
Marvel's Spider-Man
Weit und breit ist kein neuer Film zum Spinnen-Mann in Sicht und auch der letzte Kinoauftritt von Marvels ikonischem Comichelden liegt bereits über ein Jahr zurück. Umso erstaunlicher, dass Sony sich den eher schüchternen Peter Parker ausgesucht hat, um seinen alter Ego in Form des berüchtigten Helden auf Verbrecherjagd zu schicken. Die Geschichte, die in dem Videospiel erzählt wird, ist dabei ganz und gar kinoreif und ein ebenbürtiger Ersatz für die Spielfilme. Die Story selbst stimmt zwar mit keiner bisher veröffentlichten Geschichte hundertprozentig überein, allerdings verstecken sich an allen Ecken und Enden viele Anspielungen auf die Comics, Kinofilme und was es sonst noch zu „Spidey“ gibt. Mehr noch, die ausgewählten Darsteller sind so gut, dass sie die Kinofiguren teilweise gar erblassen lassen. So wirkt Peter Parker zwar immer noch wie ein nerdiger Einzelgänger, hat aber längst mehr Charme, als beispielsweise ein Tobey Maguire in der Hollywood-Fassung. Und wie bezaubernd Mary-Jane im Spiel gelungen ist, will ich an der Stelle nicht weiter ausführen.
Erzählerische Meisterleistung
Der erste ganz große Höhepunkt des Spiels beginnt mit dem - wenn man es denn so nennen mag - Tutorial, denn hier legt der Titel gleich volles Rohr los und gibt einen Vorgeschmack auf das, was die nächsten etwa 20 Stunden auf die Spieler zukommt. Auf die Geschichte werde ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, diese muss man einfach selbst erleben. Nur soviel: die Schreiber brauchen sich in keinster Weise vor den großen Streifen aus der amerikanischen Traumfabrik verstecken und haben auf der PlayStation ein Werk abgeliefert, welches als Filmschnitt jedem aktuellen Blockbuster Paroli bieten könnte. Dazu tragen vor allem die bereits erwähnten Darsteller bei, allen voran der bestens inszenierte Protagonist. Als Peter Parker noch relativ schüchtern läuft der maskierte Spinner in voller Tracht zu Hochform auf. Ganz egal wie wild das Kampfgetümmel auch sein mag, Spider-Man ist nie um einen frechen Spruch verlegen und bringt den Spieler vor dem Schirm das ein ums andere Mal kräftig zum Schmunzeln.
Marvels PlayStation-4-Titel ist spielerisch gesehen ein Open-World-Spiel. Das ist Segen und Fluch zugleich, wobei nach wie vor die Geschichte im Vordergrund steht. Die offene Spielwelt ist nur als Beiwerk zu betrachten und dient einzig und allein dazu, die Spielzeit in die Höhe zu treiben. Doch genau hier liegt eine weitere Stärke des Spiels. Manhattan ist so unglaublich detailliert und groß, dass man es zu Fuß gar nicht bereisen mag. Mit einem Auto bewegt sich Mann von Welt heutzutage auch nicht mehr, weswegen „Spidey“ die coolste aller Möglichkeiten für sich beansprucht: Er schwingt sich mithilfe seiner Netze elegant durch enge Gassen, entlang der überdimensionalen Wolkenkratzer und vorbei an allerhand bis zur Perfektion ausgestalteten Wahrzeichen von New York City. Das klingt nicht nur spaßig, sondern lässt gerne auch mal vergessen, was man eigentlich für eine Aufgabe hat. Selbst wenn der geneigte Videospieler nach einem harten Arbeitstag mal keine Lust mehr auf Vidospiele hat, mit Spider-Man ein wenig um die Häuser schwingen geht immer.
Open World mit Tücken
Es gibt jedenfalls einiges zu tun und Langeweile sollte nicht aufkommen. So gilt es, neben dem Abschließen unterschiedlicher Sammelaufgaben, kleinere Verbrechen aufzuklären oder halsbrecherische Verfolgungsjagden zu überstehen. All das und die Aufgaben der Hauptstory bringen Erfahrungspunkte, mit denen man seinen Superhelden aufbessert und neue Kostüme freischaltet. Doch abseits dessen wirkt die offene Spielwelt wie eine große Statistenrolle und verschenkt eine ganze Menge Potential. Überall sind Menschen, überall ist Leben auf der Straße und dem Spieler selbst kann das sowas von egal sein. Interaktionen, wie zum Beispiel das Annehmen von Nebenaufgaben, sind durch Symbole im Spiel gekennzeichnet. Die Welt, so schön und umfangreich sie auch sein mag, wird einfach nicht so richtig ins Spielgeschehen mit eingebunden.
Unser tollkühner Held schwingt nicht einfach von einem Ort zum anderen, sondern kommt auch um einige Kampfhandlungen nicht herum. Stupides draufhauen ist da meistens mit dem digitalen Ableben verbunden, da oft schon ein bewaffneter Bösewicht ausreicht, um ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten. Vielmehr muss Spider-Man sich seiner vielfältigen Fähigkeiten bedienen, um im Kampfgetümmel die Oberhand zu behalten. Netzangriffe, um seine Feinde einzuwickeln oder zu entwaffnen, können einen erheblichen Vorteil bei Gegnerhorden bringen. Außerdem lassen sich Gegenstände via Netzangriff auf Feinde schleudern. Was dann noch übrig bleibt, kann bei entsprechend aufgefüllter Fokusleiste mittels opulent inszeniertem „Finishing-Move“ aus dem Weg geräumt werden. Wer die taktischen Mittel nutzt und die örtlichen Gegebenheiten bestens im Auge behält, wird schnell die Finessen der Kampfsteuerung für sich entdecken. Allerdings kann es hier und da zu unübersichtlichen Momenten während der Kämpfe kommen. Zwar wird angezeigt, aus welcher Richtung die größte Gefahr kommt, jedoch ist es nicht immer einfach, genau darauf zu reagieren und dabei den Rest der Feinde so im Auge zu behalten, dass man nicht dem nächsten Gefahrenherd zum Opfer fällt. Hier und da kann es bei großen Arealen und vielen Feinden schon einmal hektisch werden und man verliert das eine oder andere digitale Leben.
Aus technischer Sicht gibt es hier wohl einen der schönsten PlayStation-4-Titel überhaupt. Das zu behaupten ist relativ gewagt, immerhin sind God of War und Shadow of the Colossus bereits über meinen Schreibtisch gewandert und haben beide mehr oder weniger für Meilensteine gesorgt. Spider-Man setzt da aber locker noch einen drauf. Die Stadt New York ist bis in Detail sauber ausgearbeitet, die Lichteffekte sehen fantastisch aus und der Weitblick ist überwältigend. Der Spieler sitzt auf der Spitze eines Wolkenkratzers bei Sonnenuntergang, blickt in die Ferne und sagt sich: da will ich hin. Worauf warten? Marvel's Spider-Man macht das möglich. Dank Wetterwechsel regnet es auch mal und ein Tag-und-Nacht-Rhythmus ist je nach Hauptmission sowieso drin. Ob hell, dunkel, trocken oder nass – dieses Spiel glänzt in jedem Augenblick und hat stets die passende Stimmung. Dazu kommen die bereits hochgelobten Darsteller, die perfekt gecaptured wurden. Auch die Synchronisation gibt sich keine Blöße und unterstreicht die Ambitionen einer großen Videospiel-Produktion. Untermalt wird das komplette Spielgeschehen von einem Musikorchester, das je nach Gelegenheit mal mehr, mal weniger das Spielgeschehen gekonnt in Szene setzt.
Fazit:
Glückwunsch, Sony! Mit Marvel's Spider-Man habt ihr einen Exklusivtitel auf eure PlayStation 4 gebracht, der nicht nur die Konkurrenz vor Neid erblassen lässt, sondern der auch der vielen Vorschusslorbeeren gerecht wurde. Was da storytechnisch auf die Beine gestellt wurde, reicht aus, um große Hollywood-Produktionen samt deren Darsteller etwas neidisch aus der Wäsche blicken zu lassen. Selten hat man eine Comic-Geschichte so einwandfrei in einem Videospiel erzählt bekommen wie in diesem Werk. Und man merkt dem Spiel an, dass sich die Schreiber zwar an gewisse Grundsätze der Comics hielten, sich bei der Story selbst aber frei entfalten durften. Spielerisch gibt es nur ganz wenig an Spider-Man auszusetzen. Das Erkunden der Stadt ist eine wahre Freude und die unterschiedlichen Aufgaben lassen nie Langeweile aufkommen. Nur die unübersichtliche Kämpfe, die hin und wieder auftreten, können für Frustmomente sorgen. Weitere Abzüge gibt es für die offene Spielwelt, die zwar groß ist, jedoch insgesamt trotz üppiger Füller sehr optional und desinteressiert wirkt. Jedoch sollten die wenigen Kritikpunkte kein Grund sein, um sich nicht das Kostüm einer maskierten Spinne überzuziehen. PlayStation-4-Besitzer, die keine gänzliche Abneigung gegen Superhelden haben, greifen hier voller Freude zu.
Zweite Meinung von Lars Peterke:
Na, das wurde aber auch Zeit. Endlich bekommt Spider-Man mal wieder ein Videospiel spendiert. Und dann auch noch von den renommierten Entwicklern von Insomniac Games. Da mein Kollege Michi ihn nicht in seinem Review untergebracht hat, bietet sich hier der Spruch „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“ an. Diesem werden die Entwickler in fast allen Belangen gerecht. Das Gameplay ist erhaben und man könnte stundenlang mit Spidey durch die Schluchten von New York schwingen. Das recht brawl-lastige Kampfsystem ist dabei schon auf normalem Schwierigkeitsgrad angenehm fordernd und verlangt die Erlernung aller Techniken. Dazu gesellt sich ein toller Soundtrack und eine gelungene Handlung, die insbesondere durch die Art des Storytellings extrem punkten kann und echtes Marvel-Movie-Flair versprüht. Klare Abzüge bei der Topwertung muss der Titel aber aufgrund des mäßigen Designs der Spielwelt hinnehmen. Die Oberwelt folgt in weiten Teilen dem Reißbrett-Design klassischer Ubisoft-Titel wie Assassin's Creed Black Flag und ist damit nicht mehr ganz zeitgemäß. Die kleinen Nebenaufgaben fügen sich storytechnisch zwar gut in das Spiel ein, werden aber recht schnell redundant. Und die etwas größeren Nebenaufgaben schaffen es leider nicht, der Haupthandlung in Sachen Inszenierung das Wasser zu reichen. Somit ist Spider-Man für die PS4 zwar nicht der ultimative Kracher, wie es seinerzeit Arkham City war, dennoch schwingt Spidey mit Leichtigkeit auf die oberen Ränge der besten Action-Adventures der letzten Jahre.



