillierten Charaktermodelle und einer leicht überarbeiteten Steuerung. The Walking Dead: The Final Season sieht auf jeden Fall besser aus als die letzten Spiele des Entwicklers. Die Optik liegt irgendwo zwischen dem kantigen, kontrastreichen Stil der originalen Comics und dem weicheren, fast malerischen Stil von Genre-Vertreter Life is Strange. Ungeachtet dessen gilt aber auch für den neusten Ableger der Walking Dead-Serie: Die Story ist dem Gameplay eindeutig übergeordnet. Die Umgebungen sind kaum interaktiv und die wenigen Momente, in denen wir mit unserem Hauptcharakter mit einem Bogen oder einer Pistole frei auf Gegner zielen dürfen, statt nur kontextbezogen oder während Quick-Time-Events auf eingeblendete Knöpfe zu drücken, wurden lediglich zweckmäßig umgesetzt. So kann an dieser Stelle gleich festgehalten werden: Wer mit den bisherigen Teilen der Serie oder grundsätzlich mit Spielen von Telltale Games nichts anfangen konnte, der wird auch hiermit wenig Spaß haben. Wer sich dagegen am leicht antiquierten Spielprinzip nicht aufreibt, der wird The Walking Dead: The Final Season mit hoher Wahrscheinlichkeit genießen, denn der Titel ist ein Paradebeispiel für das, was Telltale Games schon immer am besten konnte.

Die Story

Erfahrene Überlebenskünstler der Zombie-Apokalypse dürfen vor Beginn des Abenteuers vorhandene Spielstände früherer The-Walking-Dead-Titel importieren. Wer solche Spielstände nicht besitzt, oder einfach nur noch einmal sein Wissen über die Serie auffrischen möchte, der kann sich ein Video im rauen, gezeichneten Look ansehen, um über die bisherigen Ereignisse der Serie aufgeklärt zu werden. Der kurze Film wurde optisch schick umgesetzt und beinhaltet zudem ein paar interaktive Stellen, an denen wir bestimmte Entscheidungen treffen können, um die Vorgeschichte des Spiels individueller zu gestalten.

Unabhängig von allen Entscheidungen steuern wir danach jedoch einmal mehr die längst bekannte Teenagerin Clementine, die mit dem jungen Alvin Jr., genannt AJ, im trostlosen, zombieverseuchten Amerika zu überleben versucht. Sie kümmert sich wie eine junge Mutter um AJ, ist ständig auf der Suche nach Lebensmitteln für sich und ihn, und sucht zugleich nach einer dauerhaften, sicheren Bleibe für beide. Man merkt ihr zu jedem Zeitpunkt an, wie viel ihr AJ bedeutet. Der Junge wiederum blickt zu ihr auf und orientiert sich wortwörtlich an ihren Weisheiten. So sollten Spieler bei Gesprächen mit AJ besonders viel Vorsicht walten lassen, denn der Knabe hat trotz seines zarten Alters ein Fable für Schusswaffen und weiß diese auch gekonnt einzusetzen. Es ist also essentiell, dass AJ in kniffligen Situationen mit Hilfe von Clementine als Vorbild die richtigen Entscheidungen trifft und nicht Unschuldige verletzt.

In einem ehemaligen Internat für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche treffen Clementine und AJ nach einem Autounfall auf der Flucht vor Zombies auf eine Gruppe Teenager, die sich in dem alten Gemäuer verschanzt und eine auf den ersten Blick sichere, freundliche Gemeinschaft gegründet haben. Sie pflegen Clementine gesund, bieten ihr und AJ bereitwillig eine Unterkunft an. Unsere Hauptprotagonisten schließen sich der Gruppe dankbar an, bemerken aber schnell, dass der Friede dort nicht nur von den Zombies und Plünderern außerhalb des Internats bedroht wird.

Viel mehr kann ich ohne zu Spoilern nicht über die Geschichte berichten. AJ verwickelt Clementine mit seinen zum Teil dämlichen Aktionen immer wieder in heikle Situationen. Auch andere Mitglieder der Gruppe verhalten sich teils enorm dämlich und konnten mir hin und wieder einen Seufzer entlocken. Ungeachtet dessen erzählt das Spiel aber auf sehr kompetente Art und Weise eine gleichermaßen brutale wie emotionale, stellenweise herzzerreißende Geschichte, die trotz einiger Logikfehler einen guten Spannungsbogen aufrechterhält und mit der dritten Episode einen absoluten Höhepunkt erreicht. Die vierte der jeweils rund zwei bis drei Stunden langen Episoden dient vor allen Dingen dem bittersüßen, wenn auch etwas unlogischen Abschluss der Serie als Ganzes und endet mit einem surrealen Gang durch das Internat, dessen Wände nun mit Unterschriften aller Entwickler geschmückt sind. So wird nicht nur die Spielereihe abgeschlossen, sondern auch Telltale Games als Entwickler verabschiedet.

Fazit:

The Walking Dead: The Final Season erreicht selten die erzählerischen Höhen von Life is Strange, und nicht ansatzweise die technische Brillanz von Detroit: Become Human, das heißt aber noch lange nicht, dass es deshalb ein schlechtes Spiel ist – im Gegenteil. Es ist wie ein handwerklich einwandfrei gedrehter Film, der zwar nie Oscar-Niveau erreicht, aber ungeachtet dessen mit interessanten Charakteren, emotionalen Momenten und sogar ein paar rasanten Actionszenen gut zu unterhalten weiß, und so ist die finale Staffel von Telltale's The Walking Dead trotz kleinerer Schwächen ein würdiger Abschluss einer langjährigen Spielereihe. Fans der Reihe dürfen also zugreifen.

Unsere Wertung:
8.0
Jeremiah David meint: "Ein würdiger Abschluss einer langjährigen Spielereihe"
The Walking Dead: The Final Season erscheint für PC und PlayStation 4 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für PC getestet.
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1 Kommentar:
GF0P)
GF0P
Am 06.04.2019 um 11:18
"dass der Friede dort nicht nur von den Zombies und Plünderern außerhalb des Internats bedroht wird."

Das klingt nach exakt den gleichen Storyelementen, wie in Teil 2, Teil 3 und Michonne! Spielen werde ich es trotzdem, vermute aber, dass die 8.0 nicht meine Wertung sein wird!
Jerry)
Jerry
Am 08.04.2019 um 20:46
Ich hab nicht alle Vorgänger gespielt. Mich würde deine Meinung zum Spiel durchaus interessieren, wenn du's mal durch hast. Gerne im Forum posten...