
Fairy Tail 2
Vor fast fünf Jahren brachte Koei Tecmo ein JRPG heraus, das einzelne Gameplay-Elemente der Atelier-Reihe mit der Story, den Charakteren und dem chaotischen Charme der erfolgreichen Manga-Serie Fairy Tail verknüpfte (zum NplusX-Test). Nun ist es an der Zeit für einen Nachfolger. Was hat Fairy Tail 2 auf dem Kasten, wie viel Vorwissen braucht man und wie schlägt sich insbesondere die Switch-Fassung? Findet es im NplusX-Test heraus!
Man lebt nur zweimal
Nachdem das Erstlingswerk wenig einsteigerfreundlich mitten in der Story begann, macht Teil 2… genau das Gleiche. Im Prinzip wird ungefähr da angefangen, wo der Vorgänger aufgehört hat, ohne den Spieler dabei irgendwie abzuholen. Die Magiergilde um den hitzköpfigen Natsu und seine Freunde hat sich in der Einleitungssequenz gerade mit einem der Spriggan 12 angelegt. Diese sind die Generäle des Alvarez-Imperiums, welches im Begriff ist, die Stadt Magnolia anzugreifen und einen Krieg anzuzetteln. Fortan ist es an euch, eure geliebte Gilde und ihre Stadt zu verteidigen, die Spriggan 12 zu besiegen und euch sowohl dem Herrscher des Imperiums Zeref als auch dem mächtigen Dragon Slayer Acnologia zu stellen. Ganz ehrlich, die Story kann in diesem Spiel gar nicht das Hauptaugenmerk sein. Fans der Anime-Serie oder des Manga kennen sie eh schon und alle anderen werden derart ungalant ins Geschehen geworfen, dass es schwer wird, ihm irgendwie zu folgen oder sich auch nur dafür zu interessieren. Dass ungefähr alle zwei Minuten ein Charakter auf dramatische Art und Weise “stirbt”, nur um zwei weitere Minuten später doch nicht tot zu sein, nimmt der Story auch das letzte bisschen Glaubwürdigkeit und Würze. Anders sieht es aber bei den quirligen, chaotischen Charakteren aus. Diese bedienen zwar diverse Anime-Klischees (Natsu will z.B. wie Son-Goku und Ruffy immer kämpfen und hat immer Hunger), sind aber durchaus liebenswert und ihre überzeichneten Interaktionen können euch vermutlich gelegentlich ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern.
Liebesgrüße aus Ryza 2
Auch das Gameplay kann leider nicht so richtig fesseln. Während ihr auf der großen, aber abwechslungsarmen Spielwelt zum nächsten Questmarker lauft und gelegentlich Items einsammelt, stellen sich euch haufenweise Gegner in den Weg, die es in einem von Atelier Ryza 2 abgekupferten Kampfsystem zu besiegen gilt. Drei Fairy-Tail-Mitglieder können aktiv am Kampf teilnehmen, wobei ihr nur einen davon selbst steuern könnt. Die Gegner werden mit Kombos beharkt, die spezielle Aktionspunkte kosten, die sich mit der Zeit regenerieren. Sobald ihr die Elementschwäche der Gegner herausgefunden habt, könnt ihr also die effizienteste Kombo so lange wiederholen, bis der Kampf vorbei ist. Bosskämpfe versuchen das Geschehen etwas aufzuwirbeln, indem ihr verschiedenen Statuseffekten oder anderen zeitlich begrenzten Beeinträchtigungen ausgesetzt werdet, aber an der generellen “Strategie” ändert sich auch dort nichts. Die Spezialattacken sehen, wie es sich für ein Anime-Spiel gehört, over-the-top und cool aus, allerdings können sie nach der 100. Aktivierung auch nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass dem Kampfsystem wie auch allen anderen Mechaniken dieses Spiels die Tiefe fehlt. Ein Crafting-System wie die Alchemie aus der Atelier-Reihe sucht man hier vergebens, bei verschiedenen Händlern könnt ihr lediglich gesammelte Items gegen andere eintauschen. Ähnlich wie in Atelier Ryza 3 tauchen übrigens gelegentlich Sidequests in eurer Nähe auf. Die Questgeber verlangen dann in allen Fällen entweder bestimmte Items von euch oder möchten, dass ihr eine gewisse Anzahl an bestimmten Gegnern besiegt. Zur Story oder Charaktervertiefung beitragende Quests, wie es sie gelegentlich noch im Vorgänger gab, sucht ihr hier vergebens, diese wurden stattdessen in kleine optionale Gespräche gepackt, denen ihr an Lagerfeuern lauschen könnt, wenn ihr bestimmte Bedingungen erfüllt habt.
Die Switch hat keine Zeit zu sterben
Weder grafisch noch technisch gesehen macht das Spiel groß was her. Die Charaktere im Anime-Stil wurden gut getroffen, bewegen sich aber extrem hölzern und steif, wie es für low-budget JRPGs üblich ist. Die Hintergründe und Texturen allerdings sind von unterdurchschnittlicher Qualität, vor allem in der Switch-Version, in der diese noch einmal abgespeckt wurden, um die angepeilten 30 FPS wenigstens halbwegs stabil zu halten, was auch immerhin meistens gelingt. Lediglich die Vertonung kann, wie auch schon im Vorgänger, glänzen. Der anregende Soundtrack besteht zwar zum Teil aus recycelten Stücken, hat aber auch ein paar neue Tracks, die die Stimmung heben und die japanische Sprachausgabe steht dem der Anime-Vorlage in nichts nach. Ladezeiten gibt es zwar wenige, aber wenn sie kommen, dann dauern sie, zumindest in der Switch-Version, ewig. Allein das Spiel zu starten dauert über eine Minute und das Betreten oder Verlassen des Gilden-Hauptquartiers will wohl überlegt sein, da ihr dann auch erst einmal eine Weile auf den Ladebildschirm starren dürft. Bei der überraschend geringen Spielzeit von gerade einmal 15 Stunden bis zum Abspann machen diese also fast schon einen signifikanten Anteil eures Erlebnisses aus. Immerhin gibt es nach den Credits noch eine Postgame-Story, die euch je nach Motivation noch ein paar Stunden Content liefern kann.
FAZIT:
Dass die Entwickler des KoeiTecmo-Studios Gust ihr Hauptaugenmerk auf den neuesten Atelier-Teil, Atelier Yumia gelegt haben, dürfte niemanden überraschen. Trotzdem haben sie ein funktionelles Fairy-Tail-JRPG nebenher produzieren können, dem es aber an allen Ecken und Kanten an Substanz, Abwechslung und abseits von Fanservice an Motivation für die Spieler mangelt. Fans des Mangas können gerne einen Blick auf das Spiel werfen, um noch ein paar lustige Szenen mit ihren Lieblingscharakteren zu entdecken, aber für alle anderen fällt es mir echt schwer, eine Empfehlung auszusprechen. Der Vorgänger hatte zwar ebenfalls seine Probleme, aber immerhin ein spannenderes Kampfsystem, interessantere Sidequests und eine ungefähr doppelt so lange Spielzeit. Wenn ihr also unbedingt ein Fairy-Tail-Spiel spielen wollt, greift lieber zum Erstling oder beschäftigt euch stattdessen mit anderen Anime-JRPGs wie der Sword-Art-Online-Reihe, One Piece Odyssey oder Dragon Ball Kakarot - alles übrigens Spiele, die ebenfalls für die Switch erhältlich sind.