Test

Etrian Odyssey Nexus

Von Andreas Held am 12.02.2019

„Etrian“? Klingt wie ein Mineralwasser...

Die Etrian-Odyssey-Serie fand ihren Ursprung bereits vor über zehn Jahren auf dem Nintendo DS. Benannt ist sie nach der Stadt Etria, die im ersten Teil den Dreh- und Angelpunkt des Spiels darstellt. Der Dungeon Crawler hob sich in zwei Aspekten von der Konkurrenz ab: Der - vor allem im Vergleich zu anderen japanischen Genrevertretern - extrem hohe Schwierigkeitsgrad und die Möglichkeit, auf dem Touchscreen des DS eigene Karten der Verliese anzufertigen, bescherte dem Franchise eine treue Fan-Basis. Ein weiterer interessanter Aspekt sind die sogenannten FOEs, auf der Dungeon-Karte sichtbare und extrem starke Gegner, denen wir aus dem Weg gehen müssen und die wir meistens mit relativ komplexen Methoden weglocken und austricksen müssen, was einen echten Puzzle-Aspekt in die Serie einbringt. Das Erfolgsrezept hat sich bewährt: Zählt man alle Spin-Offs und Remakes mit, ist Etrian Odyssey Nexus der mittlerweile zehnte Eintrag in der JRPG-Serie.

Im Laufe der Zeit hat Etrian Odyssey zumindest versucht, sich einem breiteren Publikum zu öffnen. Beim ersten Spielstart von Nexus dürfen wir daher nicht nur die optionalen Schwierigkeitsgrade „Picnic“ und „Basic“ anwählen, sondern auch eine Auto-Mapping-Funktion aktivieren, die Böden und Wände automatisch auf der Karte einzeichnet. Lediglich Icons für Türen, Abkürzungen und zahlreiche andere Objekte müssten wir dann noch selbst platzieren. Allerdings gibt es bereits ein Überangebot an sehr einfachen JRPGs, deren Entwickler die Zeit, die Atlus in das Balancing seines Experten-Schwierigkeitsgrad gesteckt hat, in andere Aspekte investiert haben und somit Spielern, die es gerne etwas ruhiger angehen lassen, eine deutlich bessere Spielerfahrung zu bieten haben. Wer in Etrian Odyssey einen der niedrigeren Schwierigkeitsgrade wählen würde sollte also lieber gleich zu einem anderen Titel greifen, der von Grund auf für Fans von einfachen Kämpfen konzipiert wurde.

Wer sich hingegen gerade vom hohen Anspruch der Serie angezogen fühlt, darf sich nach dem Spielstart gleich mit der Charaktererstellung befassen - und wird hier vermutlich erst mal eine ganze Zeit lang versacken. Denn bedingt durch die Story des Spiels stehen uns insgesamt 19 Charakterklassen zur Verfügung, die größtenteils aus den ersten vier Serienablegern übernommen wurden. Jede von ihnen bringt ihren eigenen, riesigen Fertigkeitenbaum mit, den wir erst einmal lange studieren müssen, um am Ende eine Party aus fünf Recken zusammenzustellen, die alle offensiven und defensiven Aufgaben abdecken kann. Auch für die optische Gestaltung haben uns die Entwickler allerlei Tools an die Hand gegeben - für ein Spiel mit zweidimensionalen Charakter-Porträts ist der Umfang der Anpassungsoptionen einmalig.

Break with the past, set the Nexus free at last

Wer Etrian Odyssey kennt wird schnell feststellen, dass sich auch Nexus wieder auf die bekannten Stärken der Serie berufen kann. Durch den hohen Schwierigkeitsgrad müssen wir jeden einzelnen Zufallskampf gegen noch so harmlos wirkende Gegner absolut ernst nehmen, weil ansonsten selbst ein Kampf gegen drei Motten zum Game-Over-Bildschirm führen kann. Da wir selbst von den normalen Gegnern ziemlich schnell vermöbelt werden, fallen die Ausflüge in die Dungeons relativ kurz aus, sodass Etrian Odyssey trotz seines Anspruchsgrads auch für eher kurze Spielsitzungen geeignet ist. Nur auf die Bosskämpfe trifft das nicht unbedingt zu: Das Erlegen der Obermotze erfordert eine stundenlange Vorbereitungsphase, in der wir die Ausrüstung unserer Figuren optimieren, alle noch offenen Quests erledigen und vielleicht noch ein paar Level-Ups ergrinden müssen. Danach verwickeln uns die am Ende jedes großen Dungeons wartenden Wächter in einen Kampf, der durch die üppigen HP-Balken der Widersacher mehrere Dutzend Kampfrunden lang andauern wird und von Anfang bis Ende vollste Konzentration erfordert. Entsprechend fallen jedoch auch die Erfolgserlebnisse aus: Aufgrund der ständig präsenten Gefahr freuen wir uns über jedes Level-Up und jeden neu erworbenen Ausrüstungsgegenstand; und wenn endlich einer der Dungeon-Bosse ins Gras beißt, werdet ihr wahrscheinlich all eure Freunde zu einer Party einladen wollen.

Eines der größten Probleme von Etrian Odyssey V war der Umfang des Spiels. Der dritte Teil ließ seine Spieler neben dem Haupt-Dungeon eine große Seekarte erforschen - im vierten Ableger gab es gar eine komplette Oberweltkarte mit versteckten Superbossen und Mini-Dungeons. Diese Features wurden in Teil fünf jedoch plötzlich wieder ersatzlos gestrichen. Etrian Odyssey Nexus geht einen Kompromiss ein und lässt uns auf einer Oberweltkarte verschiedene Dungeons auswählen, wo es neben den klassischen, aus fünf Ebenen bestehenden Haupt-Dungeons auch wieder einige kleinere Verliese zum Erforschen gibt. Der wieder etwas größere Umfang des Spiels hat jedoch einen großen Haken: Ein sehr signifikanter Teil der Spielinhalte wurde aus den ersten vier Serienablegern kopiert, sodass Etrian Odyssey Nexus eher ein Best-Of-Album als eine echte Neuentwicklung darstellt.

Diese Herangehensweise hat durchaus auch Vorteile: Serienfans werden ihre helle Freude daran haben, aus den verschiedensten Charakterklassen bisher unmögliche Kombinationen zusammenzustellen und diese in den Verliesen zu testen. Dass darüber hinaus aber auch die meisten Charaktere, Musikstücke, Monster und ganze Dungeon-Konzepte aus den Vorgängern wieder aufgewärmt wurden, dürfte bei einigen Spielern allerdings für Bauchschmerzen sorgen. Zwar erforschen wir in den Verliesen neue Karten, allerdings müssen wir dort dieselben Rätsel lösen, um die gleichen FOEs zu umgehen, die uns bereits in den Vorgängern drangsaliert haben. Dieses Konzept mag auf den ersten Blick vielleicht sogar ganz interessant klingen, aber bei unserem Test wirkte sich der Deja-Vu-Effekt manchmal doch recht negativ auf den Spielspaß aus.

Fazit:

Etrian Odyssey Nexus ist das Videospiele-Äquivalent einer Greatest-Hits-CD, die neben zehn bereits bekannten Musikstücken noch zwei bis drei bisher unveröffentlichte B-Seiten enthält. Statt einer echten Neuentwicklung bekommen Serienfans also eine Art Crossover, das aus Bestandteilen der ersten vier Spiele zusammengebaut wurde. Atlus hat dieses Konzept geschickt vermarktet: Die Möglichkeit, aus 19 verschiedenen Charakterklassen unzählige neue Kombinationsmöglichkeiten zu bilden, wird in den Pressetexten laut angepriesen und lässt den meisten Serienfans das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wenn diese dann nach den ersten Spielstunden feststellen, dass zusätzlich auch die meisten Gegner, Musikstücke und im Prinzip sogar ganze Dungeons einfach aus den alten Teilen übernommen wurden, wird vielen von ihnen jedoch wieder der Appetit vergehen. Das eigentliche Gameplay funktioniert weiterhin, da der hohe Schwierigkeitsgrad und die damit verbundenen Erfolgserlebnisse so motivierend sind wie eh und je. Aber selbst dieses Konzept hat sich mittlerweile etwas abgenutzt. Etrian Odyssey Nexus ist somit vor allem eins: Ideenlos.

Unsere Wertung:
7.0
Andreas Held meint: "Kein neues Gericht, sondern ein Auflauf aus wieder aufgewärmten Zutaten - der zwar schmeckt, aber niemanden so wirklich begeistern wird."
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2 Kommentare:
DarthRegnat)
DarthRegnat
Am 12.02.2019 um 19:34
Danke für den Test.

Ich würde aber noch im Test erwähnen, dass Etrian Odyssey Nexus der letzte Teil der Reihe für den Nintendo 3DS darstellt und das Ganze hier daher auch eine Art Abschiedsparty sein will bevor man mit der Reihe auf das nächste System weiterzieht. ^^
Denios)
Denios
Am 13.02.2019 um 00:27
der 3DS hat echt viel zu bieten, selbst wenn man sich nur das Genre der JRPGs ansieht. tolles Teil... aber es wird langsam mal Zeit, den Löffel abzugeben :D :D :D
von Etrian Odyssey hab ich nur Teil 1 hier rumfliegen. Ich hab aber glaube ich fast alle Demos zu den 3DS-Teilen geladen und auch ein wenig gespielt, weil ich die irgendwie mögen will, es aber doch nicht tu (Dungeon Crawler sind einfach nicht meins^^).