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Aragami: Shadow Edition

Von Jeremiah David am 08.06.2018
Es beinhaltet das Hauptspiel samt Koop-Multiplayermodus, alle DLCs (verschiedene Skins für den Hauptcharakter) und die Erweiterung Nightfall. Wir haben die Shadow Edition für euch unter die Lupe genommen.

Das Hauptspiel: Aragami

Unser Protagonist, der optisch einem ganz in schwarz gekleideten Ninja mit rotem Cape und weiß leuchtenden Runen am Rücken gleicht, erwacht zu Beginn des Spiels am Rande eines großen Anwesens. Er hebt seine Hände dem Mondlicht entgegen, sieht sich vorsichtig um. Eine Stimme ruft nach ihm. Er kann sich nicht an seinen Namen erinnern, ebenso wenig weiß er, wie er an diesen Ort gekommen ist. Tatsächlich kann er dieses Wissen gar nicht besitzen, denn er wurde praktisch erst vor Sekunden geboren. Er ist ein Aragami; ein Rachegeist, der nur aus Schatten besteht und durch Magie erschaffen wurde, um einem Mädchen namens Yokami zu helfen.

Yokami ist eine blasse, weißhaarige Schönheit, die unserem Aragami sogleich als Geistergestalt erscheint und mit wenigen Worten erklärt, was wir sind und wieso wir von ihr heraufbeschworen wurden. So erfahren wir rasch, dass unsere einzige Aufgabe darin besteht, sie zu befreien. Sie wurde vom gefürchteten Kaiho-Clan entführt und wird mit Hilfe von sechs Talismanen gefangen gehalten.

Während einer Art Tutorial lenkt Yokami uns daraufhin durch einen Friedhof und bringt uns die Grundmechaniken des Spiels bei: Unser Dasein als Schatten hat zur Folge, dass wir Energie verlieren, wenn wir uns durch zu hell beleuchtete Gebiete bewegen. In der Dunkelheit regeneriert sich unser Zustand allerdings wieder, außerdem können wir uns innerhalb eines bestimmten Radius auf magische Art und Weise von einem Schlagschatten zum nächsten teleportieren. Letzteres ist besonders wichtig, denn so können wir verschlossene Tore überwinden, uns über Mauern beamen oder uns strategisch günstig hinter nichtsahnenden Gegnern platzieren, um diese mit unserem Katana lautlos ins Jenseits zu befördern. Fast das gesamte Gameplay wurde dieser Fähigkeit untergeordnet, wodurch sich Aragami ein wenig wie Dishonored spielt, nur ohne die meisten der zusätzlichen Kräfte und aus einer Beobachterperspektive anstelle der dortigen Egoperspektive. Erblicken uns die Krieger des Clans, schlagen sie wie die Gegner in Dishonored Alarm. Selbiges passiert auch dann, wenn sie Leichen ihrer Kameraden finden, wobei unser Aragami schon früh im Spiel eine Fähigkeit erwerben darf, mit deren Hilfe er Körper spurlos verschwinden lässt.

Damit unser Schattengeist sich nicht als übermächtiger Dämon durch die Gegner kämpfen kann, vermag er seine Fähigkeiten nicht unbegrenzt einzusetzen. Der Einsatz jeder Spezialfähigkeit kostet Energie. Es gibt 21 mehr oder minder unterschiedliche  Fähigkeiten, die nach und nach durch das Finden von Schriftrollen freigespielt werden und uns Gegner beispielsweise aus der Distanz töten oder durch Wände hindurch sehen lassen. Wie viel Energie hierfür zur Verfügung steht, wird durch die Leuchtkraft der Linien und mit besonderen Runen auf dem Cape angezeigt. Im Dunkeln leuchten die Linien logischerweise besonders stark, im Licht einer Lampe oder Fackel sind sie dagegen kaum sichtbar.

Die Wachen patrouillieren in vorprogrammierten Bahnen die Umgebungen, weichen jedoch von diesen Strecken ab, wenn sie ein Geräusch vernehmen oder unseren Aragami kurz erblicken. Gefährlich sind sie vor allen Dingen durch ihre hohe Anzahl. Einen einzelnen Gegner auszuschalten ist nicht schwer, ein Gebiet mit mehreren, sich regelmäßig kreuzenden Wachen stellt hingegen eine echte Herausforderung dar, erst recht wenn Bogenschützen von höher gelegenen Orten alles beobachten. Gegner, die uns endgültig entdeckt und als Feind erkannt haben, zücken schnell ein Lichtschwert oder einen Pfeil und kennen im Nah- wie im Fernkampf kein Pardon. Ein einziger Treffer genügt, um uns am letzten Checkpoint von neuem anfangen zu lassen. Im späteren Spielverlauf, der sogar Bosskämpfe bietet, zieht der Schwierigkeitsgrad selbst auf der niedrigsten der drei Stufen ordentlich an. Ohne den regelmäßigen, vorsichtigen Gebrauch von Spezialfähigkeiten stehen schnelle Tode auf der Tagesordnung. Etwas frustrierend ist zudem, dass der Aragami zwar übermenschliche Fähigkeiten besitzt, ganz gewöhnliche Dinge wie Springen oder Klettern jedoch nicht beherrscht. Selbst ein zehn Zentimeter hoher Ast am Boden wird dadurch zu einem Hindernis, das nur mit dem Einsatz einer Spezialfähigkeit überwunden werden kann.

Yokami begleitet uns auf der Suche nach den sechs Talismanen meist als leuchtendes Irrlicht, das ein wenig an Navi aus früheren Zelda-Ablegern erinnert. Hin und wieder kommentiert sie Situationen, gibt Hinweise oder teilt Erinnerungen mit uns. Letzteres passiert nach dem Auffinden eines Talismans auch stets mit einer Rückblende, die in einer comichaft gezeichneten Filmsequenz Szenen ihrer Kindheit zeigt. Diese Bilder können wir sehen, weil unser Aragami eine telepathische Bindung zur jungen Magierin besitzt.

Der mystische Beginn des Spiels lässt viele Fragen offen, weiß dadurch jedoch auch Neugier zu wecken. Wir fühlen uns genauso ahnungslos wie der Aragami, den wir steuern, und wir verlassen uns vollkommen auf Yokamis Erklärungen und führende Worte. Schön ist hierbei, dass unser Rachegeist mit der Zeit immer mehr Fragen an Yokami stellt und dabei auch seine eigene Identität zunehmend zu erforschen versucht. Wenn er ein Geist ist, der nur im Schatten existieren kann, was passiert dann nach Sonnenaufgang mit ihm? Wieso wird Yokami von den Kaiho-Kriegern gefangen gehalten? Wieso ist sie dem Clan so ungeheuerlich wichtig, dass dieser sie von einer kleinen Armee bewachen lässt? Zunächst bekommen wir nicht auf alle dieser Fragen eine zufriedenstellende Antwort. Auch später wird die Geschichte nie übermäßig komplex, weiß aber mit einigen durchaus überraschenden Wendungen gut zu unterhalten und neben dem Stealth-Gameplay zum Weiterspielen zu motivieren. Schade ist allerdings, dass die Gespräche nur aus Texteinblendungen bestehen. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es nicht.

Optisch ist das Spiel eine eigentümliche Mischung aus Tenchu und The Legend of Zelda: The Windwaker. Die relativ bunte Cel-Shading-Grafik mit minimalistischem Einsatz von Texturen erinnert an Nintendos Adventure-Klassiker, abgesehen davon bietet Aragami jedoch eine durchaus erwachsenere Präsentation. Dutzende verschiedene Tötungsanimation wurden in das Spiel integriert und Gegner verspritzen beim gewaltsamen Tod ihr Blut zwar nicht übertrieben brutal, aber doch deutlich sichtbar. Nach ihrem Ableben hinterlassen sie große, rote Flecken am Boden. Jeder erfolgreiche Mord unseres Schattengeistes wird zudem mit Punkten belohnt, die am Ende des jeweiligen Kapitels zusammengerechnet werden. Wer es schafft, eines der 13 Kapitel mit möglichst vielen Toten und möglichst schnell zu beenden, der erhält dort einen S-Rang. Wer ein Kapitel ohne Blut zu vergießen abschließt, erhält eine "Kami"-Medaille. Für das exakte Gegenteil, also das Töten ausnahmslos aller Gegner, werden "Oni"-Medaillen vergeben. Eine "Yurei"-Medaille gibt es für das Beenden eines Kapitels ohne von den Wachen entdeckt worden zu sein.

Wer sich nicht mit A-, B- oder C-Rängen begnügen oder weitere Medaillen freispielen möchte, der kann über das Hauptmenü Kapitel wiederholen und die Spielzeit des Hauptspiels dadurch ordentlich strecken. Aus acht bis neun Stunden werden so schnell deutlich mehr. Leider könnte die stark stilisierte Grafik während dieser Zeit detaillierter und vor allem abwechslungsreicher sein, und speziell beim Betreten neuer Gebiete stören Ruckler das ansonsten positive Gesamtbild. Die Steuerung geht nach einer kurzen Eingewöhnungszeit zum Glück gut von der Hand, der Sound passt ebenso zum Geschehen. Die Musikstücke, die meist aus fernöstlichen Melodien bestehen, sind dezent, werden jedoch hektischer, wenn Gegner die Suche nach unserem Aragami aufnehmen.

Die Erweiterung: Nightfall

Nightfall spielt vor den Ereignissen des Hauptspiels und lässt uns etwas überraschend keinen Aragami steuern. Stattdessen dürfen wir wahlweise eine weibliche oder eine männliche Figur übernehmen, die – weniger überraschend – ebenfalls besondere Fähigkeiten beim Umgang mit Licht und Schatten besitzt. Hyo und Shinobu verfügen über vier ähnliche Skills wie der Aragami, besitzen diese jedoch von Anfang an, sodass nichts freigespielt werden muss.

Nightfall ergänzt die 13 Kapitel des Hauptspiels um vier weitere Kapitel mit jeweils etwa 45  bis 60 Minuten Spielzeit. Wer Aragami bereits sein Eigen nennen darf, kann Nightfall auch separat dazukaufen, sollte sich dabei jedoch bewusst sein, dass die Erweiterung im Gegensatz zu Aragami, das seit dem ersten Release in 2016 mit einigen Patches versehen wurde, (noch) nicht frei von Bugs ist. Im Gegenteil! Einmal ließ sich mein Charakter nur noch geradeaus bewegen, ein andermal blieb die Kamera an einem Felsvorsprung hängen und beschloss bis zum Ableben meiner Spielfigur lustige Saltos zu drehen. An noch einer anderen Stelle fiel ich durch den Boden und schwebte unter der eigentlichen Spielewelt im virtuellen Nirvana. In solchen Fällen ist ein neues Laden des letzten Speicherpunktes meist der einzige Ausweg. Auch die Framerate-Einbrüche aus dem Hauptspiel treten in der Erweiterung häufiger und stärker auf. Die vielen Bugs machen Nightfall nicht unspielbar, aber sind in ihrer Quantität definitiv sehr störend. 

Potentielle Käufer sollten sich ebenfalls bewusst sein, dass Nightfall deutlicher auf Koop-Gameplay ausgelegt ist. Wer solo als Hyo spielt, kann die vom Computer gesteuerte Shinobu per Tastendruck für einen Tandemangriff rufen. Umgekehrt gilt dasselbe. Anders formuliert: Während ich bei Aragami das Gefühl hatte eine Einzelspielerkampagne zu spielen, die ich optional auch mit einem Freund hätte durchspielen können, so hatte ich beim alleinigen Spielen von Nightfall mehr den Eindruck ein Koop-Spiel im optionalen Einzelspielermodus anpacken zu müssen. Es ist zwar problemlos möglich Nightfall ohne Begleitung durchzuspielen, das Leveldesign wurde allerdings auf Teams zugeschnitten. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass Gegner immer wieder zu zweit einen Bereich patrouillieren und nur ausgeschaltet werden können, wenn sie voneinander getrennt oder von Hyo und Shinobu gleichzeitig angegriffen werden.

Abgesehen von diesen kleineren Unterschieden bietet Nightfall in erster Linie mehr vom Altbekannten. Die Steuerung ist exakt dieselbe wie im Hauptspiel, die Grafik und der Schwierigkeitsgrad sind trotz neuer Örtlichkeiten ebenfalls auf demselben Niveau, zumindest dann, wenn man nicht die ersten, leichteren Kapitel des Hauptspiels als Maßstab nimmt. Lediglich die Geschichte, die sich um die Suche nach einem Alchemisten dreht, setzt sich etwas von der des Hauptspiels ab, ist aber deutlich weniger spannend als die Erzählung rund um Yokami und ihrem Aragami und kaum mehr als ein Vorwand, um noch einmal als Assassine die Schatten unsicher zu machen. Nicht ganz nachvollziehbar ist zudem, wieso einige Schwächen des Hauptspiels, wie die fehlende Fähigkeit zu springen, erneut vorhanden sind. Die Entwickler hätten ruhig weiter von den ihnen bekannten Pfaden abweichen dürfen. Neue Fertigkeiten und ein interessanteres Setting hätten Nightfall zu mehr Individualität und einer eindeutigen Wertsteigerung verholfen. So wie sie ist, zeigt sich die Erweiterung jedoch nur als eine Sammlung verbuggter Bonuskapitel für Spieler, denen Aragami einfach etwas zu kurz war.

Fazit:

Aragami erfindet das Rad nicht neu und viele Features wurden in anderen Spielen wie Dishonored oder Tenchu spielerisch und technisch bereits besser umgesetzt, das Spiel bietet aber dennoch eine gelungene Story mit solider, kurzweiliger Stealth-Action in einem relativ frischen, fernöstlichen Setting. Die Beziehung zwischen dem Aragami und Yokami verleiht dem Hauptspiel eine individuelle Note, die der Erweiterung leider fehlt. Es bleibt außerdem zu hoffen, dass Nightfall noch Patches bekommt, damit die vielen kleinen Bugs den Spielspaß nicht weiter drosseln. Abgesehen davon kann das Gesamtpaket, das zum Budgetpreis angeboten wird, bereits jetzt größtenteils überzeugen.

Von uns getestet: PlayStation-4-Version

Unsere Wertung:
7.0
Jeremiah David meint: "Kurzweilige und herausfordernde Schleich-Action, die jedoch mehr Feinschliff hätte vertragen können"
Aragami: Shadow Edition erscheint für PC und PlayStation 4. Wir haben die Version für PC getestet.
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