Test

Prince of Persia: The Lost Crown

Von Robert Emrich am 13.01.2024

Ein persisches Sprichwort sagt “Verkaufe keine noch nicht gejagte Bärenhaut”. Als Ubisoft im vergangenen Sommer nach 13 Jahren den ersten Trailer für den nächsten Teil der “Prince of Persia”-Reihe veröffentlichte, löste der knapp zwei Minuten dauernde Clip bei vielen Spielern nur wenig Begeisterung aus. Die Rückkehr zum 2,5D-Side-scroller-Format, die bunte comicartige Grafik und die schnellen Kämpfe mit den vielen Effekten waren für viele Freunde der “Sands of Time”-Teile offenbar eine zu krasse Abkehr von den in das Spiel gesetzten Erwartungen. Und so gab es nicht wenige Stimmen, die, ungeachtet des Lobes der Fachpresse, den Titel noch vor seiner Veröffentlichung als gescheitert abgestempelt zu Grabe trugen. Wir konnten die jüngste Fortsetzung jetzt aber ausführlich für euch testen und können schon im Vorfeld verraten, dass die kritischen Stimmen das sprichwörtliche Bärenfell tatsächlich zu früh verkauft haben. Warum das so ist, erfahrt ihr in den nächsten Minuten.

Der Prinz ist weg, es lebe der Prinz

Der Wandel der Zeit macht nachweislich auch vor Videospielen nicht halt und so haben die Entwickler bei Ubisoft Montpellier einige Änderungen an den bekannten Regeln der Spielreihe vorgenommen, um das jüngste Abenteuer frisch und zeitgemäß zu halten. Die erste Änderung betrifft dabei euren Charakter, der dieses Mal, so schockierend es auch sein mag, kein Prinz ist. Stattdessen schlüpft ihr in die Rolle des Kämpfers Sargon, der das jüngste Mitglied einer heldenhaften Elitetruppe ist, die in ganz Persien als “die Unsterblichen” gekannt und verehrt wird. Die sagenhaften Kämpfer besiegen nicht nur ganze feindliche Armeen im Alleingang, sondern retten auch Prinzen, wenn diese wie im aktuellen Fall im Verlauf des Vorspanns entführt werden. Der Prinz soll nämlich auf dem Berg Qaf, dem Sitz der Götter, dafür sorgen, dass die verräterische Anahita zur nächsten Königin Persiens wird. Am Berg Qaf angekommen, verteilen sich die sieben Kämpfer auf der Suche nach dem Prinzen in alle Richtungen, sodass ihr relativ schnell wieder wie gewohnt alleine unterwegs seid.

Im Verlauf der Stunden entwickelt sich die Geschichte in einzelnen Zwischensequenzen immer weiter, etwa wenn ihr einen Boss besiegt oder immer mal wieder auf einen eurer Mitstreiter trefft. Dabei versuchen die Entwickler die Handlung mit einigen Wendungen stets interessant zu halten. Euch erwartet also, ganz ohne Spoiler, ein wenig mehr als die übliche “Held A rettet Opfer B vor Bösewicht C”-Handlung. Doch auch die restliche Welt bietet immer wieder kleine Geschichten und Ausflüge in die persische Mythologie, sei es nun in Form von Nebenquests oder kurzen Ausschnitten aus Schriften, die ihr überall finden könnt. Wer es noch ein wenig authentischer haben möchte, kann zusätzlich die Sprache der Synchronisation wechseln. Sämtliche Dialoge wurden sehr gut in Deutsch und Englisch, aber auch in Farsi vertont, sodass ihr das Spiel (mit Untertiteln) ähnlich wie zuvor schon Assassins Creed: Mirage gänzlich im Flair des Mittleren Ostens erleben könnt. Der stimmige Soundtrack, der nebenbei nichts mit der im Trailer gespielten Musik zu tun hat, unterlegt das Geschehen dabei immer mit unaufdringlichen aber gut passenden Melodien. Die Geschichte an sich ist insgesamt schön erzählt und verwebt in den Zwischensequenzen die genutzte In-game-Grafik mit bildschirmfüllenden Effekten, um besondere Wendungen der Handlung geschickt zu untermalen.

Willkommen im Metroidvania of Persia

Eine weitere große Änderung ist die Abkehr von der dreidimensionalen Spielwelt und die Rückbesinnung auf die Side-scroller-Optik, mit der die ersten Teile der Serie groß wurden. Durch den Einsatz der 2,5D-Grafik erinnert das Spiel stark an den jüngsten Teil der Metroid-Reihe Metroid: Dread und auch spielerisch tun sich diverse Parallelen auf. So bewegt ihr euch vergleichsweise frei durch die unterschiedlichen Gebiete des Berges Qaf, die allesamt wunderschön und stimmig umgesetzt wurden und euch unter anderem durch Wälder, Tempel und düstere Kanalisationen führen. Wie in guten Metroidvanias üblich gibt es auf der zweidimensionalen Karte jede Menge zu tun und überall tun sich Möglichkeiten auf, die zu Abkürzungen, Umwegen oder generell neuen Herausforderungen oder Schätzen führen. Eingeschränkt seid ihr nur durch die Fähigkeiten, die ihr benötigt, um Barrieren, Abgründe oder andere Hindernisse passieren zu können. Diese schaltet ihr im Verlauf eurer Erkundungen natürlich nach und nach frei und arbeitet euch so immer weiter durch die umfang- und abwechslungsreiche Welt. Überall verteilte goldene Bäume dienen als Speicherpunkte und füllen Lebenspunkte, Heiltränke und Pfeile wieder auf. Ein rudimentäres Schnellreisesystem vereinfacht zudem die Reise zwischen besuchten Gebieten, um das Backtracking auf einem angenehmen Niveau zu halten.

Wer jetzt befürchtet, dass goldene Bäume oder das Schnellreise-System das Spiel zu einfach machen würden, darf beruhigt sein, denn die Kämpfe sind bereits auf dem zweiten der vier Schwierigkeitsgrade angenehm knackig und erfordern das korrekte parieren oder umgehen der gegnerischen Attacken. Wer hier nicht aufpasst oder einfach nur die Schwerter schwingend in den Kampf rennt, sieht den “Game Over”-Bildschirm (den wir im Verlauf unseres Tests oft gesehen haben) bereits im Tutorial und findet sich kurz darauf beim zuletzt besuchten Speicherpunkt wieder. Dass das trotz der teils sehr herausfordernden Kämpfe kaum stört, liegt neben den schnellen Ladezeiten und der sehr guten Steuerung daran, dass einmal eingesammelte Gegenstände direkt gespeichert werden. So kommt es, dass ihr bei einer Niederlage zwar oft wieder ein Stück laufen und auch die besiegten Gegner erneut bekämpfen müsst, dafür aber mit der Zeit auch immer mehr Beute wie Zeitkristalle in den Taschen habt. Die guten Kristalle dienen als Währung auf dem Berg und werden nicht zu knapp benötigt. Denn neben Ausrüstung, Kosmetik und einigen Zeitfähigkeiten findet ihr auch allerlei Amulette, von denen ihr eine begrenzte Menge anlegen könnt und die euch unterschiedliche Verstärkungen geben. Und, so wie auch eure Waffen, könnt ihr die Amulette in mehreren Schritten immer weiter aufwerten, was aber natürlich im Gegenzug eine ganze Menge Kristalle kostet. Das Spiel hält hier großartig die Balance, sodass Aufwertungen immer mal wieder möglich sind und das Spiel tatsächlich ein wenig vereinfachen, während stärkere Gegner in späteren Zonen dafür sorgen, dass das Gameplay nie trivial wird. Als Spieldauer gibt Ubisoft 25 Stunden an. Wer gerne Schätze sucht und jeden Winkel erkunden möchte, wird aber in jedem Fall länger brauchen.

Stimmige Rätsel, tolle Kämpfe

Wenn ihr nicht gerade Gegnern zu Leibe rückt, fordert das Spiel eure grauen Hirnzellen mit allen möglichen Rätseln heraus, die im besten Fall mit einer eurer Fähigkeiten gelöst werden können, in schwereren Fällen aber durch eine gezielte Kombination unterschiedlicher Fähigkeiten gelöst werden möchten. So müsst ihr zum Beispiel an einer Stelle in die Luft springen, in der Luft die Dimension wechseln, um durch eine Wand dashen zu können und noch vor der Landung wieder in die ursprüngliche Dimension zurückwechseln, damit sich eine Plattform unter euch materialisiert. In einem anderen Rätsel müsst ihr Sargon in drei Versuchen durch einen Parcours bekommen, wobei die Aktionen der ersten beiden Läufe vom Spiel gespeichert und während des dritten Laufs zeitgleich wiedergegeben werden, sodass eure “Vorgänger” für euch in der richtigen Abfolge z.B. Hebel betätigen können, damit ihr im dritten Versuch ans Ziel kommt. Verschiedene Rätsel fordern euch immer unterschiedlich, aber nie unfair heraus und belohnen euch entweder mit Fortschritt im Spiel oder dem Weg zu einem Schatz. Für Rätsel, die ihr nicht sofort lösen könnt oder wollt bietet das Spiel einen praktischen Fotomodus: Durch einen einzelnen Tastendruck erstellt das Spiel einen Screenshot und pinnt diesen an der richtigen Stelle an eure Weltkarte, sodass ihr immer wieder nachgucken könnt, was es an der markierten Stelle zu tun gab. Je nachdem, wie gerne ihr die Welt geführt oder auf eigene Faust erforscht, bietet euch das Spiel zusätzlich zu den erwähnten vier Schwierigkeitsgraden auch noch die beiden Erkundungs-Modi “frei” und “geführt”, zwischen denen ihr auch im laufenden Spiel jederzeit wechseln könnt.


Ähnlich wie die Welt sind auch viele der Gegner und ganz besonders die Bosse eine Herausforderung an eure grauen Zellen und euer Reaktionsvermögen. Alle Gegner haben unterschiedliche Angriffsmuster und oft gilt es anhand gezeigter farblicher Signale in Sekundenbruchteilen zu erkennen, wie ihr auf einen Angriff am besten reagieren solltet: Reguläre unmarkierte Angriffe können einfach pariert werden, roten Angriffen gilt es aus dem Weg zu gehen und gelbe Angriffe verursachen, wenn sie euch treffen sehr schweren Schaden, können allerdings ebenfalls pariert werden und verpassen dem Widersacher einen individuell schön animierten Gegenangriff, der einfache Gegner direkt töten kann. Zusätzlich laden erfolgreiche Paraden eure Athra-Leiste auf und jede gefüllte Leiste kann für den Einsatz eines besonders starken Athra-Angriffs genutzt werden. Es gilt also genau abzuwägen, ob ihr Angriffen lieber relativ gefahrlos ausweicht, ohne Athra aufzuladen, oder lieber auf Risiko spielt und Angriffe pariert, um Spezialangriffe nutzen zu können. Funktionieren tut letztlich beides und wird euch mit durchgehenden 60 Bilder pro Sekunde in Full HD (bzw. 720p auf dem Handheld) auch immer sauber dargestellt. Die cartoonhafte Grafik ist für die Switch ein Segen, da der geringere Detailgrad (im Vergleich zu anderen Plattformen) nicht auffällt und es dank animierter Hintergründe immer noch viel zu sehen gibt.

Weil euer Held aber nicht nur einstecken, sondern auch zünftig austeilen kann, bietet euch The Lost Crown natürlich auch ein sehr gut gemachtes offensives Nahkampfsystem, mit dem ihr Gegner mit allen möglichen Kombos zu Leibe rücken könnt. Wer die Steuerung ein wenig übt (hierfür findet sich recht früh ein Trainer, der euch alles einmal erklärt) kann zum Beispiel leichtere Gegner mit gezielten Angriffen in die Luft schlagen und auch dort halten, wo sie wehrlos alles ertragen müssen, bis sie als Kadaver irgendwann wieder landen. Dank der schönen Effekte fühlt es sich super an, die Gegner zu vermöbeln und an dieser Stelle kann Prince of Persia sogar Spiele wie Metroid Dread überflügeln. Gegen Sargons schwungvolle Angriffe fühlt sich Samus Arans Blasterschuss beinahe ein wenig steril an. Einzig eine Übersicht der verfügbaren Kombos wird ein wenig vermisst. Dem Spaß am Draufhauen hat es aber nie geschadet.

Fazit:

Die niedrigen Erwartungen der Spieler nach einem vielleicht nicht ganz perfekt inszenierten Trailer zu überbieten, ist natürlich nicht schwer. Aber nur selten schafft dies ein Spiel so lässig und beinahe schon routiniert, wie Prince of Persia. Ubisoft hat bei dem Titel wirklich nichts dem Zufall überlassen und nahezu alle Aspekte perfektioniert. Die Bewegung durch die Level ist schnell und flüssig, die Kämpfe sind fordernd, machen durch ihre Wucht, gerade bei den Bossen aber viel Spaß und die gesamte Welt mitsamt der Geschichten, die in ihr vorgehen, macht Lust auf mehr. Einzig eine frei einsehbare Übersicht aller Angriffskombinationen und eine gruppierte Anordnung von Schriften, damit man diese rückblickend nach dem Sammeln miteinander leichter in einen Kontext bringen kann, hätten das Spiel noch minimal verbessern können. Hier jammern wir aber auf höchstem Niveau, denn auch ohne diese Features macht das Spiel eine ganze Menge Spaß. Metroidvania-Fans sollten hier auf jeden Fall zugreifen und auch alle anderen Spieler können dem Titel bedenkenlos eine Chance geben.

Unsere Wertung:
9.0
Robert Emrich meint: "Ausgezeichnete Metroidvania-Kost, von der wir gerne mehr sehen wollen."
Prince of Persia: The Lost Crown von Ubisoft Montpellier erscheint am 18.01.2024 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Ubisoft zur Verfügung gestellt.
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5 Kommentare:
Etzloets)
Etzloets
Am 14.01. um 09:17
Ist gekauft. Habe ich richtig Bock drauf. Gameplay sieht wirklich stark aus.
michi1894)
michi1894
Am 15.01. um 11:27
Danke für den Test. Die Demo ist klasse und macht Lust auf mehr. Für jetzt fehlt mir leider die Zeit aber nachholen werde ich das wohl.
Denios)
Denios
Am 15.01. um 11:35
ich werds auch nachholen, danke für den Test!
2null3)
2null3
Am 17.01. um 18:54
Danke für das Feedback. Ich bin gespannt was das Jahr noch bringt, aber zumindest habe ich schonmal mein Spiel des Monats gefunden. :)
SantiagoWinehouse)
SantiagoWinehouse
Am 19.01. um 19:56
Danke für den Test! Dieses Spiel werde ich mir als nächstes holen, aktuell bin ich noch auf Pandora unterwegs und macht aktuell zu viel Spaß, als dass ich ein anderes Spiel "nebenbei" spielen möchte.