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Nintendo Labo: Gefloppt oder einfach nur anders erfolgreich?

Von Stefan Finke am 07.07.2018

Schon ganze 13 Jahre ist es her, seit der damalige Nintendo-Präsident Satoru Iwata mit viel Selbstbewusstsein die Nintendo Wii erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Dabei hatte zuvor wohl niemand erwartet, dass letztendlich kleine Fernbedienungen in der Luft herumgewedelt werden müssen, um Tennis zu spielen. Die Konkurrenz lehnte solche verrückten Ideen zunächst ab und sprang erst nach dem phänomenalen Erfolg der Konsole auf den Zug der Bewegungssteuerung auf. Nintendo verfolgte aber auch eine Reihe von missglückten Projekten, wie zum Beispiel den Nintendo Power Glove, den Virtual Boy und im Prinzip auch die Nintendo Wii U, die sich aufgrund ihres Konzepts, der Vermarktung und der mangelnden Nutzung des Gamepads am Ende nicht richtig auf dem Markt durchsetzten konnte. Mit der Switch befindet sich Nintendo nun wieder auf einem Höhenflug und scheut auch nicht davor zurück, abermals mit innovativen und verrückten Ideen zu experimentieren. Nintendo Labo war geboren.

Top oder Flop, für wen und warum?

Man könnte dazu neigen, Labo in eine Kategorie mit Nintendos erfolgreichen bzw. erfolglosen Peripherie-Projekte einzustufen. Viele waren beim Ankündigungs-Trailer entweder verwirrt, euphorisch oder skeptisch, aber nur schwer konnte man abschätzen, ob Nintendo Labo wirklich etwas taugt. Durch unseren ausführlichen Hands-On Bericht vom Nintendo Presseevent in Hamburg konnte man sich schon eine Idee machen, für wen Nintendo Labo sich eigentlich eignet. 

Auch nach dem ausführlichen Testen daheim kann nur bestätigt werden, was sich schon beim Hands-On abzeichnete: Wer vermutet, viele Spielstunden mit Labo „serviert“ zu bekommen, der schneidet sich am Ende an der Pappe. Labo ist für diejenigen geeignet, die ihre eigenen Projekte, Ideen und verspielten Abenteuer wagen wollen. 

In Japan fand Nintendo Labo relativ guten Anklang und konnte sogar den neuesten Giganten der God-of-War-Reihe in den Charts übertrumpfen, während es im Westen genau andersherum lief. Hier konnte sich Nintendo Labo nur bis auf den dritten Platz der Verkaufscharts mustern.
Nichtsdestotrotz hatte Nintendo sich mehr von Labo erhofft, denn lediglich ein Bruchteil des gelieferten Vorrats wurde tatsächlich auch abverkauft. Das Multi-Set konnte am ehesten überzeugen, so verkaufte sich nur ein Roboter-Set auf jedes dritte Multi-Set. Auch konnten sich die Verkaufszahlen nicht halten und somit bleibt Nintendo Labo größtenteils in den Regalen liegen, wo sonst amiibo-Figuren, die Mini-Konsolen-Serie und die Nintendo Switch selbst doch in ihrem Veröffentlichungszeitraum komplett vergriffen waren. Nintendo machte erst jüngst Nintendo Labo mit Mario Kart 8 Deluxe kompatibel und riss Nintendo Labo damit wieder kurzzeitig in die sozialen Medien, aber selbst unter Labo-Besitzern wird dies nur jüngere Spieler auf Dauer entzücken.

Der initiale Buzz kam sicherlich von der Sonderlichkeit, die sowohl das Konzept als auch das Material mit sich brachten. Wieder einmal stößt Nintendo zuerst mit ganz anderen Ideen vor, wo die Konkurrenz sich brav an ihre klassischen Blockbuster hält. Dies motivierte einige Neugierige, sich an Labo zu versuchen, auch wenn sie sonst vielleicht nicht so viel mit dem heimischen Basteln am Hut haben. Andere wiederum blieben von Anfang an fern von der verspielten Heirat von analog und digital - und dies vielleicht auch zurecht. Nintendo Labo liefert nicht viel, wenn sich jemand vorgegebene Unterhaltung für sein Geld verspricht. Es ist der Nutzer, der bei Nintendo Labo am meisten liefert und Labo ist lediglich der Spielplatz für kreative Ideen.

Die spielerische Kartonage mag zwar im klassischen Sinne nicht den erwünschten Erfolg haben und sieht in den Charts neben den gewohnt geliebten Videospielen nicht wirklich gut aus, jedoch erschließt Nintendo Labo einen kreativen Raum der sonst von Videospielen nur in manchen Genres angeregt wird. Ein kleines Pappauto zum Bewegen bringen - das mag nicht die spielerische Tiefe eines God of War besitzen, dennoch ist es sehr begreifbar und kann von viel mehr Leuten genossen werden, als nur vom klassischen Gamer. Und in genau diesen Bereichen zahlt sich Labo aus, vielleicht nicht in dem Maß, dass man von einem Erfolg sprechen muss, aber doch wurde immerhin etwas geschaffen, um kreative Ideen und wirklich coole Projekte ins Leben zu rufen.

Gebaut, Gespielt, Entdeckt

Wer Nintendo Labo einfach nur zusammenbaut und die belanglosen Minispiele spielt, die an das jeweilige Baustück gekoppelt sind, der hat bei weitem nicht ausgereizt, was Nintendo Labo eigentlich bietet. „Bauen“ und „Spielen“ sind erste Schritte, um sich mit Labo zu beschäftigen, aber erst wer beim „Entdecken“-Teil des Konzeptes angelangt ist, kann wirklich coole Dinge mit Nintendo Labo anstellen. Labo hat nämlich eine grafische Programmiersprache entwickelt, um sowohl die Funktionsbandbreite des Switch-Bildschirms als auch den der Joy-Con auszunutzen. Und genau darüber verstehen nun einige kreative Geister, ihre eigenen Instrumente zu bauen, neue simple Videospiele zu entwickeln und andere lustige Ideen zu verarbeiten. Über die heimliche Bastelstube hinweg erstreckt sich Labo aber auch in andere Bereiche. Reggie Fils-Aimé sprach erst kürzlich darüber, dass man mit Nintendo Labo versuchen wolle, Leute zu erreichen, die sonst nichts mit Videospielen zu tun haben.

Und dies schafft Nintendo tatsächlich nun auch, wie man zum Beispiel an der Nutzung von Labo an einer britischen Grundschule sehen kann. Dort nutzt ein Lehrer Nintendo Labo, um den Schülern einfache Aufgaben zu stellen. Eine dieser Aufgaben war es, einen Keks mit dem Labo Auto zu befördern. Von der Erstellung von geeigneten Papp-Erweiterungen fürs Auto bis hin zum Verständnis, wie die Vibration der Joy-Con das Auto fortbewegen, lernen die Kinder spielerisch viele Grundprinzipien von Mathe und Physik. Und genau das ist es, was Nintendo Labo an Potenzial mit sich bringt. Viele Kinder kennen Nintendo nur zu gut und somit ist eine Begeisterung schnell geschaffen, wenn man seine eigene Switch nutzen kann, um Kreativität und Lernbereitschaft zu zeigen.
Geradezu schade ist es, dass Nintendo Labo natürlich hauptsächlich Gamer erreicht, die eher nach direkter Unterhaltung suchen. Schwierig ist es daher, Neukunden zu erreichen die außerhalb der Gaming-Medien eher weniger von den Vorteilen von Nintendo Labo verstehen. Es liegt dann zumeist an der Begeisterung von Spielinteressierten, um Labo auch einer breiteren Masse vorzustellen. Nintendo hegt auch weitere Pläne, Nintendo Labo mit mehr heimischen Videospiel-Reihen kompatibel zu machen, um somit weiterhin auch die eingefleischten Gamer mit ihrer Pappe zu erreichen. Aber es bleibt abzuwarten wie Nintendo sich gegenüber den Verkaufszahlen verhält. Würden wir weitere Labo-Sets in Zukunft sehen, erhalten wir eine direkte Bestätigung dafür, dass Nintendo in den Erfolg seiner pappigen Erfahrung glaubt. Aber selbst wenn Labo noch 2018 untergehen sollte und somit eventuell als konzeptioneller Misserfolg gewertet werden könnte, so steht schon eines fest: Der Mehrwert eines so gewagten Vorstoßes in die analoge Welt ist geschaffen. Viele Nutzer haben bereits interessante Kreationen gebaut und Labo verknüpft Generationen. In anderen Kontexten, wie im Klassenunterricht, konnte Labo sich als echte Bereicherung bewähren.

Wir sagen: Labo ist cool. Bei den meisten Spielern entpuppt sich Labo zwar höchstwahrscheinlich als ein teurer Staubfänger. Doch vielleicht werden dank Labo andere Hersteller mit eigenen Ideen auf den Plan treten, die Videospiele mit dem Analogen sinnvoll verknüpfen und tatsächlich neue Wege zum Spielen erschließen. Keine E3 auf dieser Welt kann den Fortschritt wettmachen, den Labo bereits in seinen wenigen Monaten Existenz erschlossen hat. Wir sind weiter gespannt!

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2 Kommentare:
Tobsen)
Tobsen
Am 07.07.2018 um 16:33
Eine schöne Kolumne, die alle Fürs und Widers anspricht.
Ich gehöre ganz klar zur Gruppe der Unkreativen: Ich kaufe ein Unterhaltungsprodukt und möchte davon unterhalten werden. 70€ oder mehr für eine unterdurchschnittliche Minispielsammlung mit Mini-Umfang sind mir dafür einfach zu viel. Und 70€ für ein (meiner Auffassung nach ist das Labo halt im Kern totz allem) Videospiel, das erst Spaß macht, wenn man sich es gewissermaßen selbst programmiert... Hmm, ich weiß ja nicht.
Labo ist halt irgendwie nice für Nintendos Kuriositäten-Portfolio, aber ich denke nicht, dass da noch großartig was kommen wird.
Matthew1990)
Matthew1990
Am 07.07.2018 um 18:04
Genau die Einschätzung, die ich von Labo auch habe. Ich selbst bin leider zu unkreativ, aber gerade kreative Köpfe können sich da an Mario Maker oder Labo ordentlich austoben und konnten schon so einige interessante Produkte entwerfen.