Monster Hunter World
Eine kleine Geschichtsstunde
Da sich Capcom mit Monster Hunter World gezielt an Neulinge richtet, wollen wir auch in unserem Review noch einmal bei Null anfangen. Monster Hunter ist ein 3D-Action-Adventure, das sich um die Jagd auf große, zum Teil sogar absolut riesige Kreaturen dreht. Die Serie als eine „Dark Souls, das nur aus Bosskämpfen besteht“ zu bezeichnen, wäre sicherlich nicht komplett falsch. Es ist sogar recht wahrscheinlich, dass Capcoms Monsterhatz als Inspirationsquelle für From Software diente, denn das erfolgreiche Action-RPG ähnelt der Jagdsimulation in auffällig vielen Punkten: Die eher schwerfällige Steuerung, verschlüsselte Spielsysteme und der hohe Schwierigkeitsgrad bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs.
In Japan gelang dem Monster-Hunter-Franchise recht früh der kommerzielle Durchbruch. Wenn ihr um das Jahr 2010 herum einen Asiaten auf einer Spielemesse gesichtet habt, hatte dieser vermutlich eine PSP in der Hand, auf der das neueste Monster Hunter Freedom lief. Im Westen fasste die Serie hingegen nie wirklich Fuß - einzig die Heimkonsolen-Veröffentlichung Monster Hunter Tri brachte es zu einem Achtungserfolg. Viele Europäer und Amerikaner wurden mit der Serie jedoch leider nicht warm, da Neueinsteiger praktisch keine Unterstützung beim Erlernen der Spielmechaniken bekamen und schon nach wenigen Spielstunden von einem starken Monster über den Haufen gerannt wurden. Zudem hat sich auch der japanische Markt mittlerweile stark verändert: Simple Handheld- und Smartphone-Spiele, die auch beim Stehen in einer überfüllten U-Bahn problemlos absolviert werden können, haben Bullet-Hell-Shooter und bockschwere Musikspiele längst abgelöst. Monster Hunter World ist ein Reboot, mit dem Capcom auf diese Marktsituation reagiert.
Eine typische Jagdmission
Den Großteil der Spielzeit verbringt ihr in Monster Hunter World mit in sich abgeschlossenen Missionen, die euch mit dem Erlegen eines bestimmten Monsters beauftragen. Beim Aufspüren eurer Beute helfen euch die sogenannten Scoutflies, ein treuer Glühwürmchenschwarm, der neben nützlichen Sammelitems auch diverse Spuren des gejagten Monsters neongrün aufleuchten lässt. Habt ihr genug seiner Spuren gefunden, nehmen die Insekten dessen Witterung auf und führen euch direkt zu eurer Beute. Sobald ihr dem Ziel eurer Jagd gegenübersteht, verschwinden die Scoutflies und ihr müsst das euch gegenüberstehende Monster mit Waffengewalt in die Knie zwingen.
Der wichtigste Schlüssel für einen erfolgreichen Kampf ist eine gute Kenntnis der Bewegungsabläufe der gejagten Kreatur. Die eher träge Steuerung zwingt euch nämlich dazu, früh auf die Attacken des Monsters zu reagieren und die richtigen Zeitfenster für Gegenangriffe abzupassen. Sobald ihr mit eurer Waffe einen Schlag platziert, seid ihr in der entsprechenden Animation "gefangen" und eine Zeit lang sehr verwundbar. Solltet ihr ungeduldig werden und zu ungestüm angreifen, dürft ihr euch in direkter Konsequenz von einem Teil eures Lebensbalkens verabschieden. Immer wieder wird das Monster den Rückzug antreten, sodass ihr dessen Verfolgung aufnehmen müsst - diese Ruhepausen solltet ihr aber auch dazu nutzen, um eure Waffe zu schleifen und bei Bedarf Heiltränke zu konsumieren, da ihr die entsprechenden Aktionen in einem laufenden Kampf nur sehr schwierig ausführen könnt.
Selbst mit guter Ausrüstung wird es im Normalfall mindestens 20 bis 25 Minuten lang dauern, bis ihr eure Beute erlegt habt. Im Anschluss an eine erfolgreiche Jagd erhaltet ihr neben Geld und „Ressourcenpunkten“, die in der Stadt gegen gewisse Dienstleistungen getauscht werden können, auch einige Materialien des zu Boden gegangenen Monsters, die in der Schmiede zu neuen Waffen und Rüstungssets verarbeitet werden können. Um alle Teile eines kompletten Outfits zu bekommen, müsst ihr dasselbe Monster mehrmals jagen und auf die richtigen Item-Drops hoffen. Mit der verbesserten Ausrüstung könnt ihr stärkere Kreaturen jagen, diese zu noch besseren Waffen und Rüstungen verarbeiten, noch stärkere Monster jagen - und so weiter, bis irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht ist.
„Zugänglich“ ist nicht gleich „einfach“
Dass Capcom mit Monster Hunter World offensiv um Neueinsteiger wirbt, ist kein Geheimnis. Die vor Release erhältlichen Beta-Versionen waren auffallend einfach gehalten und erklärten ihren Spielern praktisch jeden einzelnen Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen Questabschluss. Auch die Vollversion beginnt mit einem mehrstündigen Tutorial, das euch auf alle möglichen Spielaktionen hinweist. Eine der wichtigsten Neuerungen sind die eingeblendeten Schadenszahlen, die sich auch ausschalten lassen. Sie geben euch direktes Feedback darüber, wie effektiv eure gerade verwendete Waffe und spezielle Angriffsmanöver sind, sodass ihr euch das Auswendiglernen von Schadensformeln aus dem Internet ersparen könnt.
Die Liste der Vereinfachungen, die Capcom für den Release von Monster Hunter World vorgenommen hat, ist so lang, dass man sie kaum in einem Review unterbringen kann. Utensilien wie Wetzsteine oder Spitzhacken müssen nun nicht mehr extra hergestellt werden, sondern stehen euch in unbegrenzter Anzahl zur Verfügung. Heiltränke werden nicht mehr aus Kräutern und blauen Pilzen hergestellt, sondern nur noch aus Kräutern - und das auf Wunsch auch automatisch, sodass nach dem Pflücken sofort die fertige Medizin in eurem Inventar erscheint. Viele Features schaltet das Spiel zudem erst nach einiger Zeit frei - die umfangreichen Waffenbäume zum Beispiel geben sich zu Beginn noch sehr kompakt und übersichtlich, wachsen dann aber nach einiger Zeit sowohl in der Breite als auch in der Tiefe. Fehlen euch für eine Waffe oder eine Rüstung noch diverse Items, könnt ihr diese auf eine spielinterne Wunschliste setzen und erhaltet dann automatisch eine Nachricht, sobald ihr die Ausrüstung herstellen könnt. Beim Testen hatten wir außerdem den Eindruck, dass die Drop-Raten der noch benötigten Bauteile drastisch erhöht werden, sobald wir den gewünschten Gegenstand auf die Liste packen.
Selbstverständlich sind auch die Kämpfe etwas einfacher zu gewinnen als in den Vorgängern, was vor allem an den zahlreichen Spielhilfen liegt. Wie schon in den 3DS-Teilen dürft ihr optional einen Palico mit auf jede Jagd nehmen, der zwar kaum Schaden anrichtet, dafür aber die Aufmerksamkeit des Monsters auf sich zieht und euch ab und zu mit einem starken "Heilzauber" unterstützt. Verlorene Lebensenergie erhaltet ihr nicht nur durch euren Palico und die leicht zugänglichen Heiltränke zurück, sondern auch durch in der Spielwelt verteilte Objekte und später auch durch ein mächtiges Item, das unbegrenzt oft und ohne das Abwarten langer Animationen benutzt werden kann, dafür aber einem Cooldown unterliegt. Trotz alledem gibt es in Monster Hunter World keine Siege geschenkt - wer einfach auf die Kreaturen losstürmt und blind die Angriffstaste drückt, wird mit dieser Einstellung nicht weit kommen und schon lange vor den High-Rank-Quests scheitern. Im Vergleich zu den meisten anderen japanischen Action-Adventures der Neuzeit ist der Capcom-Titel also immer noch deutlich fordernder.
Ein generalüberholtes Reboot
Wer sich beim Lesen des letzten Abschnitts dachte: „Das klingt doch alles gar nicht so schlecht!“, hat damit natürlich nicht unrecht. Das Team hinter Monster Hunter World hat seinen Spielern mit den aufgezählten Vereinfachungen vor allem viel Menüarbeit und lange Suchaktionen erspart. Insbesondere beim wiederholten Jagen derselben Spezies sind die Scoutflies eine ordentliche Hilfe, da wir nicht mehr jedes einzelne Mal alle möglichen Spawn-Punkte abklappern müssen. Der wichtigste Teil des Spiels, die intensiven Kämpfe gegen meterhohe Kreaturen, blieb hingegen relativ unangetastet. Viele der Spielhilfen sind komplett optional oder werden euch nach einer bestimmten Zeit einfach nicht mehr gewährt. Wer die PSP-Vorgänger zu 100% beendet hat, wird sich wahrscheinlich am vergleichsweise deutlich niedrigeren Schwierigkeitsgrad von Monster Hunter World stören, aber ansonsten kann man Capcom nicht vorwerfen, dass die Entwickler die Bedürfnisse langfristiger Serienfans bei der Entwicklung dieses Reboots ignoriert hätten.
Auch technisch hat Monster Hunter World einen großen Sprung nach vorne gemacht - was man angesichts der Tatsache, dass die Serie in den letzten Jahren (abgesehen von HD-Portierungen) nur auf Wii und 3DS vertreten war, auch erwarten durfte. Die Optik reißt im Vergleich zu den aktuellen Grafik-Referenzen keinerlei Bäume aus, befindet sich aber insgesamt auf einem sehr ordentlichen Niveau. Besitzer einer PS4 Pro dürfen entscheiden, ob die zusätzliche Rechenleistung für die Unterdrückung von Pop-Ups, eine flüssigere Framerate oder eine höhere Auflösung eingesetzt werden soll - was aber im Umkehrschluss auch bedeutet, dass man zwei dieser drei Übel eben akzeptieren muss. Neben der Technik kann auch der künstlerische Aspekt der Optik voll überzeugen - Capcom verwöhnt uns mit zum Teil wunderschönen und kreativ gestalteten Gebieten, in denen nicht minder imposante Monster ihr Unwesen treiben.
Zum Teil wirken sich die neuen technischen Möglichkeiten, die sich aus dem zwei Konsolengenerationen umfassenden Hardware-Sprung ergeben, auch auf das Gameplay aus. Kämpfe gegen mehrere Monster gleichzeitig sind für Serienfans nichts Neues, aber diesmal können die Kreaturen auch miteinander interagieren und sich untereinander bekämpfen. Nicht selten erhaltet ihr beim Erledigen einer Quest tatkräftige Unterstützung, wenn sich beispielsweise ein Rathalos in den Kampf einmischt und euer Ziel ordentlich durch die Luft wirbelt. Das ist nicht nur nützlich, sondern wirkt auch wie eine Szene aus einem imposanten Godzilla-Film. Die Gebiete, die ihr im Laufe des Spiels durchschreitet, sind zum Teil deutlich größer als in den Vorgängern und nicht mehr durch Ladezonen voneinander getrennt. Trotz all dieser technischen Verbesserungen blieb der Umfang nicht auf der Strecke: Der Next-Gen-Titel ist zwar nicht ganz so umfangreich wie das Japan-exklusive Monster Hunter XX, bietet Vielspielern aber trotzdem mehr als genug Futter.
Fazit:
Capcom zeigt mit Monster Hunter World, dass ein Reboot durchaus sowohl existierende Fans als auch Neueinsteiger zufriedenstellen kann. Der neue Serienableger gibt sich durchweg zugänglicher, doch statt das Gameplay zu verstümmeln, haben es die Entwickler um sinnvolle Komfort-Features erweitert und helfen dem Spieler mit besserem Feedback und optionalen Spielhilfen beim Erlernen der verschiedenen Mechaniken. Die Kämpfe gegen die riesigen Monster sind spürbar einfacher als in den Vorgängern, aber mit der Zeit steigt der Schwierigkeitsgrad dann doch auf ein Niveau an, das auch erfahrene Spieler ins Schwitzen bringen dürfte. Puristische Franchise-Veteranen, die bis heute an Monster Hunter Freedom festhalten, könnten sich natürlich trotzdem an den Neuerungen stören.
Aus technischer Sicht hat Monster Hunter World einen großen Sprung nach vorne gemacht und überzeugt mit einer tollen optischen Gestaltung, großen und zusammenhängenden Gebieten sowie imposanten Monster-gegen-Monster-Kämpfen. Natürlich hat Capcom sein erfolgreiches Franchise durch die Vereinfachungen nicht nur verbessert: Große Erfolgserlebnisse bleiben durch den gesenkten Schwierigkeitsgrad eher aus, und der Sammelwahn aus den Vorgängern, der ebenfalls einen gewissen Reiz ausmachte, ist nicht mehr in vollem Umfang vorhanden. Somit fehlen Monster Hunter World ein paar der Aspekte, die die Serie in der Vergangenheit zu einem herausragend guten Franchise machten. Von diesen kleinen Schwächen abgesehen ist das Endprodukt aber immer noch ein toller Action-Titel, der den meisten seiner japanischen Genre-Konkurrenten, die ihr rudimentäres Gameplay mit viel Fanservice aufplustern, meilenweit voraus ist.
Wie Vyse schon schrieb: Dem Spieler wurde einfach viel viel Menügefrickel abgenommen. Ich habe mich so schnell daran gewöhnt, dass ich mir kaum vorstellen kann, wieder zu XX zurückzukehren.
Ich bin wie viele andere ein kompletter Neueinsteiger der Serie. Die Komplexität der Vorgänger kann ich also nicht beurteilen. Für mich steht nur fest, dass der neue Teil wahnsinnig bedienerunfreundlich zu erlernen ist.