Watch_Dogs 2 - Deshalb ist es besser als sein Vorgänger
Unser Review zu Watch_Dogs 2. Drei Gründe, warum Ubisofts zweites Hackerspiel so viel mehr Spaß macht als Teil 1.
Hacking ist jetzt cool
Grund 1, warum Watch_Dogs 2 mehr Spaß macht als sein Vorgänger: das Setting.
Watch_Dogs 1 verstand sich als ernst gemeinter Action-Thriller, mit einem grimmigen, unsympathischen Antihelden als Hauptcharakter, der seine Rachegelüste zu befriedigen suchte. Eher als Mittel zum Zweck nutzte er seine Hacking-Fähigkeiten, um voranzukommen.
Ganz anders Teil 2. Hacking ist jetzt cool. Der düster dreinblickende Unsympath Aiden Pearce in seinem grauen Mantel weicht dem poppigen Millenial-Hipster Marcus Holloway, in dessen Rolle der Spieler schlüpft. Zusammen mit seinen exaltierten Hacker-Freunden von DedSec bildet er ein schrilles Konsortium der digitalen Avantgarde.
Statt einer inhaltsschweren Hintergrundgeschichte wartet ein grellbuntes Mosaik aus lustigen, kleinen Hacker-Geschichten auf den Spieler, das sich fast nie besonders ernst nimmt. Einen inhaltlichen Story-Rahmen gibt es zwar, er bleibt aber angenehm im Hintergrund, während er die einzelnen Spielteile zusammenhält. Entwickler Ubisoft Montreal überlässt den Spielern die Entscheidung darüber, worauf sie Lust haben und was sie als nächstes anstellen möchten.
Das bedrückend monotone Chicago macht unterdessen Platz für die lichtdurchflutete San Francisco Bay-Area als Spielschauplatz. Mit viel Wasser, imposanten Bauwerken und einer gehörigen Prise Popkultur fühlt sie sich einfach viel angenehmer und unterhaltsamer an.
All diese Elemente spiegeln sich auch in der Grafik und im Soundtrack wider: Das Design und die Animationen der Charaktere sind extravagant und bunt, die Spielstadt farbenfroh und sonnenverwöhnt. Rein technisch betrachtet liegt das Spiel ungefähr auf dem guten, aber nicht überragenden Niveau seines Vorgängers und sticht nicht mit besonderen Grafikleistungen heraus; positiv ist jedoch zu erwähnen, dass fast immer alles sauber und glatt läuft – bis auf wenige Framerate-Stotterer bei schnellen Autofahrten und vereinzelte pixelige Schatten. Den Soundtrack hat Ubisoft mit ziemlich abgefahrenen, quietschige Hacker-Melodien gepimpt, die sich gut ins irre Spielsetting einfügen.
Schon nach den ersten paar Spielminuten wird klar, dass Watch_Dogs 2 nicht mehr den Anspruch an sich stellt, ein epischer Action-Titel zu sein, den man mit cineastischen E3-Trailern opulent bewerben kann. Nein, Ubisoft hat eine andere Zielrichtung gewählt: Watch_Dogs 2 soll einfach nur Spaß machen. Genau die richtige Richtung für dieses Spiel.
Eine Parodie auf die digitale Revolution
Grund 2, warum Watch_Dogs 2 mehr Spaß macht als sein Vorgänger: die Geschichten.
Wo der erste Teil von Watch_Dogs die Hacking-Fähigkeiten fast ausschließlich als klassische Gameplay-Elemente nutzte, macht Watch_Dogs 2 sie auch zum inhaltlichen Rahmen.
Tatsächlich kann man das Spiel als Universalparodie auf die digitale Welt verstehen: Vom selbstfahrenden Auto über virale Social Media-Phänomene und die Kultur der Internetleaks bis hin zu schwereren Themen wie Informationssicherheit, Machine Learning und Algorithmen greift der Titel einen bunten Strauß an Themen der digitalen Revolution auf. Im Subtext wird er dabei sogar richtig gehalt- und wertvoll. Denn er macht deutlich, dass die Welt von Watch_Dogs 2 zwar auf den ersten Blick ein wenig wie Science-Fiction anmutet, in Wirklichkeit aber lediglich pointiert, was die digitale Transformation bereits hervorgebracht hat. San Francisco als einer der Urquelle dieser digitalen Revolution ist als Schauplatz damit genau richtig gewählt.
Zum Glück verfolgt das Spiel bei alldem keinen pädagogischen Ansatz. Ganz im Gegenteil. Es macht sich in jeder seiner Missionen gehörig lustig über die digitale Welt. Nicht selten wird es urkomisch, wenn der Spieler zum Beispiel in die Büros von Ubisofts San Francisco-Studio eindringen muss, um einen streng geheimen E3-Trailer zu leaken, oder ein Knight Rider-Auto rücksichtslos durch San Francisco fernsteuert. Die schrillen Charaktere und die Dialoge sind flott geschrieben und viel besser als die gewollt-dramatischen, hölzernen Lines des Pseudo-Helden aus Teil 1.
Schritt für Schritt zum viralen Phänomen
Grund 3, warum Watch_Dogs 2 mehr Spaß macht als sein Vorgänger: die Gameplay-Vielfalt.
Watch_Dogs 2 spielt sich in der Bay Area an der US-Westküste ab, die einerseits das Stadtgebiet der Pazifikmetropole San Francisco umfasst, andererseits aber auch umliegende Regionen wie das Silicon Valley oder Oakland. Dieses Areal steht euch von Anfang an offen und ist gefüllt mit Missionen.
Ziel des Spiels ist es einfach nur, das Blume-Imperium zu stürzen. Das Unternehmen hat eine neue Version des in Watch_Dogs 1 vorgestellten ctOS eingeführt, das als zentrales Betriebssystem der Smart City alles und jeden steuert: Bankgeschäfte und Verkehrsfluss, Bauarbeiten und Überwachung. Die Hacker finden diese digitale Allmacht bedenklich und beschließen, dem übermächtigen Erzfeind öffentlichkeitswirksam einen Schlag nach dem anderen zu versetzen und damit mehr Menschen für ihre Bewegung zu begeistern. Hier sind durchaus erzählerische Parallelen zu dem umstrittenen Anonymous-Netzwerk zu erkennen.
Mit jeder erfolgreich erfüllten Mission gewinnt DedSec Follower – andere Menschen, die von den Hacker-Aktionen begeistert sind und ganz nebenbei die Rechenleistung ihrer Devices zur Verfügung stellen. Damit bekommen die Hacker immer mehr Power und Kontrolle über die San Francisco-IT. Wie ihr Follower gewinnt, bleibt ganz euch überlassen – am besten natürlich mit möglichst irren Missionen. Mit der spielinternen Smartphone-App könnt ihr nach und nach neue Haupt- oder Nebenquests auswählen.
Die Missionstypen sind angenehm variiert und verbinden die Spielelemente auf immer andere Weise. Mal muss Marcus selbst Gebäude infiltrieren, mal reicht es, heimlich, still und leise über Kameras in die internen IT-Systeme einzudringen. Stealth-Passagen wechseln sich ab mit rasanten Verfolgungsjagden, Straßenrennen mit Drohnenflügen, Spionage mit Feuergefechten. Nur ab und zu nerven die Rätsel, weil nicht klar wird, welche Fähigkeiten einem zum Bestehen eigentlich fehlen oder weil Ubisoft-typische Parcours-Passagen nicht so funktionieren, wie sie sollen.
Durch San Francisco bewegt ihr euch GTA-typisch in zahlreichen Autos und auf Motorrädern und mit Hilfe des Navigationssystems „Nudle Maps“. Das Fahren hat sich im Vergleich zum Erstling zwar verbessert, fühlt sich aber immer noch etwas merkwürdig an, geradezu arcadig. Fahrverhalten und Beschleunigung der Vehikel sind ziemlich unrealistisch und offensichtlich darauf ausgelegt, Spieler mit möglichst maximalem Geschwindigkeitsrausch und ohne allzu viel Sorge von A nach B zu bringen. Nicht selten verliert ihr aber völlig die Linie und landet (unverletzt) nach einem 200 km/h-Speedrausch in der Häuserwand. Ein Schnellreisesystem gibt es auch.
Inkonsistenzen in der Hacker-Welt
Die offene Spielwelt wirkt zwar lebendiger als die des ersten Teils - mit den Genrekönigen kann es das San Francisco von Watch_Dogs 2 aber nicht aufnehmen. Dafür basiert es zu sehr auf Reisen von Hotspot zu Hotspot. Dazwischen ist so gut wie nichts los.
Schade bleibt daneben vor allem, dass Ubisoft sich nicht getraut hat, alle Altlasten des Erstlings abzulegen – vor allem die Feuergefechte. Die scharfen Schießereien und Blutbäder, die zwischendurch immer wieder vorkommen, sind völlig fehl am Platze in diesem Spiel, das doch ansonsten so schrill, so sympathisch und so lustig ist. Sie beschädigen auch seine Glaubwürdigkeit. Wenn die sympathischen DedSec-Hacker zwischendurch immer wieder zu skrupellosen Massenmördern werden, passt das einfach nicht mit ihrem hehren Robin Hood-Anspruch zusammen.
Zumindest im Singleplayer-Modus hätte es diese Action-Komponente eigentlich nicht gebraucht. Und auch für den Multiplayer-Modus, der dem von Watch_Dogs 1 relativ ähnlich ist, bräuchte es die Third Person-Shooter-Komponenten kaum. Wer für die entsprechenden Multiplayer-Services auf PlayStation 4 oder Xbox One bezahlt, kann während des Spiels mit einem Koop-Spieler durch San Francisco streifen, einen zufälligen Gegner daran hindern, dass er sich ins Spiel hackt, oder eine klassische Kopfgeldjagd ausfechten.
Fazit:
Watch_Dogs 2 ist schriller als sein Vorgänger, leichtmütiger, lustiger, bunter, vielfältiger. Und es macht einfach mehr Spaß, weil es sich vom Druck befreit hat, die klassischen Anforderungen erfüllen zu müssen, die viele Fans an einen Triple-A-Blockbuster stellen. Die sympathischen Charaktere passen in ihre Welt, die vielen kleinen Geschichten aus der digitalen Welt unterhalten prächtig; auch ohne eine epische Leitgeschichte, die manch einer vermissen könnte. Beim Spieldesign hat sich Ubisoft eine bunte Mischung aus diversen Aufgaben mit Hackerbezug einfallen lassen, die selten langweilig werden und immer cool auf digitale Themen referenzieren. Mitunter merkt man den Entwicklern Probleme dabei an, das alles in den Rahmen eines klassischen Videospiels zu quetschen; so tun etwa die Kämpfe dem Spielkonzept nicht gut und die Autofahrten und Rätsel können manchmal etwas hakelig werden. Davon abgesehen können Fans von Watch_Dogs 2 aber ein charmantes Videospiel erwarten, das zwar bewusst mit einigen Konventionen bricht, dabei aber doch immer eines bleibt: unterhaltsam.
Übrigens: Straus -> Strauß