Test

Fairy Tail

Von Deniz Üresin am 30.07.2020

Ein Gust-Spiel nach eurem Gusto?

Fairy Tail hat sich als Manga- und Anime-Serie im Shonen-Bereich mit spektakulären Kämpfen, einer Menge Witz und viel „Fanservice“ längst etabliert. Im Prinzip war es also nur eine Frage der Zeit, bis sich entweder Bandai Namco oder Koei Tecmo der Sache annehmen, mit einem Videospiel Kapital aus der IP zu schlagen. Dieses Mal hat Koei Tecmo das Rennen gewonnen, allerdings fast schon überraschenderweise keinen Warriors-Spinoff-Titel mit Massenprügeleien für die Figuren von Mangazeichner Hiro Mashima geplant. Stattdessen wurde das Franchise in die geübten Hände der fast schon am Fließband JRPGs produzierenden Leute des internen Studios Gust gelegt. Diese sind vor allem für ihre Atelier-Reihe, aber auch für ihre häufig recht knapp bemessenen Budgets bekannt. Tatsächlich lassen sich beide Aspekte, also die Erfahrung Gusts mit ihrer Atelier-Reihe, als auch die geringen Entwicklungskosten, in ihrem neuen JRPG wiederfinden.

Fanservice und „Fanservice“

Gehen wir aber vielleicht zuerst mal auf eine der dringendsten Fragen ein:

„Muss ich Fairy Tail geschaut/gelesen haben, um Spaß an dem Spiel haben zu können?“

Nun ja. Ein eindeutiges „Nein“ kann ich hier leider nicht anbieten. Das Spiel startet nämlich nicht zu Beginn der Story von Fairy Tail, sondern mehr oder weniger mittendrin. Natsu, Lucy und all die Mitglieder der Fairy-Tail-Gilde sind mitten in einem Kampf gegen einen bösen Zauberer, werden nach dem Sieg aber plötzlich für ganze sieben Jahre auf einer Insel festgehalten. Gegen wen sie da eigentlich kämpfen und warum, wird tatsächlich im Spiel nie erklärt. Nach ihrer Rückkehr ins Land Fiore ist die Gilde sowohl in ihrer Reputation als auch finanziell gesehen an einem Tiefpunkt angelangt. Das Spiel dreht sich folgendermaßen darum, wie sich Fairy Tail wieder an die Spitze der Magier-Gilden zurückkämpft und dabei nebenher auch noch die Welt retten muss. Habt ihr den Anime nicht geschaut und den Manga nicht gelesen, werdet ihr sehr viele Storypunkte erst sehr spät im Spiel oder sogar gar nicht verstehen, ganz zu schweigen von den zahllosen Anspielungen der Charaktere an bereits erlebte Abenteuer. Für Fans, die die Handlung bereits kennen und diese ab einem bestimmten Punkt nachspielen wollen, ist das natürlich kein Problem, aber Neueinsteiger werden nicht unbedingt freundlich begrüßt.

Neben dem richtigen Fanservice, von dem es vor allem durch die vielen Charakterinteraktionen und dem serientypischen Humor jede Menge gibt, existiert aber auch einiges an „Fanservice“ im Spiel. Es würde mich zumindest nicht wundern, wenn Rückenschmerzen eine der häufigsten Beschwerden von Frauen im Königreich Fiore wären. Immerhin muss Koei Tecmo hier ein großes Lob ausgesprochen werden: Bademoden-Kostüme für alle spielbaren Charaktere sind im Hauptspiel enthalten und werden automatisch ab einem gewissen Punkt freigeschaltet und müssen nicht per DLC nachgekauft werden (allerdings wird es auch weitere Kostüme und spielbare Charaktere in naher Zukunft zu kaufen geben).

Atelier Lucy

Abseits von der typischen Shonen-Anime-Story, die leider mitten im Geschehen anfängt, hat Fairy Tail als JRPG mit rundenbasiertem Kampfsystem aber auch noch ein wenig Gameplay zu bieten. Der Fokus des Spiels liegt neben der Fortsetzung der Geschichte vor allem auf Charakterinteraktionen und dem Abarbeiten von Quests. Eure Operationsbasis befindet sich, abhängig vom Spielfortschritt, entweder im Gildenhauptquartier der Fairy-Tail-Gilde in der Stadt Magnolia, oder in einem Hotel in der Stadt Crocus. Um eurer Gilde wieder zu Ruhm und Reichtum zu verhelfen, werdet ihr Aufträge von den Städtern annehmen müssen, die sich auf dem Questbrett finden lassen. Habt ihr eine Quest angenommen, könnt ihr noch schnell eure aktive Party zusammenstellen und dann ähnlich wie in einem Atelier-Titel die Stadt verlassen und auf der Weltkarte eines der freien Gebiete anwählen, in das ihr euch begeben wollt. Diese Gebiete sind relativ klein und überschaubar und wimmeln nur so von sammelbaren Items und Gegnern. Je nach Quest-Typ müsst ihr hier bestimmte Gegenstände einsammeln oder bestimmte Gegner besiegen, bevor ihr wieder in eure Basis zurückkehrt und die Quest beenden könnt, was euch Geld, aber auch Reputationspunkte einbringt, mit denen ihr im Gilden-Ranking aufsteigt. Dies ermöglicht euch, noch schwierigere Quests anzunehmen und gelegentlich müsst ihr für den Storyfortschritt auch einen bestimmten Gildenrang erreicht haben.

In den rundenbasierten Kämpfen stehen euch Genretypisch normale Angriffe, Magie und Items zur Verfügung, allerdings haben sich die Entwickler einige Eigenheiten einfallen lassen, um das Kampfsystem etwas aufzupeppen. So verteilen sich Gegner auf einem schachbrettartigen Feld und mit euren Magieangriffen könnt ihr jeweils spezifische Formen auf diesem Feld attackieren. Ihr habt also stets die Qual der Wahl zwischen starken Angriffen, die nur ein einziges Feld anvisieren und damit auch nur einem Gegner Schaden zufügen können und MP-intensiveren Zaubern, die größere Flächen abdecken und bei richtiger Platzierung vielleicht sogar allen Gegnern gleichzeitig zusetzen können. Neben den handelsüblichen HP- und MP-Leisten füllen sich aber noch zwei weitere Leisten während des Kampfgeschehens auf. Habt ihr die Fairy-Leiste durch Austeilen und Einstecken von Schaden gefüllt, könnt ihr verheerende Komboattacken einsetzen, deren Länge davon abhängt, wie nahe sich die beteiligten Charaktere stehen. Die Awakening-Leiste, die sich nur durch eingesteckten Schaden auffüllt, kann jederzeit verwendet werden, um Folgeangriffe einzusetzen, doch eine gefüllte Leiste lässt eure Charaktere in den Awakening-Modus wechseln, der sie für einige Runden deutlich stärker macht und Zugriff zu besonders starken Zaubern gewährt.

Das interessante Kampfsystem kann in mehreren Schwierigkeitsgraden genossen werden, wobei der normale Modus Kennern des Genres zu keinem Zeitpunkt großartige Probleme bereiten sollte. Auf Schwer müsst ihr euch aber zumindest in den zahlreichen Bosskämpfen eine geeignete Taktik überlegen, um zu überleben und dürft auch nicht den Einsatz von Heilitems scheuen.

Abseits von den Kämpfen könnt ihr eure Gilde mit fortlaufendem Storyfortschritt immer weiter ausbauen. Eine Crafting-Station für Ausrüstungsgegenstände (ohne die Atelier-typischen Minispiele), ein Itemladen und eine Bar, an der ihr euch Drinks genehmigen könnt, die kurzzeitig eure Statuswerte boosten, sind allesamt gegen Geld und entsprechende Materialien ausbaubar und liefern euch im Kampf auch ein paar passive Boni, wie zum Beispiel, dass nicht aktive Gruppenmitglieder mehr als nur die Hälfte der gewonnenen Erfahrungspunkte bekommen.

Liebling, ich habe das Budget geschrumpft

Die Quests vom Anschlagbrett sind zwar allesamt simple Itemsammel- und Killquests, aber auch die effizienteste Einnahmequelle für Geld und Reputation. Außerdem gibt es einige Quests, die ihr nur mit einer vorgefertigten Party abschließen könnt und meist kleine Interaktionen zwischen den Mitgliedern mit sich bringen. Durch häufiges gemeinsames Kämpfen steigt der Beziehungsrang zwischen euren Charakteren, was sich in stärkeren Komboattacken und MP-Vergünstigungen auswirkt.

Große Pluspunkte des Spiels sind neben der gelungenen japanischen Sprachausgabe auch die detailgetreuen und ausdrucksstarken Charaktermodelle sowie die bombastischen, effektreichen Kampfanimationen und der energetische Soundtrack, der oft auf schnelle Einlagen von Streich- und Handzuginstrumenten setzt. Über die restliche Spielwelt und die allgemeine Technik lässt sich aber leider nicht sehr viel Positives sagen.

Die Umgebungen sind teils extrem texturarm, Gegner- und NPC-Modelle werden in großem Maßstab recycelt und die Framerate ist alles andere als stabil und schwankt in allen Bereichen ständig zwischen 20 und 30 FPS. Dies ist übrigens kein Switch-exklusives Problem, da auch die PS4-Version die gleichen Probleme hat. Die Auflösung ist mit stabilen 720p im Handheld-Modus und 1080p im TV-Modus zwar auf dem Papier beachtlich, kann aber nicht über die fast schon mittelalterlichen Texturen und ständigen Framerateprobleme hinwegtäuschen. In Anbetracht der Ähnlichkeit des Spiels zum aktuellen Atelier-Titel Ryza, welches problemlos und flüssig auf Switch und PS4 läuft, kann hier eigentlich nur ein zu niedrig angesetztes Budget oder eine zu geringe Entwicklungszeit als Grund in Frage kommen.

FAZIT:

Fairy Tail kann sowohl Fans der Manga- und Animeserie als auch Neueinsteigern einige Stunden Spielspaß bereiten, auch wenn sich letztere mit dem Gameplay und der etwas klein geratenen Spielwelt begnügen müssen, da ihnen die Story nicht wirklich erklärt wird. Viele liebenswerte Charaktere und ihre witzigen Interaktionen sorgen aber wie auch das effektreich inszenierte Kampfsystem und der treibende Soundtrack für Kurzweil, während sich die detailarmen Umgebungsgrafiken und die schwankende Framerate wiederum negativ auf den Gesamteindruck auswirken. Wenn ihr nicht unbedingt ein Fairy-Tail-Fan seid, gibt es aber tatsächlich keinen Grund, nicht stattdessen Atelier Ryza (zum NplusX-Test) anzugehen.

Unsere Wertung:
7.0
Deniz Üresin meint: "Fairy Tail ist ein spaßiges JRPG für Serienfans, das mit technischen Schwächen zu kämpfen hat."
Fairy Tail erscheint für PlayStation 4 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet.
Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren
3 Kommentare:
Denios)
Denios
Am 30.07.2020 um 20:01
Während eines hitzigen Kampfes brülle ich by the way auch immer erstmal "Enhanced Dragon Slayer Secret Art! Crimson Lotus: Exploding Lightning Blade!", bevor ich meinem Gegenüber eins auf die Rübe gebe.
Tobsen)
Tobsen
Am 31.07.2020 um 00:24
A barrel.
Gust ist echt eine Schmiede, der ich mich in diesem Leben nicht mehr widmen werde. Also mehr als OK sind die Spiele irgendwie nie (Ausreißer in der Atelier-Reihe sind mir bekannt, aber da habe ich schlicht keine Lustehr drauf ^^') und dann kann ich lieber dutzende JRPGs in Betracht ziehen, die eben einfach besser sind und mittlerweile alle auch nach Europa kommen. Ich sehe irgendwie den Point - wenn man nicht gerade der Ultra-Serienvorlagen-Fan ist - an derlei Spielen nicht. Außer der Lizenz ist das einfach lieblos und seelenlos. Naja, gibt es wenigstens eine Trophy fürs Fassberühmten?
Denios)
Denios
Am 31.07.2020 um 09:24
Ka, hab ja die Switch-Version gespielt^^ Also "seelenlos" ist Fairy Tail wirklich nicht. Klar, als Fan kriegt man hier das allermeiste geboten, aber sie haben ja auch ein ganz cooles Kampfsystem implementiert und sich Mühe mit den Magieanimationen gegeben. Ich denke, 95% der Käufer werden Serien-Fans sein und der Rest wird es irgendwann mal für nen Zehner aus ner Grabbelkiste mitnehmen und beide Käufergruppen bekommen etwas, das ihr Geld wert sein wird. Aber wie ich ja auch schon im Test gesagt: Wer kein Fan ist und ein chilliges, nicht zu langes JRPG für Switch oder PS4 sucht, greift lieber zu Ryza. Oder einer der 1000 anderen Alternativen.
Jerry)
Jerry
Am 01.08.2020 um 10:28
Wieso heißt das Spiel Feenschwanz?
Denios)
Denios
Am 01.08.2020 um 14:35
Die Gilde wurde von einer Frau gegründet, die Märchen mag und sich immer gefragt hat, ob Feen existieren und ob sie einen Schwanz haben. Mehr weiß ich auch nicht :D