Assassins Creed: Mirage
Erinnert ihr euch vielleicht noch an Basim, den Leiter der Assassinen in Konstantinopel, der Sigurd während Assassins Creed: Valhalla auf ihrer Reise begleitete? Eben jener Charakter sollte eigentlich die Hauptrolle in einem DLC zum Valhalla Hauptspiel bekommen, in dem ihr dann dessen Werdegang hättet miterleben können. Aber wie das so ist, entschied irgendwo irgendwer, dass ein weiteres Abenteuer im nahen Osten nach 15 Jahren die Gelegenheit für eine Rückkehr zu den Wurzeln der Spielreihe sein könnte. Und so verpasste man dem ehemaligen Kleinkriminellen kurzerhand ein komplettes Spiel, das sich einerseits optisch und spielerisch am ersten Teil der Serie (den vor dem Teil mit Ezio) orientiert, auf der anderen Seite aber doch etwas ganz eigenes sein möchte. Wir haben uns für euch den virtuellen Ringfinger abgeschnitten und sind quer über die Dächer und Dünen Bagdads geturnt, um den Titel für euch zu testen.
Gestern ein Dieb, heute eine Assassine
Es beginnt, wie schon in all den Teilen zuvor, mit einer jungen Person - in diesem Fall mit dem Tagedieb Basim Ibn Ishaq, der im Bagdad des 9. Jahrhunderts die Reichen beklaut, um seine Beute im Anschluss mit den ärmeren Mitbürgern zu teilen. Ein Job mit vergleichsweise geringer Lebenserwartung, weswegen es wohl kaum verwundert, dass Basim immer auf die eine große Gelegenheit wartet, um sein Leben und am besten auch das der gesamten Unterschicht Bagdads zum Besseren zu wenden. Die bietet sich ihm, als er der Verborgenen Roshan begegnet und (allen Warnungen zum Trotz) seine Zeit gekommen sieht, um endlich in die Oberliga der Weltverbesserer aufzusteigen. Leider geht die Sache aber fürchterlich schief und kostet die meisten von Basims Freunden das Leben. Roshan sieht aber trotzdem Potential in unserem Helden in spe und nimmt ihn unter ihre Fittiche, um ihn ebenfalls zu einem Verborgenen, den Vorläufern der Assassinen auszubilden.
An dieser Stelle seid ihr noch nicht einmal ganz mit dem Intro fertig, habt aber trotzdem schon einiges hinter euch und spielerisch die wichtigsten Mechaniken des Spiels gelernt. Anders als in den Vorgängern Odyssey und Valhalla, ist das Basims Geschlecht dieses mal wieder vorgegeben, was auch Sinn ergibt, da wir den Ursprüngen eines bereits in AC: Valhalla etablierten Charakters auf der Spur sind. Davon abgesehen erwartet euch in Mirage eine solide Geschichte, die die Latte des Storytellings nicht höher legt, aber trotzdem gut unterhalten kann.
Im Osten nichts neues
So ziemlich jeder Kunstschaffende, egal ob jetzt Maler, Schriftsteller, Musiker oder auch Game Designer, steht vermutlich vor demselben Dilemma: Bleibt man bewährten Ideen treu oder geht man mutig neue Wege? Eine richtige Entscheidung gibt es in diesem Fall nicht, denn mit beiden Ansätzen verprellt man über kurz oder lang zumindest einen Teil seiner Fangemeinde. Entweder weil man vorhersehbar und langweilig wird, oder aber weil man sich zu sehr von den Wurzeln des ursprünglichen Erfolges entfernt hat. Ubisoft ist mit der “Assassins Creed” Reihe einen weiten Weg gegangen und hat das Spiel im Verlauf der letzten 15 Jahre immer weiter aufgebläht, um uns Ägypten, Griechenland oder England möglichst authentisch näherzubringen. Dementsprechend wurde der Rückschritt zu der spürbar kleineren Welt Bagdads von vielen Spielern und Medien kritisch beäugt, da die Sorge groß war, dass eine Haupthandlung, die in 15 Stunden geschafft werden kann, Hobby-Assassinen einfach nicht genug Stoff liefert. Doch tatsächlich hat sich der jüngste Teil gesund geschrumpft und viel Ballast seiner Vorgänger abgelegt. Das bedeutet nicht, dass Forscher und Sammler in der jetzt nur noch knapp zehn Quadratkilometer großen Welt nichts mehr zu tun haben. Auch in diesem Teil kann die Spieldauer durch Nebenaufgaben abseits der Hauptgeschichte problemlos verdoppelt werden. Aber die ausufernden Ausritte und Schiffsreisen durch die Welten entfallen oder wurden zumindest auf Reisen reduziert, die auf dem Rücken eures treuen Kamels in einigen Minuten geschafft werden können. Das gefällt natürlich nicht jedem, aber man kann davon ausgehen, dass zukünftige Teile irgendwann unweigerlich auch wieder größer werden.
Damit der Abspann nicht schon nach wenigen Stunden über eure Bildschirme flimmert, nutzt Ubisoft aber nicht nur sparsamer platzierte Beute, die in Truhen gefunden werden kann, sondern besinnt sich auch auf das Schleichen der früheren Teile. Vorbei sind die Zeiten, in denen ihr auf offener Straße Streit anfangen und euch mit zehn Schergen auf einmal prügeln konntet. Das Kampfsystem, in dem ihr gut getimed Angriffe parieren oder ihnen ausweichen müsst (wenn ihr nicht gerade flüchtet) kann gerade in den ersten Stunden schon Kämpfe mit mehr als einem Gegner eskalieren. Stärkere Gegnerklassen sind auch später hin und wieder noch ein Problem, wobei vieles mit freigeschalteter Ausrüstung spürbar leichter wird. Auch die Stealth-Passagen, auf die das Spiel so großen Wert legt, werden mit der Zeit immer einfacher. Das liegt zum einen an der erwähnten immer besser werdenden Ausrüstung, zum anderen aber auch daran, dass euch im Laufe der Stunden unweigerlich auffallen muss, wie dumm die Gegner stellenweise sind und offenkundige Fallen oder Gefahren ignorieren. Verschiedene Heuhaufen in Bagdad hätten ihr Volumen im Rahmen unseres Tests eigentlich verdoppeln müssen, nachdem wir sie jeweils mit einem halben Dutzend Soldaten gefüllt haben, die alle auf die gleichen Tricks hereingefallen sind. Dass die regulären Bürger der Stadt jedes noch so kleine Verbrechen auch aus dem Augenwinkel bemerken und sofort lautstark kommentieren, macht die Sache irgendwie noch ironischer. Trotzdem macht das schleichbasierte Gameplay eine ganze Menge Spaß und funktioniert sehr gut. Wer es gerne etwas schwerer mag, kann sich gerne an den Nebenaufgaben versuchen, die ihr in Stützpunkten der Verborgenen annehmen könnt und die oft Boni bieten, wenn ihr niemanden tötet oder nicht entdeckt werdet. Außerdem kann das Spiel in den Optionen natürlich auch noch einfacher oder schwerer gemacht werden.
Wie so oft im Leben ist auch der Weg vom Schüler zum Meister-Assassinen ziemlich steinig und wird im Rahmen des Spiels größtenteiles durch euren Fortschritt in der Handlung gemessen und mit Talentpunkten belohnt, mit denen ihr neue und bessere Fertigkeiten oder Hilfsmittel freischalten könnt. Vorbei sind die Zeiten, in denen ihr Federn oder Buchseiten quer durch die Welt jagen musstet, um am Ende eine Gratulation und vielleicht einen Gegenstand zu kassieren. In Bagdad liefert euch nahezu jede Aufgabe eine neue Waffe, Rüstung, Talentpunkte oder einen Bauplan, um Waffen oder Rüstungen zu verbessern. Verschiedene Boni, die es auf jedem Gegenstand zu finden gibt, bieten euch die Chance für alle möglichen Synergien, auch wenn das System nicht die Tiefe anderer Spiele erreicht. Dennoch fühlt sich fast jede Aufgabe lohnend an und so werden nicht nur die Missionen, sondern auch eure Möglichkeiten mit der Zeit komplexer. Ein wenig Erkundung der offenen Welt ist natürlich auch in diesem Teil noch lohnend und dank eures Falken, der euch die Welt aus der Vogelperspektive zeigt, oft von Erfolg gekrönt. Doch die meiste Zeit über fokussiert sich Mirage stark auf die Stadt Bagdad, sodass ihr in ihr den Großteil eures Abenteuers verbringen werdet.
Das Leben in Bagdad
Es gehört mittlerweile zum guten Ton der Serie, euch auf eine möglichst lebendige Metropole loszulassen und auch Mirage bildet hier keine Ausnahme. Die unzähligen Gassen Bagdads bilden ein mit allen möglichen NPCs gefülltes Labyrinth, das die Stadt größer erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist und ohne eure Kletterfertigkeiten nur mit Mühe zu durchschauen gewesen wäre. Überall laufen, stehen, sitzen und liegen Menschen in allen Altersschichten herum und geben euch das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Die meisten der unbeteiligten NPCs unterhalten sich authentisch auf arabisch, um die Immersion zu verstärken, während die für euch interessanten Dialoge fast vollständig auf Deutsch synchronisiert wurden. Nur für einige kurze Anreden blieb man auch hier beim Arabischen. Untertitel sind aber natürlich vorhanden und auch ohne sie geht der Inhalt der Gespräche nicht verloren. Da Mirage in der Blütezeit des Islam spielt, finden sich überall Einflüsse der Religion, während das Christentum in diesem Teil nur eine kleinere Rolle spielt. So gibt es zwar einige Gebäude und Charaktere, die in der Stadt verteilt unterwegs sind, doch der Islam herscht weitestgehend vor und viele Infoschnipsel bringen den interessierten Spielern unter euch wie üblich die Sitten und Gebräuche der Region und Epoche näher.
Die liebevolle Gestaltung in der sich prachtvolle Paläste und die schlichten Gebäude der Mittel- und Unterschicht die Hand geben, machen die Welt ein weiteres mal zu einem mehr oder weniger heimlichen Star der Serie. Überall finden sich Details wie der Adhān (der Ruf zum Gebet), den Ubisoft extra hat einsprechen lassen oder dekorative Elemente, die die eigentlich recht farblose Stadt einladend und farbenfroh erscheinen lassen.
Ubisofts Anvil Engine leistet ganze Arbeit und sieht sowohl im Performance, als auch im Quality-Modus sehr gut aus, kommt in seltenen Fällen für einen einzelnen kurzen Ruckler nicht ganz hinterher. Das stört zwar nie, weil es wirklich selten passiert, irritiert auf einer Series X im Performance Modus aber ein kleines bisschen. Zukünftige Patches werden hier hoffentlich noch ein wenig mehr herausholen. Auch die Steuerung kann noch ein wenig Feinschliff vertragen. Zwar funktioniert sie immer gut genug, um das Spiel nicht zu stören, ist aber gerade, wenn wir Wachen in Ecken auflauern oft ungenau und es gab einige Händler, die erst nach wiederholten Versuchen angesprochen werden konnten, weil sie sich offenbar nicht zuständig fühlten, wenn wir direkt vor ihnen standen und mit dem Druck auf die Y-Taste Gesprächsbereitschaft signalisierten. Vielleicht war aber auch einfach schon Feierabend, was die Immersion tatsächlich sogar noch steigern würde.
Fazit:
Mit Assassins Creed: Mirage besinnt sich Ubisoft wieder auf die Wurzeln der Serie, als Begriffe wie “Ubisoft Formel” noch nicht existierten, und schafft es erfolgreich, den Umfang zu reduzieren, ohne dem Abenteuer seine Substanz zu nehmen. Klar wird das gerade denen, die gerne offene Welten erforschen nicht sonderlich gefallen und zynische Stimmen werden mutmaßen, dass hier einfach nur ein DLC zum vermutlich doppelten Preis auf den Markt geworfen wurde (was sich zeigen wird, wenn der Umfang der folgenden Spiele bekannt ist). Doch unabhängig von all diesen Überlegungen ist Mirage wieder ein unterhaltsamer und sehr schön gestalteter Teil der Serie geworden, die uns, wenn es so weitergeht, wohl auch noch einmal 15 Jahre lang erhalten bleiben wird. Fans, für die 100+ Stunden Spielzeit bei einem Titel kein Muss sind, können bedenkenlos zugreifen.
Ich war bei diesem Teil skeptisch, da es sehr viele Ähnlichkeiten zu den Vorgängern hat. Es sieht wirklich sehr gut aus, die Grafik (PS5) ist der Hammer. Auch die Stealth-Passagen sind gut gemacht. Aber irgendwie - ich kann gar nicht sagen warum - packt mich das Spiel nicht. Ich erwische mich sogar dabei, dass ich lieber am Handy bin oder am liebsten schnell durch die Schleichpassagen rasen würde, damit ich endlich die Mission beende. Das einzige, was mich wirklich motiviert hat, ist die wunderschöne, tiefe Stimme von Roshan.
Das Spiel hat mich nach fünf Stunden nicht gepackt und ich befürchte, dass ich es wieder verkaufen werde...