Das Spielejahr 2017 - Fluch oder Segen?
Zwischen GOTYs und Loot-Boxen
Dass 2017 bei vielen Spielern einen so positiven Eindruck hinterlassen hat, liegt in erster Linie sicherlich am Frühjahr, das spieletechnisch eindeutig eines der stärksten aller Zeiten war. Mit The Legend of Zelda: Breath of the Wild, Horizon: Zero Dawn, NieR Automata, Ni-Oh, Yakuza Zero oder Persona 5 erschien innerhalb weniger Wochen ein ganzer Haufen aus Spielen, die vermutlich in jedem anderen Jahr mühelos sämtliche Game-of-the-Year-Awards hätten abräumen können. Da zudem jedes einzelne von ihnen mindestens 40 bis 60 Stunden lang im Laufwerk verharren kann, die meisten sogar noch viel länger, war es kaum möglich, bei dieser Flut hochwertiger Software überhaupt noch mitzukommen. Auch der Rest des Jahres verlief weitestgehend anständig: Der SRPG-Geheimtipp Utawarerumono, das enttäuschende aber immer noch gute Danganronpa V3 und einige 3DS-Hochkaräter wie Metroid: Samus Returns oder Ever Oasis füllten das Sommerloch, bis mit Uncharted: The Lost Legacy und Wolfenstein 2 gute westliche Action-Kost geliefert wurde und Nintendo im Weihnachtsgeschäft dank Super Mario Odyssey und Xenoblade Chronicles 2 als strahlender Sieger hervorging - auch deshalb, weil Sony und Microsoft kaum eigene Weihnachts-Exklusivtitel vorweisen konnten und die großen Dritthersteller-Releases alle an demselben Problem litten, durch das sich mit der Zeit ein großer Medien-Shitstorm zusammenbraute.
Da die großen Publisher aufgrund sprunghaft steigender Entwicklungskosten angeblich nicht mehr kostendeckend arbeiten können wurden im Zuge der Gewinnmaximierung immer mehr Mikro-Transaktionen in Vollpreis-Titel eingebaut. Während Season Passes und DLCs längst zum Alltag gehören, setzten die Publisher 2017 noch einen drauf und implementierten intransparente Glücksspiel-Praktiken in Form von Loot-Boxen, die die Spieler psychologisch manipulieren und zum möglichst häufigen Zücken des Geldbeutels verführen sollten. Vor allem Kunden, die sich anfällig gegenüber Suchtverhalten zeigen, sind für diese Publisher besonders lukrativ und haben von ihnen den Tiernamen "Wal" bekommen. Den mit Abstand größten Shitstorm erntete EA mit Star Wars Battlefront II, weil der Markenname "Star Wars" auch außerhalb der Spieleindustrie bekannt ist, sodass sich letztendlich sogar die Politik einschaltete. Etwas leichter hatten es Forza 7, Shadow of War und Destiny 2: Obwohl Bungie seine Spieler nachweislich systematisch belügt und betrügt, konzentrierte sich der Großteil der Kritik an diesen Spielen auf einschlägige YouTube-Kanäle und blieb in den Massenmedien fast gänzlich unerwähnt.
Wo liegt das Problem?
Auf den ersten Blick scheint die Lösung für dieses Dilemma recht einfach: Man spielt die guten Spiele und ignoriert die schlechten. Warum also haben so viele Spieler ein Problem damit, wie sich der Markt 2017 entwickelt hat? Tatsächlich fällt auf, dass sich das Kräfteverhältnis auf dem Spiele-Markt im vergangenen Jahr recht schlagartig geändert hat. Während japanische Entwickler in den letzten Konsolengenerationen immer stärker in die Kritik gerieten, weil ihre Spiele technisch hinterherhinkten und sich vor Innovationen verschlossen, war es 2017 genau ungekehrt. Horizon: Zero Dawn ist der einzige echte Anwärter auf Game-of-the-Year-Auszeichnungen aus dem Westen - den Rest des Kuchens teilen japanische Titel unter sich auf. Wer aber mit Spielen aus dem Osten einfach nichts anfangen kann, hat eben Pech gehabt und muss mit dem Vorlieb nehmen, was die amerikanische Industrie in diesem Jahr hervorgebracht hat. Und in deren Portfolio fand man im zweiten Halbjahr 2017 sehr wenige prominente Titel, die darauf verzichteten, Lootboxen und Mikrotransaktionen fest mit dem Gameplay zu verweben. Wolfenstein 2: The New Colossus ist eine dieser wenigen Ausnahmen.
Die tragischste Figur in diesem Theater ist vielleicht der immer weiter erstarkende Indie-Marktplatz. Viele Entwickler müssen dabei zusehen, wie sich eine riesige Spielergruppe immer und immer wieder über die AAA-Industrie aufregt; nur, um dann sofort wieder zu dem nächsten Grafikblender zurückzukehren, obwohl sie durch Titel wie "Hollow Knight", "Dead Cells", "Cook, Serve, Delicious! 2!!", "20XX" oder "Opus Magnum" genug hochwertige Alternativen hätten. Lediglich die sogenannten "AAA-Indies" (also z.B. Hellblade oder Cuphead), die das nötige Marketing-Budget haben, um auf den großen Messen vertreten zu sein, dürfen Erfolge feiern - natürlich zurecht. Doch der ganze Rest scheitert an der mangelnden Sichtbarkeit in den Online-Storefronten und dem von der Fachpresse erschaffenen Image, dass der Indie-Marktplatz nur aus künstlerisch wertvollen Walking-Simulatoren und politisch korrekten Puzzle-Platformern besteht.
Und 2018?
Für das nächste Jahr sieht das Bild bisher recht ähnlich aus. Japan ist auch im Frühjahr 2018 wieder mit einigen hochkarätigen Spielen vertreten und wird in den ersten drei Monaten des neuen Jahres die lokalisierten Versionen von Monster Hunter World, Ni no Kuni II und Yakuza 6 ins Rennen schicken. Auch westliche Entwickler haben einige Eisen im Feuer: Far Cry 5, Read Dead Redemption 2 und We Happy Few dürfen zeigen, ob die Publisher aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine Lektion gelernt haben - oder weiter darauf setzen werden, dass ihre Zielgruppe sich zwar lautstark beschweren, letztendlich aber trotzdem die Kreditkarte zücken wird. Nur eins scheint sicher: Wer über den Tellerrand schaut und sich nicht von Marketing-Versprechen einlullen lässt, wird sich auch im nächsten Jahr sicherlich keinen Tag lang fragen müssen, was er denn heute zocken soll.
Ansonsten hatte ich ein hervorragendes (Switch)jahr. :D