The Legend of Legacy HD Remastered
Cattle Call ist ein relativ unbekannter kleiner japanischer Entwickler, der bisher ausschließlich Nischenprojekte betreute. Zusammen mit Publisher FuRyu wollte man das 2015 auf dem Nintendo 3DS schließlich ändern und mit The Legend of Legacy zu Ruhm und Ehre gelangen. Der recht spartanische Dungeon Crawler mit SaGa-Levelsystem und Pop-Up-Buch-Ästhetik warb mit großen Namen, die am Projekt mitarbeiteten, wie zB Masato Kato (Drehbuchautor für Chrono Trigger, Final Fantasy VII, Xenogears uvm) und Masashi Hamauzu (Komponist diverser Final-Fantasy- und SaGa-Soundtracks). Nun ist Cattle Call immer noch ein relativ unbekannter kleiner japanischer Entwickler, also versuchen sie es erneut, hierzulande mit der Hilfe von NIS America. Wie auch schon der spirituelle Nachfolger The Alliance Alive (zum Test) bekommt The Legend of Legacy nun eine HD-Neuauflage für Switch, PS4 und Steam. Schauen wir uns mal an, was das Spiel so kann!
Watt denn für ne Legende?
Wer sich bei Masato Kato gedacht hat “geil, das wird ne epische Story!”, wird vermutlich so schwer enttäuscht wie nie in seinem Leben. Eine angedeutete, ganz okay klingende Lore gibt es zwar, aber von einer Handlung kann nicht wirklich die Rede sein. Ihr sucht euch zu Spielbeginn einen von sieben Charakteren aus, der euer Hauptcharakter ist und dessen Beweggründe, auf die Insel Avalon zu ziehen und nach dem Star Graal zu suchen, kurz angerissen werden. Um den Graal ranken sich viele Legenden und so brechen immer wieder kühne Abenteurer auf, ihn zu finden, doch niemand kam je erfolgreich zurück, wenn überhaupt. In Avalon angekommen, begrüßt euch der König der relativ neu entdeckten Insel und gibt euch die Aufgabe, diese zu erkunden. Fortan durchschreitet ihr also diverse Landschaften, kartografiert, was das Zeug hält und haltet nach Informationen zum Graal Ausschau. Dabei kommen euch mannigfaltige Gegnerhorden sowie der eine oder andere Bossgegner in die Quere. Nach kurzer Zeit findet ihr einen Singing Stone, der euch einen Teil einer alten Legende vorsingt. Anscheinend gab es vor geraumer Zeit einmal Menschen auf dieser Insel, die als “God People” bezeichnet wurden, doch was aus ihnen geworden ist, bleibt vorerst ein Mysterium…
Wie gesagt, klingt vorerst zwar auch nicht allzu kreativ, aber nicht direkt schlecht, nur wird damit einfach gar nichts gemacht. Von eurem Hub-Dorf aus wählt ihr auf der World Map ein Gebiet an, erkundet es, kehrt zurück, kauft euch eine leere Map für ein neues Gebiet, erkundet es, und so weiter. Nach jedem größeren Story-Bossgegner bekommt ihr dann eine sehr kurze Cutscene präsentiert, in der ihr etwas mehr über die Hintergründe eures Hauptcharakters erfahren könnt, aber das wars dann auch wirklich.
Legend of Langweily
Das Spiel geht aber nicht nur mit der Handlung, sondern generell mit allen Informationen über sich selbst recht sparsam um. Was ihr genau tun müsst, um die “Story” voranzutreiben, wird euch nicht gesagt, wie das Kampfsystem funktioniert, eigentlich auch nicht. Es gibt In-Game immerhin einen Guide, der das allernötigste abdeckt, alles andere müsst ihr euch selbst erarbeiten. Zum Glück gibt’s das Spiel Dank der 3DS-Version schon lange genug, sodass ihr Walkthroughs, Tipps und Spielhilfen problemlos im Internet finden könnt, wenn ihr daran interessiert/darauf angewiesen seid (ich wusste an einer Stelle jedenfalls so gar nicht, wie es jetzt weitergeht, aber das war auch meine Schuld, da hätte ich besser aufpassen müssen).
Der Gameplay-Loop hat mit seiner Unaufgeregtheit fast schon etwas Meditatives an sich. Im Hub-Dorf gibt es fast gar nichts zu tun, dort könnt ihr in einem Inn übernachten, um euch zu heilen, ein Schiff losschicken, das für euch nach Equipment sucht, beim Händler Gegenstände kaufen und verkaufen und in der Taverne oder mit dem König quatschen, um ein paar Infos über das aktuelle Geschehen zu erhalten (Spoiler: davon gibt’s nicht viele). Trefft ihr einen Charakter, der nicht wie einer der 3 NPC-Modelle aussieht, sprecht ihn ruhig an, denn er ist wahrscheinlich einer der sieben möglichen Startcharaktere und lässt sich rekrutieren. Da ihr aber nur bis zu drei Mitglieder in eurer Party gleichzeitig nutzen dürft und jeder Charakter prinzipiell dasselbe kann, lohnt es sich eigentlich überhaupt nicht, an seinem Start-Trio etwas zu ändern.
Draußen in der Wildnis von Avalon seid ihr stets mit einer Karte unterwegs, die es zu füllen gilt, ähnlich also wie in Etrian Odyssey, aber mit Auto-Mapping und ohne Ego-Perspektive. Fertiggestellte Karten könnt ihr für ordentlich Geld verkaufen, aber wichtiger ist es, alle für die “Story” relevanten Punkte und Ausgänge der Maps zu entdecken. Daher gebietet es sich, dass ihr einen Großteil des Spiels damit verbringt, ziellos durch die Gegend zu laufen und rundenbasierte Kämpfe zu bestreiten. Und zwar jede. Menge. Kämpfe.
SaGa does what other JRPGs don’t
SaGa-Fans kennen und lieben es, alle anderen JRPG-Fans fragen sich, was das soll: Sowohl Level- als auch Kampfsystem von The Legend of Legacy sind mit ein paar Anpassungen direkt der Serie entnommen, die das Spiel so fieberhaft versucht nachzuempfinden. Anstelle von traditionellen Levels und Erfahrungspunkten steigen die Stats eurer Charaktere gelegentlich zufällig nach Kampfende. Neue Skills mit einer spezifischen Waffe werden, ebenfalls zufällig, gelernt, wenn ihr diese Waffe häufig einsetzt. Dazu kommt noch, dass jeder Charakter sich während des Kampfes in einer bestimmten Haltung befindet, die entweder der Angreifer-, Verteidiger- oder Supportrolle zugeordnet werden kann. Benutzt ihr einen Skill in der Angriffshaltung, steigt der Angriffslevel des Skills, dadurch wird er stärker, sofern ihr ihn in der Angriffshaltung verwendet. In der Verteidigungshaltung müsstet ihr den gleichen Skill unabhängig hochleveln, wenn ihr ihn dort effektiver machen wollt. Mit welchen Waffen die Charaktere am besten umgehen können, lässt sich anhand ihrer Startwaffen sehen, allerdings kann jeder Charakter jede Waffe benutzen und gleich gut darin werden, auch wenn manche Kombinationen etwas langsamer leveln als andere. Als Alleinstellungsmerkmal des Kampfsystems gilt das Elementsystem. Mit einem entsprechenden Singing Shard ausgerüstet kann einer eurer Charaktere die Kräfte eines Elements (Wasser, Wind oder Feuer) auf seine Seite ziehen und ist dann in der Lage, entsprechende Elementzauber zu wirken (solange diese gelernt sind oder entsprechende Whispering Shards ausgerüstet sind). Zusätzlich bekommt die Gruppe, auf deren Seite das Element steht, einen Buff. Ist euch das Wasserelement also zugeneigt, bekommt ihr jede Runde ein paar HP geheilt. Gegner können das Element aber auch auf ihre Seite ziehen, sodass ihr immer darauf achten solltet, die entsprechenden Singing Shards bereitzuhalten.
Das Spiel ist durchaus fordernd, allerdings nur so lange, bis ihr eine entsprechende gut funktionierende Kombi aus Haltungen und Angriffen für das aktuelle Gebiet gefunden habt, dann könnt ihr eigentlich auf Durchzug stellen und jeden Encounter damit nach und nach niedermähen. Lediglich im allerletzten Abschnitt zieht der Schwierigkeitsgrad enorm an und verlangt etwas mehr Köpfchen und leider auch (zufallsbasiertes) Grinding. Gehen die HP eines eurer Charaktere auf 0, ist dieser vorerst außer Gefecht gesetzt, kann aber mit einem normalen Heilzauber oder -Item wieder geheilt werden. Jeder weitere Angriff auf ein ohnmächtiges Partymitglied entzieht diesem aber die maximalen HP - fallen diese auf 0, heißt es Game Over! In Ermangelung eines Autosave-Features kann ich also nur empfehlen, häufig vom Quick Save Gebrauch zu machen.
“mal was anderes”?
Nicht nur die Gameplay-Mechaniken sind von der Marke “klingt interessant, hätte man aber anders doch besser umgesetzt”. Die Designer hatten die Idee, die Spielwelt wie ein Pop-Up-Buch aussehen zu lassen. Beim Wandern durch die unterschiedlichen Areale von Avalon springen euch also quasi ständig Büsche, Bäume, Felsen und dergleichen ins Gesicht. Ist definitiv etwas, was es so noch nicht auf dem 3DS gab, aber praktisch ist es auch nicht wirklich, weil es im Prinzip einfach nur eine extrem beschränkte Draw Distance ist und die Orientierung und Übersichtlichkeit behindert. Nicht selten werden umherwandernde Gegner (die super aggressiv sind und einen bis ans Ende der Welt verfolgen, wenn sie einen sehen) oder sogar Fallen von hochschießenden Objekten verdeckt, sodass man in sie hineinläuft. Dazu kommt, dass die viel zu große Gegnerdichte manchmal ermüdend wirken kann, wenn man einfach nur ein bisschen erkunden will, weil ihr den Gegnern kaum ausweichen könnt, die Kämpfe teilweise echt lange dauern können und ihr, falls ihr flieht, wieder am Eingang des Gebietes landet.
Das HD-Remaster bietet übrigens neben der höheren Auflösung rein gar nichts neues, falls ihr euch das bisher gefragt hattet. Trotzdem ist der Re-Release teurer als es das Original damals war. So lieben wir das.
FAZIT
Kommentarschreiber Tobsen bezeichnete die beiden Cattle-Call-3DS-JRPGs The Legend of Legacy und The Alliance Alive in unserem Discord-Channel als “3DS-B-Tier”, die er zudem nicht wirklich auseinander halten könne. Tatsächlich halte ich “B-Tier” fast schon für zu nett. Je nachdem, wie weit die Skala im Alphabet runtergeht, würde ich zumindest The Legend of Legacy sogar eher im C-Tier sehen. Während TAA zumindest eine halbwegs ansprechende Story und sympathische (wenn auch sehr eindimensionale) Charaktere mit sich bringt, ist TLoL einfach nur ein Standard-Dungeon-Crawler mit SaGa-Kampfsystem. Mit einer netten Playlist oder einem Podcast auf der Couch eingemummelt oder auf einer langen Zugfahrt kann schon so etwas ähnliches wie Spielspaß entstehen, wenn man immer und immer wieder die gleichen Kämpfe absolviert und dann ab und zu einen neuen Skill lernt oder sich die HP des Tanks der Gruppe erhöhen, aber sind wir mal ehrlich: Die Zeit, in denen wir nach jedem JRPG-Strohhalm greifen mussten, weil nur eine handvoll davon im Westen erschien, ist schon längst vorbei. Es gibt auf jeder aktuellen Konsole unzählige bessere Alternativen für jeden Geschmack, den The Legend of Legacy ansprechen möchte. Die Zahlenwertung am Ende ist wohlwollend zu verstehen, denn im Endeffekt ist das Spiel auf dem Papier und mechanisch gesehen gar nicht sooo schlecht, aber es ist leider ein wenig langweilig geworden. Immerhin war es für mich “neu”, da ich den 3DS-Teil nie gespielt habe (und wahrscheinlich haben das die allerwenigsten). Solltet ihr das Spiel aber lediglich für eure Sammlung haben wollen, sind die meiner Meinung nach etwas zu viel verlangten 49,99 Euro für die physische Version immerhin billiger als die in die Höhe schnellenden Gebrauchtpreise der 3DS-Fassung.