Test

Anthem

Von Michael Prammer am 04.03.2019

Die Handlung von Anthem führt den Spieler in eine fiktive Welt, die Legenden zufolge von Göttern zwar erschaffen, aber nie vollendet wurde. So war es der Menschheit nicht möglich, sich vollständig auf der Welt auszubreiten. Stattdessen musste sie von Anbeginn der Zeit in Siedlungen leben. Die Legion der Dämmerung verteidigte diese Siedlungen gegen außerirdische Lebensformen. Das gelang mit Hilfe von Kampfanzügen, den Javelins, die den geschicktesten Kämpfern der Legion zusätzliche Kraft verliehen.

In vergangenen Zeiten noch als Helden gefeiert, haben Freelancer, die Träger der Javelin-Anzüge, ihren Heldenstatus längst verloren. Mittlerweile sind diese eher als Söldner tätig und verdienen sich ihren Lebensunterhalt nur noch durch kleinere Aufträge. Auch zwischen den anderen Menschen herrscht kein Einklang mehr und so kommt es immer wieder zu Konflikten innerhalb verschiedener Organisationen. In Anthem übernimmt der selbst erstellte Held die Rolle eines Freelancers und beginnt sein Abenteuer in einer kleinen Dschungelregion.

Tolle Gameplay-Features

Die Story ist verwirrend und es dauert zu Beginn etwas zu lange, bevor es tatsächlich mit der Charaktererstellung los geht. Letztere ist zwar nett, allerdings relativ sinnlos, da man seinen Protagonisten kaum zu Gesicht bekommt, denn es handelt sich bei Anthem um einen First-Person-Shooter, der mit vielen Action-Adventure-Elementen daherkommt. Das gesamte Abenteuer, dessen Geschichtsstrang auf etwa 20 Stunden anzusetzen ist, spielt sich in einer offenen Spielwelt ab. Das wichtigste Element des Spiels sind die bereits erwähnten Javelin-Anzüge. Diese geben Anthem ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Online-Shootern. Zum Aspekt Online kommen wir später. Die Anzüge, von denen es vier gibt, verleihen dem Spieler nahezu übernatürliche Kräfte und gestatten dem Held Flugeinlagen. Gerade letzteres ist ein wichtiges Gameplay-Feature, nicht nur um auf dem großen Planeten voran zu kommen, sondern auch, um die Kämpfe abwechslungsreicher zu gestalten.

Durch die Javelins sind nicht nur klassische Shootergefechte am Boden möglich, sondern auch spannende Luftkämpfe, die für viel Unterhaltung sorgen. So kann sich ein Gerangel zunächst am Boden abspielen und später in der Luft seinen spannenden Höhepunkt finden. Ewig fliegen können die Anzüge nicht und so muss der Energiehaushalt immer berücksichtigt werden. Die Anzüge, von denen es vier unterschiedliche gibt, bieten dabei allesamt verschiedene Fähigkeiten, je nachdem, wie man gerne spielt. Dabei sollte man mit bedacht wählen, da erst im späteren Spielverlauf die weiteren Anzüge zur Verfügung stehen. Der „Colossus“ zum Beispiel, ist relativ langsam und träge, verfügt dafür allerdings über eine Menge Feuerkraft und kann einiges einstecken. Der „Interceptor“ wiederum ist ein wendiger Anzug, der blitzschnell ausweicht und flinke Konter in petto hat. Allerdings hält er längst nicht so vielen Treffern stand.

Egal für welchen Anzug man sich auch entscheidet, der Spieler darf diesen jederzeit aufwerten. Sowohl Story- als auch Nebenaufgaben geben Belohnungen. Nach jeder Mission dürfen im Hangar zum Beispiel neue Waffen oder Rüstungsteile gekauft werden, oder kosmetische Inhalte, die den eigenen Anzug aufwerten. Hier zeigt sich leider, dass EA in den letzten Jahren nicht zu unrecht durch Loot-Boxen und andere fragwürdige Praktiken „berühmt“ geworden ist. An allen Ecken und Enden des Spiels wird der Spieler freundlichst darauf hingewiesen, dass man doch etwas Echtgeld investieren darf, um seinen Charakter, beziehungsweise Javelin-Anzug noch hübscher zu machen. Zum Glück muss man nicht wirklich etwas ausgeben, um im Spiel Erfolg zu haben.

Solo nur halb so spaßig

Sämtliche Aufgaben, die es im Spiel zu entdecken gibt, lassen sich mit mehreren Spielern erledigen. Und das sollte man auch tun, will man Spaß mit Anthem haben. Denn bereits nach einigen Solo-Missionen geht dem Abenteuer die Puste aus. Das liegt vor allem an dem etwas eintönigen Missionsdesign. Neben den tollen Kämpfen gibt es leider völlig belanglose Reiseziele, bei denen einfach nur irgendetwas aktiviert werden muss. Dann zum nächsten Punkt und so weiter. Das spielt sich unspektakulär und bringt wenig Freude. Mit mehreren Spielern kann man sich diese dämlichen Aufgaben etwas aufteilen und so zumindest das Spielgeschehen flotter gestalten. Allerdings gibt es auch bei mehreren Spielern ein großes Problem: Entfernen sich diese zu weit voneinander, werden sie zusammen an einen Punkt zurück teleportiert. Dadurch können sich Teams in einem größeren Missionsgebiet leider nur bedingt aufteilen.

Die Story beginnt stark, lässt jedoch ebenso stark nach. Gerade in den letzten Stunden fehlt es dem Abenteuer an Durchschlagskraft. Sowohl erzählerisch, als auch in den Aufgaben hat man das Gefühl, die Entwickler wollen einfach nur zum Ende kommen. Hier wird eine Menge Potential verschenkt. Im Vergleich mit Destiny, das vor allem zum Endgame hin immer besser wurde, kann Anthem einfach nicht mithalten. Die Story alleine ist natürlich bei so einem Projekt nur die halbe Miete und die meisten Spieler werden deutlich länger mit dem Spiel beschäftigt sein, als nur die reine Story-Zeit. Nach Beenden der Geschichte war mein Pilot bei Level 19, das maximale Level dürfte aktuell jedoch bei Level 30 liegen – es ist also noch eine ganze Menge zu tun. Dafür eignen sich vor allem kurze Events, die es immer wieder im Spiel gibt. Sie nehmen in der Regel einen Zeitrahmen von etwa 10 Minuten ein. Außerdem gibt es Raids, in diesem Fall Festungsanlagen, die nur in einem Team zu erledigen sind und für zusätzliche Herausforderungen sorgen. Vor allem Letztere sind wirklich genial. So viel Spaß hätte ich gerne über das gesamte Paket hinweg gehabt.

Technisch unter aller Kanone

Anthem steuert sich absolut klasse und kann in dieser Kategorie mit jedem aktuellen Shooter mithalten. Dazu sieht dieses Spiel einfach umwerfend aus. Der Planet ist super designt. Umso schmerzhafter sind deshalb die nachfolgenden Zeilen: Trotz Day-One-Patch entpuppt sich dieser wunderschöne Titel als reinste Technik-Farce. Bugs, Ruckler, Lags, Verbindungsabbrüche und weitere Spielfehler gehören zu fast jeder Sitzung. Der Titel benötigt außerdem eine dauerhafte Internetverbindung und es gab Abende, da konnte ich das Spiel nicht einmal starten. Hinzu kommen abartig lange Ladezeiten. Sorry, liebe Entwickler, das darf nicht sein. Bei einer Beta hätte ich gesagt: Schwamm drüber, kann mal passieren, es ist noch Zeit. Aber bei einem fertigen Spiel, das regulär 70€ kostet und so etwas abliefert, stelle ich mir die Frage, wer bei EA einer Veröffentlichung im jetzigen Zustand grünes Licht gegeben hat? Zum Vergleich: Warframe ist free-to-play und hatte bei der Entwicklung ein viel kleineres Budget, aber läuft dennoch absolut stabil.

Fazit:

Im Grunde ist Anthem ein gelungener Shooter, der auf einem wirklich wunderschön designten Planeten angesiedelt ist. Die Story beginnt vielversprechend, die Kämpfe machen richtig viel Spaß und vor allem mit drei weiteren Spielern gibt es interessante Aufgaben zu erledigen. Das Freischalten aller Anzüge kann durchaus fesseln und dazu anspornen, zig Stunden in das Spiel zu investieren. Die kleineren Probleme, wie die gegen Ende etwas flach werdende Geschichte und die teils langweiligen Aufgaben sind nur bedingt ärgerlich und könnten getrost vergessen werden. Der technische Aspekt ist allerdings ein größeres Problem und macht das Spiel fast kaputt. Es kann einfach nicht sein, dass den Versuch einer Spielsitzung nach 15 Minuten genervt abbrechen muss, weil keine Verbindung zum Server zu Stande kommt. Auch Abbrüche während einer Mission, Ruckler und die teils langen Ladezeiten trüben das Gesamtbild gewaltig. Es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler aus ihren Fehlern lernen und schleunigst weitere Patches anfertigen. Verdient hätte es das Spiel.

Unsere Wertung:
6.0
Michael Prammer meint: "Im Grunde ein gelungener Shooter, der aber vor allem über eine miserable Technik stolpert."
Anthem erscheint für PC und PlayStation 4. Wir haben die Version für PC getestet.
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