Test

Reynatis

Von Deniz Üresin am 21.09.2024

Entwickler/Publisher FuRyu dürfte inzwischen eingeschworenen JRPG-Fangemeinden ein Begriff sein, haben sie sich doch in den letzten Jahren sichtlich bemüht, sich einen Namen zu machen. Von den von SaGa inspirierten 3DS-Games The Legend of Legacy (zum Test des Switch-Remasters) und The Alliance Alive (zum Test des Switch-Remasters) zu den Persona-Klonen The Caligula Effect und Monark versuchen sie sich an diversen Subgenres und arbeiten oft mit kleineren Entwicklungsstudios und Industrie-Legenden wie Masato Kato (Scenario Writer für Chrono Trigger und Xenogears) oder Yoko Shimomura (Komponistin der Kingdom-Hearts-Reihe, Final Fantasy XV, Legend of Mana, etc.) zusammen. Einen großen Durchbruch hatten sie bisher noch nicht, aber nun steht Reynatis in den Startlöchern und soll alles ändern. Großer Spoiler: Das wird es nicht.

The World Ends With You 3

Kennt noch jemand das skurrile DS-JRPG The World Ends With You von Kingdom-Hearts-Schöpfer Tetsuya Nomura, welches 2021 überraschenderweise ein Sequel bekommen hat? Die Spielereihe musste dieses Mal als Modell herhalten, denn wenn Reynatis eines unbedingt sein will, dann ist es TWEWY3. Es gibt zwar keine coole Hip-Hop-Musik, aber dafür jede Menge modernes Shibuya, ein unnötig seltsames Kampfsystem, massig möchtegern-philosophische Plattitüden und einen introvertierten, edgy Protagonisten, der sich selbst mega cool findet, weil er seine Gefühle nie zur Schau stellt. Eine Sidequest-Reihe mit Charakteren aus TWEWY2 gibt es sogar auch.

In Reynatis leben Magier unter den Menschen. Diese haben ihre Fähigkeiten entweder seit ihrer Geburt oder durch eine Nahtoderfahrung erhalten. Das Einsetzen von Magie in der Öffentlichkeit ist aber illegal und wer sich dem widersetzt, bekommt es mit der M.E.A. zu tun, einer Polizei-Einheit aus Magiern. Neben gesetzeslosen Magiern schlägt sich die M.E.A. aber auch mit “Verdammten” und Rubrum-Dealern herum. Wer Rubrum (eine Droge aus Magierblut) zu sich nimmt, wird sehr schnell abhängig und verwandelt sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit über mehrere Schritte in ein Monster, das alles um sich herum zerstört. Dann gibt es da noch die Gilde, die in einer Art Parallelwelt lebt, die nur aus schlauchigen Waldabschnitten zu bestehen scheint und gelegentlich für Unruhen in Shibuya sorgt. Und Korruption innerhalb der eigenen Reihen darf natürlich auch nicht vergessen werden. Als Story-Twist beginnt das Spiel damit, euch abwechselnd in die Rolle einer M.E.A.-Agentin und eines freien Magiers (der so gaaaaaar kein Neku-Verschnitt ist…) zu stecken und die beiden Fraktionen öfter aufeinandertreffen zu lassen. So deckt ihr nach und nach die Korruption innerhalb der M.E.A. auf und sucht einen Weg, das Rubrum endgültig zu vernichten, das in einer von der Gilde kontrollierten Fabrik hergestellt wird. Aber ganz im Ernst - so wirklich neu ist keiner dieser Aspekte. Und so wirklich durchdacht leider auch nicht. Nachdem die ex-M.E.A.-Agentin Sari zum Beispiel nach einer Vertuschungsaktion ihres Vorgesetzten als Abtrünnige gesehen wird und sie selbst auf der Flucht ist, versucht sie trotzdem noch, einen streunenden Magier zu verhaften. Wem hätte sie denn den Magier ausgeliefert, wenn er sich tatsächlich ergeben hätte?

Diese Undurchdachtheit setzt sich leider auch im Gameplay fort.

Gameplay vom unfeinsten

Das alltägliche Gameplay besteht darin, dass ihr mit einer Truppe aus bis zu drei Charakteren per Handy Missionen annehmt und dann durch kleine, voneinander abgetrennte Bereiche in Shibuya lauft und diese erfüllt. Die Missionen bestehen eigentlich nur daraus, dass ihr gegen Gegner (meist verwandelte Verdammte oder M.E.A.-Agenten) kämpft oder einfach nur zum Ziel lauft und die entsprechende Person ansprecht. Unterwegs könnt ihr noch “Wizarts” betrachten (magische Graffitis, die euch Geld, Erfahrungspunkte oder neue Zaubersprüche bringen) oder am Getränkeautomaten Heilitems kaufen. Ab und zu geht es dann durch ein Portal in die waldartigen Gebiete (wobei es auch eine Wüstengegend gibt) der Parallelwelt, die nur aus Schlauchwegen und kleinen Räumen mit Gegnern bestehen. Im Kampf könnt ihr in eurer normalen Form erstmal nur ausweichen, wobei ihr mit gut getimten Ausweichschritten dem Gegner Mana entzieht. Per Druck auf die L-Taste entfesselt ihr dann euren Magier-Modus, in dem ihr auch angreifen könnt, solange Mana verfügbar ist. Neben einer einzigen Angriffskette können noch bis zu zwei Spezialattacken verwendet und ein paar passive Skills ausgerüstet werden. Das Kampfsystem ist, schnell zusammengefasst, sehr unausgereift. Die hammerschwingende Dame Moa zum Beispiel ist so extrem langsam, dass sie im Kampf nicht wirklich benutzt werden kann, weil sie stirbt, bevor sie auch nur ihren ersten Schlag beendet hat und “Nicht-Neku” ist zumindest in der ersten Spielhälfte dermaßen OP, dass er quasi den Easy-Mode darstellt. Das Ausweichen, um Mana zu sammeln, funktioniert mal besser, mal schlechter, aber ganz im Ernst, Heiltränke sind derart billig, dass man sich bereits nach kurzer Zeit 999 davon ins Inventar ballern und per Druck aufs Steuerkreuz im Kampf jederzeit einen einverleiben kann, was selbst Bosskämpfe, die manchmal fast schon Spannung erzeugen könnten, absolut trivial macht. In der zweiten Spielhälfte werden manche Gefechte Dank Dauerfeuer der weiter weg stehenden Gegner dann aber auch mehr zum Bullet-Hell-Spiel, bei dem Ausweichen quasi unmöglich ist, da sind die Tränke auch wirklich notwendig. Spaß macht dieser Spielstil jedenfalls nicht. Es gibt auch noch ein Stress-System, das sich auf die Performance im Kampf auswirkt (beim Sprechen mit manchen NPCs oder wenn ihr in der Magierform herumlauft und entdeckt werdet, steigert sich euer Stresslevel, was den Angriff erhöht und die Verteidigung verringert), aber auch das tut im Endeffekt nichts zur Sache und ist nur eine nette Idee, die nicht gut umgesetzt wurde. Retten wir beispielsweise einen NPC vor einem Monster, erschreckt sich dieser, wenn er uns als Magier sieht, wodurch wir die Quest nicht abschließen können. Also müssen wir “untertauchen” aka uns in einen zwei Meter entfernten ausgewiesenen Kreis für drei Sekunden stellen, damit die ganze Welt ruckartig vergisst, dass wir gerade noch als Magier unterwegs waren. Dann können wir uns den Dank des NPCs abholen. Was für ein Quatsch. 

Katastrophale Technik

Reynatis kann also weder mit einer guten Story noch mit gutem Gameplay glänzen. Haben die Entwickler dann wenigstens irgendetwas anderes gut gemacht? Leider nein. Die Switch-Version, die wir als Testmuster hier haben, könnt ihr komplett vergessen. 30 FPS werden nur selten erreicht, meistens stottert das Game weit darunter herum. Nach dem Betreten eines neuen Areals, das bereits einige Sekunden Ladezeiten beansprucht, lädt noch etwa die Hälfte des Games nach, sodass ihr euch die ersten 5 Sekunden in einem neuen Gebiet gar nicht bewegen könnt oder ein Daumenkino mit maximal 10 FPS seht. Das ist angesichts der Texturen auf PS2-Niveau einfach nur unverständlich. Der eher dunkel gehaltene Anime-Artstyle, der von den neonfarbenen Leuchtreklamen Shibuyas akzentuiert wird, kann natürlich seine Fans haben, aber ganz böse gesagt hab ich bei den Character Artworks nichts gesehen, was ein KI-Programm nicht auch hinbekommen hätte.

Die großartige Yoko Shimomura wird in den Credits zwar als Komponistin gelistet, aber wirklich Mühe gegeben hat sie sich wohl, wie der Rest des Entwicklerteams, auch nicht. Die Tracks plätschern meist wenig aufregend im Hintergrund umher, wenigstens in dem seltsamen Waldgebiet gibt es ein bisschen schönes Gedudel. Falls ihr übrigens gerne eure genaue Spielzeit im Blick behalten wollt, dürft ihr das Game niemals in den Standby-Modus der Switch schalten, denn da wird die Zeit munter weitergezählt - ein Fehler, den ich so in keinem Spiel nach 2017 mehr gesehen habe. 

FAZIT

Ja, ich habe mich sehr kurz gehalten und manche Aspekte des Spiels wie z. B. das Malice-System gar nicht beleuchtet. Es macht aber auch keinen Unterschied, denn die meisten Mechaniken in dem Spiel klingen nur in der ersten Sekunde interessant, werden aber entweder schlecht ausgeführt oder sind belanglos. Die Tokyo RPG Factory (I am Setsuna, Lost Sphear, Oninaki) von Square Enix hat genau drei Chancen bekommen, einen Hit zu landen, bevor sie aufgelöst wurde. FuRyu hingegen entwickeln und publishen Nieten fast schon am Fließband und stehlen uns Reviewern wertvolle Zockzeit. Wenn ihr richtig Bock auf Kämpfe zwischen Magiern im modernen Shibuya habt, könnt ihr vielleicht in die kostenlose Demo auf der Playstation 4/5 oder am PC reinschauen, aber ich kann und will dieses Spiel nicht empfehlen, vor allem nicht auf der Switch. Für einige interessante Ansätze (die aber alle nicht ausgereift sind) gibt es ein paar Trostpunkte. Ich bin bei diesem Publisher jetzt erstmal raus.

UPDATE vom 21.09.2024:

Lustigerweise gab es einen Tag nach dem Embargo einen Patch, der das Spiel deutlich flüssiger macht. Die Daumenkino-Sequenzen nach dem Arealwechsel sind passé und auch generell werden die 30FPS jetzt öfter erreicht (nicht immer, aber öfter). Viele Aktionen wie das Betrachten der Wizarts dauern jetzt auch kürzer. Das gibt dann noch einmal 0.5 Extrapunkte, da die Technik jetzt doch ein ganzes Stück besser funktioniert. Warum das Update, das in der japanischen Version des Spiels (das schon seit Juli draußen ist) schon seit Wochen existiert, erst direkt nach dem Review-Embargo rauskommt, ist allerdings fragwürdig. Wollt ihr euch selbst sabotieren, FuRyu?

Unsere Wertung:
4.0
Deniz Üresin meint: "Nehmt einfach irgendein anderes JRPG auf eurer Lieblingskonsole und spielt das stattdessen. "
Reynatis von FuRyu erscheint am 27.09.2024 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von NIS America/PLAION zur Verfügung gestellt.
Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren