Sid Meier's Civilization VI: Rise & Fall
Im Oktober 2016 erschien mit Civilization VI ein neuer Hauptteil der langjährigen Reihe und konnte, gerade im Vergleich mit dem verkorksten Spin-Off „Beyond Earth“, die Kritiker der Fachpresse überzeugen (Metascore 88). Doch obwohl neue Systeme wie das Bauen von Distrikten oder der doppelte Forschungsbaum dem Spiel eine neue Tiefe verleihen und es gleichzeitig variabler gestalten, konnte Civ VI die treue Fangemeinschaft noch nicht so recht von sich überzeugen. Das hat allerdings schon beinahe Tradition: Durch die großen DLC-Updates werden bei Civilization die nicht wie erwartet funktionierenden Features entfernt oder verändert und das Spiel durch einige Erweiterungen insgesamt griffiger gestaltet. Schafft der erste große DLC zu Civ VI das auch?
Gute Zeiten, Schlechte Zeiten
Einer der größten Faktoren dafür, dass unter Fans weiterhin Civilization V bevorzugt wird, dürfte die fehlende Abwechslung im sechsten Teil sein. Immerhin hat man im Vorgänger beim Besitz aller DLCs die Wahl zwischen 43 verschiedenen Nationen, in Civ VI standen zu Beginn 18 Völker zur Verfügung. Rise & Fall beinhaltet zwar immerhin neun neue Fraktionen mit jeweils einzigartigen Einheiten und Gebäuden, der Fokus dieser Erweiterung liegt allerdings in einem anderen Bereich. Der DLC schafft das klassische System der Zeitalter ab - das heißt, dass nicht jeder Spieler für sich bei einem entsprechenden Forschungsstand ein neues Zeitalter erreicht, sondern jedes Zeitalter eine zufällige Anzahl an Runden dauert. Innerhalb dieser Runden muss jedes Volk durch außergewöhnliche Aktionen sogenannte Zeitalterpunkte sammeln. Das kann durch ganz verschiedene Ereignisse geschehen: das Bauen von Wundern, die Geburt einer großen Persönlichkeit, das Erforschen eines Stammesdorfes oder die Entdeckung einer neuen Technologie vor allen anderen. Zu Beginn jedes Zeitalters stehen zudem vier verschiedene Boni zur Auswahl, von denen einer ausgewählt werden kann und dann während des Zeitalters aktiv ist; auch so können Zeitalterpunkte verdient werden.
Die Anzahl der Punkte bestimmen beim Eintreten in ein neues Zeitalter, ob eure Zivilisation ein Dunkles, ein Normales oder ein Goldenes Zeitalter erlebt. Habt ihr zu wenige Punkte gesammelt, werdet ihr mit einigen Malussen belegt und sogar vor die Optik des eigentlich bunten Spiels legt sich ein grauer Schleier. Hin und wieder ist es unausweichlich, dass ein Dunkles Zeitalter eintritt - einfach deshalb, weil die Zeitalterpunkte nicht zu ergattern waren. Diese schlimme Periode bringt aber auch Vorteile mit sich. So stehen während der Krisenzeit besondere Dunkles-Zeitalter-Politiken zur Verfügung, die, bei richtiger Benutzung, das Spiel erheblich erleichtern. Darüber hinaus ist der Umweg über ein Dunkles Zeitalter die einzige Möglichkeit, sein Volk in ein Heldenzeitalter zu führen. Sammelt ihr während der dunklen Jahre genügend Zeitalterpunkte für ein Goldenes Zeitalter, wird dieses zu einem Heldenzeitalter und führt neben der obligatorischen Vorteile dazu, dass ihr zu Beginn des Zeitalters gleich drei statt nur einen der mächtigen Boni auswählen könnt. So kommt es immer wieder zu taktischen Überlegungen, ob man lieber ein Normales Zeitalter erlebt oder ganz bewusst eine schwierige Periode übersteht, um anschließend große Vorteile zu genießen.
Sollten sich ohnehin bereits Schwierigkeiten andeuten, kann ein Dunkles Zeitalter aber auch den Ruin bedeuten. Während dieser Zeit wird nämlich eine weitere Neuerung besonders wichtig: Loyalität. Jede Stadt besitzt einen Loyalitätswert, fällt dieser unter einen bestimmten Wert, sagt sich die Stadt von ihrer Zivilisation los und wird zu einer Freien Stadt. Solche Städte können von jeder Zivilisation annektiert werden, sobald dessen Einfluss auf die Siedlung groß genug ist. Während eines Dunklen Zeitalters ist eine Fraktion aufgrund der Malusse auf Loyalität für solche Angriffe besonders anfällig. Auch beim Siedeln neuer Städte solltet ihr achtsam sein, denn je näher ein gegnerisches Zentrum ist, desto stärker ist der vom Gegner ausgehende Loyalitätsdruck. Loyalität verhält sich hier in etwa so wie Religion, erfahrene Spieler sollten mit diesem System also keine Probleme haben. Um auch in schweren Zeiten alle Städte im eigenen Reich zu halten, solltet ihr vor allem auf die neu eingeführten Gouverneure setzen.
Diese Persönlichkeiten fungieren als eine Art Bürgermeister und können grundsätzlich in jede eigene Stadt geschickt werden. Durch ihre Anwesenheit halten sie die Loyalität einer Stadt auf einem stabilen Level und sorgen, je nach ihrer Beförderungsstufe, für weitere Vorteile in der von ihr regierten Stadt. Es gibt sieben verschiedene Gouverneure, die sich jeweils auf ein Gebiet spezialisiert haben (Wirtschaft, Produktion, Armee, Handel, ...) und bis zu fünf verschiedene Fähigkeiten erlernen können. Richtig eingesetzt können diese Verwalter also entscheidende Vorteile bringen, zumal sie jederzeit einer anderen Stadt zugeteilt werden dürfen. Diese Freiheit der Zuweisung ist ein wichtiger Faktor - wollt ihr beispielsweise außerordentlich die aktuellen Politiken der Regierung wechseln, kostet das viel Geld.
Strategie jetzt auch mit Story
Neben den größeren Änderungen am Gameplay und den neun Zivilisationen bringt der DLC natürlich auch weitere Neuerungen mit sich: vier Einheiten, zwei Distrikte, zwei Geländefeldverbesserungen, acht Weltwunder, sieben Naturwunder, drei neue Ressourcen und 14 neue Gebäude finden ihren Weg ins Spiel. Die Distrikte sind hier wohl am interessantesten, es handelt sich um den Wasserpark - ein Unterhaltungsviertel, das auf Wasser gebaut werden muss - und das Regierungsviertel, das je nach Auswahl drei von neun besonderen Gebäuden beherbergt und nur einmal pro Spiel zur Verfügung steht. Alle erwähnenswerten Aktionen werden nun in einem eigenen Zeitstrahl der Zivilisation verewigt - so erzählt ihr mit jedem Spieldurchlauf eine individuelle Story und könnt allein beim Betrachten des Zeitstrahls darauf schließen, wie ihr euch in dem Spiel geschlagen habt. Ein nettes Feature, das zwar keinen Einfluss auf das Gameplay hat, aber jeder Partie eine persönliche Note verleiht.
Außerdem gibt es Veränderungen im Diplomatiesystem. Allianzen mit anderen Zivilisationen können nun in einem bestimmten Bereich eingegangen werden, etwa in der Forschung oder im Handel, und werden stärker, je länger sie andauern und neu vereinbart werden. Die KI ist im Vergleich zum Hauptspiel nun deutlich eher gewillt, eine solche Allianz einzugehen. Gleichzeitig zeigen sich die Computergegner aber aggressiver gegenüber Stadtstaaten, was direkt eine weitere Neuigkeit auf den Plan ruft. Sobald eine Zivilisation einen neutralen Stadtstaat erobert, können anliegende Fraktionen einen Notfall ausrufen. Dafür gibt es auch andere Auslöser, aber die Eroberung eines solchen Stadtstaats tritt bei Weitem am häufigsten ein. Während des Notfalls arbeiten die Zivilisationen, die zugestimmt haben, zusammen gegen den Aggressor, um den Stadtstaat zu befreien. Schaffen sie es, bekommen sie einige Boni, schaffen sie es nicht, bekommt die vom Notfall betroffene Fraktion entsprechend die kumulierten Boni.
Fazit:
Obwohl Rise & Fall kaum die Probleme des Hauptspiels aufgreift (etwa die Religion und den Religionssieg), schafft der DLC es, Civ VI deutlich interessanter zu machen. Die verschiedenen Zeitalter, das Loyalitätssystem und die Gouverneure greifen hervorragend ineinander und bringen deutlich mehr Dynamik ins Spiel. Solltet ihr während eines Dunklen Zeitalters eine Stadt an einen Gegner verlieren, kann das während der folgenden Periode schon wieder in die anderen Richtung gehen. Laut Spieldesigner Anton Strenger ist das große Ziel von Rise & Fall, dynamische Imperien zu erschaffen. Das ist offensichtlich gelungen, auch wenn dabei leider die Fehler des Hauptspiels etwas vernachlässigt wurden. Sollten jetzt noch das Verhalten der KI verbessert werden, der Diplomatiesieg zurückkehren und weitere Zivilisationen ihren Weg ins Spiel finden, steht dem Umstieg von Civ V zu Civ VI wohl kaum noch etwas im Wege.