Mafia III
Auch 44 Jahre nach „Der Pate“ übt die Mafia eine düstere Anziehungskraft aus. 2Ks Action-Blockbuster Mafia III ist dafür der beste Beweis. Ist es ein Angebot, das ihr nicht ablehnen … - nein, den machen wir jetzt nicht. Aber unseren Test gibt es trotzdem.
Die Mafia. Familie, Loyalität, Ehre …? Eher ein verkommenes, schmutziges Geschäft, ein kriminelles Krebsgeschwür, das alles verdirbt, was es berührt. Vielleicht steckt gerade in diesem widersprüchlichen Geflecht aus Schuld und Ehre der Reiz der kriminellen Clans, der nicht nur zahllose Filme und Romane, sondern auch 2Ks Gangster-Gaming-Serie Mafia schon seit 14 Jahren antreibt. Mit Mafia III ist sie nun wieder da, sechs Jahre nach Teil 2.
Mit neuem Entwickler und neuer Konsolengeneration will das Action-Adventure frische Wege gehen: Alles soll größer sein, aufwändiger, epochaler, anders. Es ist 1968, der Vietnamkrieg in vollem Gange und die gesellschaftliche Lage in den USA angespannt. Mitten in dieser aufgeheizten Situation kehrt der etwa 20-jährige Waisenjunge Lincoln Clay von seinem Kriegsdienst zurück; in seine Adoptivfamilie. Dieser ehrenhaft-loyale „Black Mob“, der eigentlich nichts weiter ist als eine klein- bis schwerkriminelle Bande, regiert mit Zuckerbrot und Peitsche in einem der Viertel der fiktiven US-Südstaatenmetropole New Bordeaux. Diese Alternativversion des 1968er-New Orleans wird beherrscht von rivalisierenden Gangstergruppen, die sich die Stadt quasi aufgeteilt haben und sich mal mehr, mal weniger intensiv bekriegen.
Guter Mörder, schlechter Mörder
Es dauert nicht lange, bis einer dieser Bandenkriege ausbricht und die heile Verbrecherwelt für Lincoln ins Wanken bringt. Das Spiel macht, wie nicht gerade wenige vor ihm, die Frage nach guten Kriminellen und schlechten Kriminellen auf. Als die vermeintlich Bösen den vermeintlich Guten Böses antun, beschließt Lincoln, den Schlechten Schlechtes anzutun, und startet einen Rachefeldzug epischen Ausmaßes. Aber wird er dadurch auch zu einem der Guten?
Wohl kaum. Diesen intellektuell-erzählerischen Twist versucht Mafia III auch gar nicht. Lincoln Clay ist von Anfang an ein ziemlicher Antiheld, der sich innerhalb kürzester Zeit von einem naiven Rowdy zu einem massenmordenden Mafiaboss entwickelt. Aber nicht, um New Bordeaux von der Herrschaft der Kriminellen zu befreien. Sondern um der Stadt seine eigene kriminelle Herrschaft aufzuzwingen. Dadurch bekommt er es natürlich auch mit der klassischen Italo-Mafia zu tun. In früheren Mafia-Spielen hätte sie noch das Ehrenhafte, Gute repräsentiert. Jetzt stellt sie den klaren Gegner des Spielers dar. Ihr versucht, die Mafia mit ihren eigenen Mitteln zu zerlegen, ihr Imperium zu zerschlagen – sozusagen: von innen.
Diese Geschichte erzählen die Entwickler von Hangar 13 ziemlich geschickt und aufwändig. Vor allem mehrere verflochtene Erzählperspektiven funktionieren wunderbar miteinander. Einerseits bekommt der Spieler natürlich mit, in welche Verbrechen Lincoln Clay im Hier und Jetzt verwickelt ist. Andererseits sind auch immer wieder Interview-Sequenzen im Dokumentarstil zu sehen, in denen gealterte Versionen der Spielcharaktere ihre Sicht auf die Ereignisse der 60er Jahre schildern: mit Bedauern, Reue, Stolz oder Angst.
Gerade die sehr eindringlichen Darstellungen und Monologe der Spielcharaktere mit all ihrer Mimik und Gestik bringen eine für Videospiele ungewöhnliche erzählerische Intensität mit. Die Story profitiert massiv davon, dass echte Schauspieler ihre Bewegungen per Motion Capturing ins Spiel gebracht haben. Einzig die Synchronisierung der Lippenbewegungen mit dem Sprechtext wirkt manchmal ein wenig unsauber. Generell steckt die Story aber voller Production Values, also Mühe und (finanziellem) Aufwand.
Mehr Musik als manch ein Musikspiel
Diesen Aufwand betreiben die Entwickler nicht nur bei der Story, sondern auch bei der Rekonstruktion der Zeitepoche, in der sich das Spiel zuträgt. Vor allem gilt das für die Musik. Tatsächlich finden Spieler in Mafia III mehr Musik als in manch einem Musikspiel: Der Titel kommt wie ein großes 60er-Medley daher; und die 60er waren bekanntlich eine Epoche mit entscheidender Strahlkraft für die jüngere Musikgeschichte: Jimi Hendrix, die Rolling Stones, Otis Redding, Elvis Presley – sie alle steuern weltbekannte Songs zum Soundtrack des Titels bei. Sobald ihr euch ins Auto setzt und das Radio anschaltet, begegnen euch Stücke, die wahrscheinlich lange vor eurer Geburt entstanden sind, die aber dennoch auch heute noch fast jeder kennt. Dazu kommen Soundelemente aus dem klassischen Dixieland-Jazz, der einst in New Orleans entstanden ist. Klasse.
Grafisch glänzt das Spiel vor allem bei der Darstellung seiner Charaktere. Aber auch der Rest der Welt ist schön gestaltet, mit fließenden Wechseln zwischen der Außenwelt und Interieurs, auffälligen grafischen Effekten und einer ausgezeichneten Fahrphysik. Ohne Abstriche kommt die Technik aber nicht durch unseren Test. Vor allem an der Weitsicht hapert es manchmal massiv: Bei Fahrten über Brücken etwa versinkt die Skyline in dichtem Nebel, der sich erst nach und nach lichtet. Gebäude und Bäume ploppen bei schnellen Autofahrten unschön ins Sichtfeld des Spielers. Solche Ungeschliffenheiten trüben das ansonsten exzellente Bild, das Mafia III in Sachen Grafik, Sound, Buch und Storytelling aufweist. Dieser Aufwand, der Blockbuster-Faktor, wertet Mafia III massiv auf. Aber er entbindet es eben nicht von der Pflicht, auch als gutes Videospiel funktionieren zu müssen.
Abarbeiten der Machtübernahme
Und genau an dieser Stelle, im eigentlichen Videospiel, steckt der größte Kritikpunkt, den man Mafia III ins Zeugnis schreiben muss. Es ist spielerisch einfach nichts Besonderes. Das Action-Spiel folgt einer ziemlich gewöhnlichen Missionsstruktur, die in den ersten Spielstunden noch linear und sehr von der Story getrieben ist und schließlich zunehmend freier wird. Dann geht es darum, New Bordeaux Stadtteil für Stadtteil zu übernehmen und schließlich die Mafiosi, all ihrer Macht und ihres Einflusses entledigt, zur Strecke zu bringen.
Lincoln reißt die Kontrolle an sich, sobald er die jeweils regierenden Gangsterkomplexe ausgehebelt hat; indem er ihr Kapital vernichtet, ihre Infrastruktur zerstört oder ganz simpel ihre Anführer umbringt. Das läuft immer nach sehr ähnlichen Schemata ab: Ihr infiltriert die gegnerischen Territorien (ganz still und schleichend oder mit geballter Waffengewalt) und knallt am Ende alles ab, was sich euch in den Weg stellt. Diese Shootouts sind im Prinzip das einzige wesentliche Gameplay-Element; mit verschiedenen Steuerungssensitivitäten und einem gelungenen Auto-Aim-Feature, vergleichbar mit dem von GTA V, funktionieren sie auch ziemlich gut. Nur das Wechseln der Deckung kann manchmal ein wenig hakelig werden. Die Gesundheit des Spielcharakters ist relativ realistisch knapp bemessen, sodass er nicht allzu viele Treffer einstecken sollte. Eine Möglichkeit, um nicht in die gefährlichen Schießereien verwickelt zu werden, sind die Stealth-Mechaniken. Wenig zimperlich legt Lincoln seine Gegner dann mit der Klinge oder Genickbrüchen um. Manchmal übertreibt das Spiel es ein wenig mit seiner ungezügelten Gewaltdarstellung.
Am Ende des Ganzen steht meistens ein toter Gangsterboss. Ein Gangsterboss, den ihr durch einen anderen Gangsterboss ersetzt, der euch wohlgesonnen ist und euch Zugang zu neuen Kontaktpersonen und Extras gewährt. Dieses Prozedere verkommt schnell zu einem Abarbeiten von Unter- und Teilmissionen, einem Abklappern von Hot-Spots, die in der ganzen Stadt verteilt sind. Fleißarbeit.
Die Spielmechaniken erschöpfen sich zu schnell. Schleichen, schießen, fliehen – viel mehr hat Mafia III nicht zu bieten. Das fällt vor allem deshalb ins Auge, weil auch die Spielwelt nicht das ist, was sie sein könnte. Die Südstaatenmetropole New Bordeaux ist durchaus hübsch, ansehnlich und aufwändig gestaltet, mit vielen kleinen Details, auch in verwinkelten und scheinbar abgelegenen Gassen. Doch wenn die Entwickler in Promo-Material davon sprechen, dass die Stadt einer der Hauptcharaktere des Spiels sein soll, muss man diesem Hauptcharakter fehlende Tiefe ankreiden. Ein Vergleich mit Genreprimus Grand Theft Auto drängt sich wegen der schreienden Parallelen zwischen beiden Spielen geradezu auf; und Mafia III verliert ihn leider deutlich. Nur selten hat die Stadt etwas wirklich Sehenswertes oder Überraschendes zum Verweilen zu bieten, meistens dient sie lediglich dazu, obligatorische Fahrten mit 60er-Jahre-Schlitten, die man heute Oldtimer nennen würde, zu den Zielorten zu ermöglichen. Obwohl deutlich liebevoller und detaillierter gestaltet als die Welten in anderen GTA-Nachahmern wie Watch_Dogs, bleibt New Bordeaux insgesamt etwas blass. Schade.
Fazit:
Mafia III ist ein Spiel, das so opulent und aufwändig entwickelt wurde, wie es die laute Werbekampagne vermuten lässt. Die Art und Weise, wie die Geschichte um Lincoln Clay, seinen Rachefeldzug und sein Mafiaimperium erzählt wird, ist wirklich gelungen. Die Story motiviert zum Weitermachen. Bei der grafischen Gestaltung und vor allem der Soundkulisse haben die Entwickler kaum Kosten und Mühen gescheut. Spielerisch ist Mafia III jedoch nichts Besonderes. Wie in so ziemlich jedem Open-World-Spiel der vergangenen Jahre geht es darum, nach und nach Missionen in einer offenen Stadt zu erfüllen. Allerdings wendet der Protagonist in Mafia III dafür die immer gleichen Mittel und Methoden an, dem Spiel fehlt es an spielerischer Variation, um langfristig zu unterhalten. So verkommt Mafia III zu oft zu spielerischer Fleißarbeit, die man eigentlich nur auf sich nimmt, um mehr von der unterhaltsam inszenierten Geschichte mitzubekommen. Wer das zum Abschalten ganz gerne mag, bekommt ein sehr hochwertig produziertes und stilistisch vielfältiges, spielerisch aber eher gewöhnliches Action-Spiel.
Schade.