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Tales of Kenzera: Zau

Von Robert Emrich am 26.05.2024

Alles, was wir lieben, wird eines Tages enden und vergehen, um im Kreislauf des Lebens Platz für etwas Neues zu schaffen: Ein Gedankengang, der zwar grundsätzlich nicht falsch ist, sich aber nur selten dazu eignet, Launen zu verbessern oder Tischgespräche zu beleben. Der britische Schauspieler und Gründer der Surgent Studios Abubakar Salim, schuf aus dieser Philosophie allerdings, inspiriert durch eigene Verluste und die afrikanische Bantu-Kultur, eine Geschichte, die den Plot für das Metroidvania “Tales of Kenzera: Zau” bildet. Unter der Schirmherrschaft des Publishers EA ist der Titel vor kurzem veröffentlicht worden und wir haben uns die Xbox Series-Version des Spiels, das sich um Trauer und deren Überwindung dreht, für euch einmal angesehen.

Die Geschichte in der Geschichte

Obwohl ihr im Spiel ausschließlich den Charakter Zau spielt, geht es eigentlich um Zuberi, einen Jungen, der jüngst seinen Vater verloren hat. Vor seinem Ableben verfasste der Vater noch die Geschichte des jungen Schamanen Zau und eben jene erlebt ihr mit Zuberi gemeinsam, indem ihr das Spiel spielt. Auch Zau hat jüngst seinen Vater verloren und wendet sich deswegen an Kalunga, den Gott des Todes, um ihm einen Handel vorzuschlagen: Drei große Geister sind dem Tod damals von der sprichwörtlichen Schippe gesprungen und Zau verspricht, sie alle zu finden und ihnen Frieden zu geben, wenn er dafür seinen Vater zurückerhält. Der Tod, in Gestalt eines nett wirkenden älteren Herren, willigt ein und begleitet Zau auf seiner Reise quer durch die Welt, um ihm mit Ratschlägen oder mitunter auch kritischen Meinungen zur Seite zu stehen.

Insgesamt fasst die weitere Geschichte das Thema sehr überlegt an, ohne künstlich rührselig oder grausam zu sein. Zau durchlebt zwar Phasen der Furcht, Trauer, Zorn und Verzweiflung, doch das Spiel hält die Balance und zieht euch nicht mit in die emotionalen Abgründe, die die Figuren der verschiedenen Meta-Ebenen durchleben. Das afrikanische Setting und die Einflüsse der unterschiedlichen Kulturen verleihen dem Spiel ein Gefühl von Frische und Originalität, erinnern zeitweise aber an die “Black Panther”-Filme aus dem Hause Marvel/Disney. Das ist grundsätzlich nicht schlecht, zeigt aber, wie selten uns Medien großflächig erreichen, in denen afrikanische Kulturen den inhaltlichen Ton angeben. Auch wenn einige der genutzten Namen für Orte und Figuren vielleicht nicht ganz so leicht von der Zunge gehen, wäre es doch spannend mehr Spiele in dieser Aufmachung zu erleben.

Metroidvania lite …

Spielerisch bietet Tales of Kenzera: Zau das übliche Metroidvania-Gameplay, das aus Spielen der Metroid-Serie oder Prince of Persia: The lost Crown weitestgehend bekannt ist: In schön gestalteten 2,5-D-Welten kämpft ihr euch durch die offene Welt, deren Bereiche sich durch freigeschaltete Fähigkeiten immer weiter öffnet, bekämpft Gegner und Bosse und wertet nach und nach eure Fähigkeiten auf. Zau kann fließend zwischen zwei getragenen Masken wechseln: Die Mondmaske ermöglicht schwächere Angriffe aus sicherer Entfernung, während die Sonnenmaske für stärkere Nahkampfangriffe gedacht ist. Jede Maske verfügt über einen eigenen Talentbaum und kann über diesen verbessert werden, wobei es euch freigestellt ist, ob ihr die Masken gleichmäßig aufwertet oder einem Spielstil den Vorzug gebt. Einige Gegner erfordern hin und wieder einen Angriff mit einer spezifischen Maske, um ihren Schild zu brechen. Davon abgesehen habt ihr aber die freie Wahl. Verschiedene Amulette, die euch auf unterschiedliche Arten unterstützen, aber nicht alle gleichzeitig getragen werden können, bieten zusätzlich einen leicht taktischen Ansatz. Der Spielfluss ist insgesamt angenehm flott und von einigen kniffligen Sprungpassagen abgesehen, durchreist ihr große Teile der Welt dank der angenehmen Steuerung zügig. Durchdacht platzierte Schnellreise-Stationen bietet das Spiel ebenfalls, falls eine Reise einmal zu viel Zeit kosten würde.

Leider bietet das Spiel all diese Punkte in einem vergleichsweise reduzierten Rahmen und kann bei der Komplexität der Welt, der Kämpfe, der Gegner-Vielfalt oder der Spieldauer keinem der vorher genannten Titel auch nur ansatzweise das Wasser reichen. Das liest sich erst einmal ernüchternd. Da der Titel aber bereits zur Veröffentlichung auf allen Plattformen für vergleichsweise schlanke 20 Euro zu haben ist, gehen die ca. zehn Stunden Spieldauer für Zaus Abenteuer grundsätzlich jedoch in Ordnung, und tatsächlich ist das Spiel ein sehr guter Einstieg für Menschen, die noch nie ein Metroidvania in der Hand hatten, oder wenig mit Backtracking und der Suche nach dem letzten sammelbaren Item, das irgendwo unsichtbar hinter Wand X liegt, anfangen können. Genre-Kenner, die auf der Suche nach einer Herausforderung sind, können die Schwierigkeit des Spiels außerdem zu jeder Zeit im Menü anpassen, was den Umfang zwar nicht erhöht, die Kämpfe aber um einiges knackiger macht.

… ausgezeichnet präsentiert

Was dem Spiel beim spielerischen Umfang fehlt, macht es bei seiner Präsentation mehr als wieder gut. Die Welt ist wunderschön in Szene gesetzt, zeigt jede Menge Vielfalt und alle möglichen (und zum Teil auch unmöglichen) Vegetationen, die der Kontinent bietet. Die Hintergründe wurden ebenfalls sehr schön und abwechslungsreich gestaltet und jedes Gebiet fühlt sich anders und besonders an. Damit steht das vielseitige Design der Welt im krassen Gegensatz zu den wenigen unterschiedlichen Gegnern, die das Spiel euch entgegenwirft. Durch die vergleichsweise kurze Spieldauer geht die geringe Gegnervielfalt zwar in Ordnung, ein wenig mehr Liebe an dieser Front hätte sich aber trotzdem gelohnt. Beim Ton hat Surgent Studios dann aber wieder alles gegeben und das Spiel mit einem großartigen Soundtrack ausgestattet, der das Geschehen auf dem Bildschirm abwechslungsreich und passend unterlegt. Interessierte finden ihn auch auf den bekannten Plattformen für Musikstreaming. Die Dialoge (von denen es gerade zwischen Zau und Kalunga reichlich gibt) wurden mit viel Sorgfalt auf Englisch und Kisuaheli vertont. Deutsche Untertitel gibt es selbstverständlich auch.

Das Geschehen wird euch auf der Xbox so flüssig angezeigt, wie man es von der Konsole erwarten kann. Auf der Switch läuft das Spiel aktuell leider nur mit stabilen 30 Bildern pro Sekunde. Ob hier in Zukunft noch etwas nachgebessert wird, um an die Technik von Spielen wie Metroid Dread oder Prince of Persia: The lost Crown heranzukommen, bleibt abzuwarten. Die Steuerung funktioniert fast immer sehr gut. Nur bei einigen Sprungpassagen wirkte Zaus Steuerung ein wenig träge. Der Wechsel zwischen den einzelnen Teilen der Welt geschieht übergangslos und ohne sichtbare Ladezeiten.

Fazit:

Die Bewertung von Tales of Kenzera: Zau ist nicht ganz einfach, da der Titel aufgrund seiner hohen Produktionsqualität beinahe danach schreit, mit anderen AAA-Metroidvanias in eine Schublade geworfen und im direkten Vergleich mit diesen bewertet zu werden. Das wäre aber weder sinnvoll noch fair, da das Spiel mit seiner vergleichsweise kurzen Spielzeit und der spürbar geringeren Komplexität hier nur verlieren kann. Betrachtet man Zaus Abenteuer aber alleinstehend, offenbart sich ein Spiel, das vornehmlich eine Geschichte erzählen möchte und sich dafür so viel Zeit wie nötig nimmt, ohne sich sinnlos in die Länge zu ziehen. Das soll und kann nicht alle Punkte, bei denen das Spiel an Komplexität spart, rechtfertigen und besonders bei der Gegnervielfalt, den vergleichsweise einfachen Bossen und den Talentbäumen hätte Surgent gerne noch ein wenig mehr bieten können. Aber insgesamt sprechen die vielen Punkte, die das Spiel richtig macht und der faire Preis für sich und machen es zu einem Titel, den sich Genre-Einsteiger und alle, die Lust auf ein kurzweiliges Metroidvania haben, gerne einmal näher anschauen können.

Unsere Wertung:
8.0
Robert Emrich meint: "Ein schönes Spiel, dem der Umfang fehlt, um ganz oben mitspielen zu können."
Tales of Kenzera: Zau von Surgent Studios erscheint am 23.04.2024 für PC und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox Series. Wir haben die Version für XBox Series getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Electronic Arts zur Verfügung gestellt.
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