Kommentar: Online-Gaming bei Nintendo
Der Release von Splatoon 2 auf Nintendos Hybridkonsole liegt nun ein Jahr zurück. Das Spiel konnte sich seitdem hervorragend weiterentwickeln und Nintendo wagt nun sogar erste eigene Schritte in den eSport. Einige Elemente des Spiels lassen Nintendos kompetitiven Ansatz erkennen: Splatoon 2 bietet nicht nur ein unendliches Level Cap, sondern auch einen sogenannten Rang X für Top-Spieler.
Spieler mit einem X-Rang können sich eine Wertung zulegen, um am Ende eines Monats als bester Spieler mit einer Krone ausgezeichnet zu werden. Teams müssen nicht mehr auf private Kämpfe zurückgreifen, sondern können im Ligakampf gegen die ganze Welt antreten und zwei Stunden lang eine Höchstwertung erzielen, um am Ende im Ranking Bronze, Silber oder gar Gold zu erreichen.
Seit Splatoon auf der Wii U veröffentlicht wurde, wächst eine private Gamer-Szene, die heute als „League under the Ink“ bekannt ist. Auf der E3 bewarb Nintendo darüber hinaus ihre eigene Splatoon-2-Weltmeisterschaft, im O-Ton World Championship genannt.
Meine persönlichen Erfahrungen mit Splatoon 2 waren hervorragend. Ich habe mit drei weiteren Leuten eine Gruppe gebildet. Obwohl ich nie großer Online-Shooter-Fan war, konnten mich die kleinen Inklinge direkt packen; vor allem das frische Gameplay reizte mich enorm. Splatoon ist mehr als nur stumpfsinniges Rennen und Schießen; in einem Team muss jedes Mitglied eine andere Rolle einnehmen.
Wer erfolgreich sein möchte, muss taktisch vorgehen: Das Verteilen der Tinte und Umherschwimmen in der eigenen Farbe, die Teamkonstellation samt Aufgabenverteilung, die Verschmelzung der Mitglieder zu einem Team, in dem jeder seine Aufgaben bekommen hat und das wie ein Uhrwerk funktioniert. „Ein Spieler nimmt den Goldfisch, die anderen schalten Gegner aus, einer bleibt zurück zur Rückendeckung.“ - so werden Matches oft über die Taktik entschieden. Doch auch die Auswahl der Waffen ist entscheidend, um den Bedarf an passenden Spezialangriffen und Sekundärwaffen zu decken. Ich bin nun bei fast 1000 Spielstunden und irgendwann musste ich mir dann doch eingestehen: Nintendo hat sich bei dem Schritt in den eSport leider verkalkuliert.
Wir können sicherlich viel über Nintendo schimpfen, obwohl der Großteil der Kritikpunkte meist sehr subjektiv ist. Selbst der beinahe allgemeinen Enttäuschung über die vergangene E3 stehen viele Smash-Bros-Fans gegenüber, für die Nintendos Auftritt kaum besser hätte sein können. Ich persönlich kam mit Super Smash Bros., Fire Emblem und Pokémon Let's Go ebenfalls voll auf meine Kosten. Wer mit Nintendos Spielen wie Xenoblade Chronicles 2, Super Mario Odyssey, The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder Splatoon 2 nichts anfangen kann, dürfte ohnehin kaum von der Direct betroffen gewesen sein. Selbst die vielkritisierten Ports wie Bayonetta 2, Donkey Kong Country Tropical Freeze oder Captain Toad Treasure Tracker können für Leute wie mich ein Segen sein, denn so konnte ich einige der auf Wii U verpassten Titel prima nachholen.
Beim Spiele-Lineup gibt es also immer zwei Seiten der Medaille. Ein bestimmter Aspekt hingegen kann durchaus objektiv und von sämtlichen Sichtweisen aus kritisiert werden, denn Nintendo ist hier bis heute noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen. Die Rede ist natürlich vom Online-Gaming.
Schon auf der Wii war das Online-Spiel im Gegensatz zu den Konsolen der Konkurrenz und dem PC rudimentär und auch während der Lebensdauer der Wii U war kaum eine Besserung in Sicht. Nun befindet sich Nintendo mit der Switch in der dritten Generation der konkret onlinefähigen Konsolen und wieder führen unnötige Probleme zu einer Einschränkung der Spielerfahrung. Da wären beispielsweise die nicht vorhandenen dedizierten Online-Server.
Wer kennt das Problem nicht: Ihr fahrt in Mario Kart online, trefft einen Mitspieler mit einem Panzer voll ins Schwarze und der Kontrahent fährt aufgrund einer schwachen Internetverbindung einfach ungestört weiter. Wer mit Verbindungsproblemen kämpft, ist hier klar im Vorteil. Dieser Zustand ist auch in Splatoon 2 keine Seltenheit. Das ganze System läuft statt auf einem dedizierten Server über „Peer-to-Peer“. Doch was bedeutet das genau?
Online-Spiele mit einem richtigen Server senden sämtliche Spielerdaten zu genau diesem Server. Dort werden sie überprüft und zurückgeschickt. Schießt ihr also in die Richtung eines Gegners, werden diese Daten direkt zum Server geschickt. Dort werden der Standpunkt des Gegners und eures Projektils überprüft und verglichen; erfolgt eine entsprechende Übereinstimmung, kommt es zum Treffer. Das alles geschieht im Normalfall blitzschnell und sorgt für eine faire Erfahrung. Habt ihr technische Probleme, könnt ihr einen Gegner zwar auf eurem Bildschirm klar getroffen haben, der Server weiß aber, dass sich besagter Gegenspieler gar nicht mehr an der Position befindet, wo ihr ihn seht, da eure schlechte Verbindung für eine zu langsame Aktualisierung des Bildes sorgt. Das Resultat: Der Gegner ist geschützt.
Ist das gut? Ja! Denn dadurch haben nur Leute mit einer schlechten Verbindung einen Nachteil. Es ist fair, da sie durch ihre fehlerhafte Übertragung nicht das komplette Spiel manipulieren. Alles spielt sich also so wie vorgesehen ab. Die Wichtigkeit dieses Systems wird noch deutlicher, wenn wir es mit dem echten Leben vergleichen: Habe ich an meinem Auto keine Rück- und Seitenspiegel und biege dann ohne Schulterblick ab, bin nur ich allein daran Schuld, dass der arme Radfahrer jetzt im Krankenhaus liegt. Bei Nintendo wäre es momentan so, dass der Umgefahrene für ein neues Fahrrad aufkommen und auch noch den Blechschaden an meinem Auto bezahlen muss.
Gehen wir zurück zu Splatoon. Dort gibt es keinen Server, sämtliche Spiele laufen über einen Host. Dieser Host bekommt zwar einige Informationen eines Nintendo-Servers, etwa die Map- und Modusrotation, der oben beschriebene Rest aber wird komplett über den Host geführt. Sollte es also dazu kommen, dass ihr den Goldfisch nach dem Einsammeln erst zwei Sekunden später bekommt oder sich der Turm in Turm-Kommando nur stockend fortbewegt, hat der Host eine schlechte Verbindung. Es besteht dann sogar die Gefahr, dass die ganze Lobby zusammenbricht – und dies ist nicht einmal der schlimmste Aspekt.
Solltet ihr selbst unter einer schlechten Verbindung leiden, werden alle Informationen langsamer übertragen und empfangen. Dies bedeutet, dass ihr Gegner an Positionen sehen könnt, an denen sie sich schon lange nicht mehr befinden. Im Gegensatz zum Server-basierten Onlinespiel könnt ihr sie allerdings weiterhin treffen, da kann der Gegner noch so sehr eigentlich in Deckung sein. Zusätzlich könnt ihr bei einem Ableben aufgrund der Verzögerung noch weitaus länger auf einen Gegner schießen, als es eigentlich vorgesehen ist. So wirkt ein Kontrahent auf euch manchmal so, als hätte er deutlich mehr Gesundheit als die restlichen Spieler.
Die Standardtrefferanzahl bis zu einem Kill in Splatoon 2 ist von der Waffe abhängig und reicht von zwei bis fünf Treffern. Spielt ihr also eine Waffe, die einen Gegner mit zwei Schüssen ausschaltet, dann braucht ihr auch immer nur zwei Schüsse. Benötigt ihr trotzdem drei oder mehr Schüsse, verfügt der angegriffene Spieler offensichtlich über eine schlechte Verbindung. Das führt zu dem Phänomen, dass ihr einfach nur zweimal in die Richtung des Gegners schießen müsst und dann abhauen könnt, woraufhin der Gegenspieler wenige Sekunden später stirbt. Um den Autovergleich heranzuziehen: Nach Nintendos Richtlinien dürfte ich durchaus mit meinem defektem Auto herumfahren. Sollte es zu einem Unfall kommen, wäre der andere Fahrer schuldig; schlimmstenfalls sogar wir beide.
Im folgendem Video zeige ich genau auf, wie extrem das beschriebene Problem sein kann. Man sieht mich ganz klar hinter einem Gegner, den ich mehrfach treffe. Ich sterbe trotzdem vor ihm, nehme ihn aber kurz darauf mit in den Tod, weil... Verbindung.
Dazu kommen dann noch generelle Performanceprobleme. Da man seine Spielinformationen nicht nur zu einem Server schickt und von diesem empfängt, sondern sämtliche Daten an alle anderen Spieler sendet, bzw. von allen anderen Spielern empfängt, wandern unnötig große Datenmengen durch die Leitung. Nintendo hätte für die Onlinespiele dedizierte Server einrichten müssen, damit ein für alle Spieler faires System angeboten werden kann. Momentan leiden vor allem die Spieler mit einer guten Verbindung unter den schlechteren Leitungen der anderen Teilnehmer.
So kommt kein faires und befriedigendes Spielgefühl auf und ständig lenken Fragen vom Match ab: Habe ich den Spieler vor mir doch nicht getroffen oder wieso fährt er weiter? Ist die Smash-Bros.-Lobby wegen mir so langsam oder liegt es am anderen Ende? Lohnt es sich, gegen einen Inkling zu kämpfen, den ich ohnehin nicht töten kann? Am Ende ist das Online-Match auf einer Nintendokonsole so willkürlich wie eine Runde Mario Party, bei der sich jeder Teilnehmer die Augen verbunden hat.
Da der Aufwand einer Serverintegration zu groß wäre - die Netzcodierung der aktuellen Online-Spiele müsste komplett überarbeitet werden - wird auch mit dem ab September kostenpflichtigen Online-Service keine Verbesserung im Online-Multiplayer erkennbar sein. Ich wage sogar die Behauptung: Nintendo will zumindest für die Switch keine Server haben, denn im lokalen Modus ist Peer-to-Peer mit einem Host zwingend erforderlich. Somit war es für den Publisher viel bequemer, den lokalen Netzcode für das Online-Gaming einfach zu übernehmen.
Habt ihr ähnliche Erfahrungen in Nintendos Onlinespielen machen müssen? Oder seid ihr sogar Verfechter des Peer-to-Peer? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!
Persönlich finde ich dedizierte Server besser. Vermutlich weil ich in Deutschland wohne und wir hier generell sehr gutes und schnelles Internet bekommen und ich gerne 5 Euro mehr für eine gute Latenz zahle (ist das dann im weitesten Sinn eigentlich schon Pay to win?).
Die Jahre, die ich in Irland gelebt habe, haben mir aber gezeigt, dass schnelles Internet aber eben auch in Europa noch keine Selbstverständlichkeit ist und würde ich dort noch leben, würde ich für die lokalen Umstände (und ab September auch als zahlender Kunde) natürlich nur höchst ungern mit ewiger Chancenlosigkeit abgestraft werden.
Ob Nintendo das so geplant hat, oder einfach nur faul war, kann ich natürlich nicht sagen, aber global gesehen könnte es tatsächlich Sinn machen.
Ist ein schwieriges Thema und mMn ein zweischneidiges Schwert.
Zum Thema Fairness: Wenn eine Person eine schlechte Internetverbindung hat ist das ja in aller Regel nicht ihre eigene Schuld, sondern dem Umstand geschuldet, dass schnelles Internet in ihrer Region schlicht nicht verfügbar ist. Gerade in Deutschland auf dem Land soll dieses Problem ja ziemlich brutal ausgeprägt sein. Und da finde ich es dann auf jeden Fall viel fairer wenn alle Spieler gleichermaßen unter dem Problem zu leiden haben als wenn die schlecht angebundenen systematisch gegenüber den gut angebundenen benachteiligt werden.
Beide Techniken haben Vor und Nachteile und gerade aus Kostengründen verstehe ich Peer to Peer schon. Vielleicht wäre es eine Option, wenn man Leute mit schlechter Verbindung einfach nur unter sich fahren lässt.