Test

Persona 5 Tactica

Von Deniz Üresin am 26.11.2023

Persona 5 ist schon lange nicht mehr bloß ein Spiel, sondern eine ganz eigene Reihe. Nach Ausflügen in diverse Genres mit Persona Q2, Persona 5 Strikers und Persona 5 Dancing in Starlight und einem stark erweiterten Port des Originals mit Persona 5 Royal könnte man ja meinen, Entwickler Atlus macht langsam mal den Sack zu und setzt sich an einen Nachfolger. Aber falsch geglaubt, die Phantom Thieves werden erneut losgeschickt. Wie behaupten sie sich dieses Mal? 

Paläste? Gefängnisse? Königreiche?

Die Phantom Thieves, angeführt vom ruhigen, aber gewitzten Joker, bestehen aus Schülern der Shujin Academy in Tokio. Nachdem sie bereits mehrfach in Japan für Aufsehen gesorgt haben (dabei aber auch mehrfach die Menschheit gerettet haben), wollten sie eigentlich nur einen gemütlichen Nachmittag im Café Leblanc verbringen, da erschüttert sie ein seltsam anmutendes Erdbeben. Als sie aus dem Café gehen, um nachzuschauen, was passiert ist, finden sie sich in einer bisher unbekannten Version des Meta-Universums wieder - im Königreich der verrückten Marie, die alle Bewohner der Stadt, die sie in die Finger bekommt, per Gehirnwäsche zu ihren Lakaien macht. Nach einem aussichtslosen Kampf erwischt sie auch fast alle Phantomdiebe, nur Joker und seine Katze Morgana können ihren Fängen entkommen und werden von der Rebellenführerin Erina gerettet. In Erinas Versteck, das übrigens exakt wie das Café Leblanc aussieht, schmieden die drei eine Allianz. Joker und Morgana helfen Erina fortan bei der Revolution und Marie zu Fall bringen. Erina hilft den beiden dafür dabei, ihre Freunde wieder zur Besinnung zu bringen und einen Weg nach Hause zu finden. Will Marie wirklich einfach nur eine perfekte Hochzeit feiern, wie sie immer herausposaunt? Warum sind die Phantomdiebe erneut im Meta-Universum gelandet? Und was hat der Politiker Toshiro Kasukabe, der kurz vor dem Erdbeben noch im Fernsehen als vermisst gemeldet wurde, damit zu tun? Diese und viele Fragen werden in Persona 5 Tactica gestellt und beantwortet. Dabei versprühen die Charaktere, die dieses Mal im Chibi-Look gehalten werden, erneut viel Witz und Charme (fast schon ZU viel, schließlich blödeln sie dieses Mal deutlich mehr herum, obwohl sie mal wieder ziemlich tief in der Tinte sitzen) und die Story weiß durchaus mit ein paar spannenden Wendungen zu unterhalten, das Niveau des Haupttitels wird allerdings in keinem Punkt auch nur ansatzweise erreicht. Die Synchronisation kann wie in den meisten anderen Persona-5s wahlweise auf Englisch oder Japanisch genossen werden (und alle wichtigen SprecherInnen sind erneut an Bord), die Bildschirmtexte können dieses Mal auf Deutsch verfolgt werden (das gab’s in Vanilla P5 nicht). Leider wurden Synchro und Hintergrundmusik gelegentlich nicht so gut abgemischt, sodass man gar nicht hört, was eine Person sagt, weil sie viel zu leise eingestellt wurde. Die Musik ist, obwohl dieses Mal von Toshiki Konishi komponiert und nicht mehr von Shoji Meguro, sehr Pesona-5-esque (das heißt: Jazzig, manchmal cozy, bisweilen Rockig, aber immer cool), auch dank der großartigen Sängerin Lyn Inaizumi, die mal wieder den einen oder anderen Song mit ihrer Stimme versüßt.

Viva la Triangulation!

Am Gameplay hat sich neben dem neuen Setting und dem neuen Look auch einiges getan. Anstelle eines 3D-JRPGs, in der ihr Joker durch Stadtteile Tokios navigiert und euch im Meta-Universum durch verzerrte Versionen mancher Ortschaften in rundenbasierten Kämpfen prügelt, habt ihr es hier mit einem waschechten Strategie-Rollenspiel zu tun. Freie Erkundung der bizarren Ortschaften, die ihr in dieser Welt bereist, gibt es leider nicht und so bleibt ihr außerhalb der Kämpfe immer in eurer Basis und klickt euch durch Menüs, um euch vorzubereiten und anschließend die nächste Mission anzugehen. Ähnlich wie in XCOM, Valkyria Chronicles, Mario+Rabbids oder Codename S.T.E.A.M. liegt der Fokus auf Fernangriffen. Pro Mission dürfen drei aktive Kämpfer, zu denen die Phantom Thieves und Erina zählen, eingesetzt werden, der Rest bleibt auf der Ersatzbank. In jeder Runde dürfen eure Figuren dann innerhalb ihres Bewegungsradius frei positioniert werden und einen Angriff oder einen Persona-Skill ausführen. Dabei sollte stets darauf geachtet werden, hinter Büschen oder Mauern in Deckung zu gehen, denn frei stehende Kämpfer gehen nach einem Treffer zu Boden und initiieren für den Gegner ein “noch eins!”. Im Gegensatz zu den üblichen Persona-Spielen gibt es hier nämlich kein Elementschwächensystem, das ausgenutzt werden muss - verschiedene Elementangriffe verursachen hier lediglich Statuseffekte (Agi verbrennt Feinde, sodass sie mehrere Runden lang Lebenspunkte verlieren, Zio paralysiert sie und verhindert, dass sie sich in der nächsten Runde bewegen können, etc.). Um Folgeangriffe auszuführen, müssen Gegner also aus der Deckung gelockt oder gebracht werden (Nahangriffe und Garu-Skills können Gegner auf andere Felder schlagen). Hat ein Charakter von euch einen Gegner zu Boden gebracht und ein “noch eins!” erwirkt, kann auch ein “zu Dritt” ausgeführt werden, was das Pendant zur All-out-Attack in Persona 5 ist. Alle Feinde, die sich im von den Positionen eurer drei Charaktere gebildeten Dreieck befinden, werden dabei gehörig vermöbelt. 

Wie viel Persona steckt in Tactica?

All-out-Attacks schön und gut, aber was soll denn bitteschön ein Persona ohne Elementschwächen sein? Ist das überhaupt noch Persona? Naja, ein bisschen was ist noch da - wenn auch anders. Da ihr euch nicht mehr frei durch die Welt bewegen könnt und innerhalb der Missionen auch nur generischen Gegnern begegnet, bekommt ihr neue Personas (geisterhafte Wesen, die Göttern, Dämonen oder verschiedenen historischen Figuren entsprechen) jetzt zufällig am Ende jeder Mission. Neu ist auch, dass jeder Phantomdieb jetzt neben seiner “Hauptpersona” eine “Nebenpersona” ausrüsten und damit auf deren Skills im Kampf zugreifen kann. Die fleißige Lavenza hat es übrigens geschafft, Kontakt mit den Phantomdieben in der neuen Welt aufzunehmen und so bietet sie ihre Dienste im berühmten Velvet Room an. Dort könnt ihr nicht nur eure Personas ausrüsten, sondern auch zwei der Wesen zu einem neuen fusionieren oder bereits einmal erhaltene, aber nicht mehr in der aktuellen Aufstellung verfügbare aus dem Kompendium zurückkaufen. Außerdem könnt ihr dort eure Waffen zerlegen (also quasi verkaufen) lassen - ein etwas umständlicher Move, denn das Kaufen neuer Waffen geht nur außerhalb des Velvet Rooms in einem völlig anderen Menü. Generell ist die Menüführung meines Erachtens an manchen Stellen etwas zu umständlich - es gibt im Café Leblanc neben “Mission” (dadurch wird die Story fortgesetzt) und “Sprechen” (dort könnt ihr Gesprächen zwischen den Partymitgliedern über das aktuelle Geschehen lauschen) noch die beiden Menüpunkte “Versteck” und “Vorbereiten”, die meiner Meinung nach problemlos hätten zusammengefasst werden können. In den beiden Menüs verstecken sich unter anderem ein Waffenshop, Skilltrees für eure Charaktere und Nebenquests. Diese sind storytechnisch nicht sonderlich interessant, aber stellenweise ultrahart und stellen euer taktisches Geschick extrem auf die Probe. Meist habt ihr auf den ersten Blick unerreichbar wirkende Ziele wie das Besiegen aller Gegner in einer Runde oder das Erreichen eines bestimmten Punktes auf der Karte in nur einem Zug. Sehr präzise Vorbereitungen, Positionierungen und Abstimmung der Moves eurer Charaktere sind hier vonnöten, sodass diese Missionen mehr wie ein komplexes Puzzle wirken. Als Belohnung erhaltet ihr meistens eine großzügige Menge Punkte, die ihr in den Skilltrees eurer Charaktere ausgeben könnt.

FAZIT

Ja, Persona 5 Tactica macht Spaß. Das kann ich nicht bestreiten. Den Saturday-Morning-Cartoon-Look hätte ich persönlich nicht gewählt, aber er stört auch nicht. Die Story haut einen aber leider nicht mehr vom Hocker, dafür wurden die aufgegriffenen Themen einfach schon zu häufig durchgekaut, auch wenn sich die Entwickler wirklich Mühe gegeben haben, dies durch ein anderes Setting zu übertünchen. Die von uns getestete Switch-Version läuft technisch sowohl im TV- als auch im Handheld-Modus ziemlich reibungslos, was zwar eigentlich aufgrund der simplen Grafik zu erwarten wäre, aber leider nicht immer gegeben ist. Wer eine noch höhere Auflösung, 60 statt 30 FPS oder kürzere Ladezeiten haben will, muss aber natürlich wie immer zu den Versionen auf leistungsstärkeren Konsolen oder den PC zurückgreifen. Die Missionen eignen sich allerdings gut fürs Zocken unterwegs. Wer keine Lust auf die Rabbids hat oder wem Valkyria Chronicles zu “realistisch” ist mit seinem WW2-Setting, der kann jedenfalls bedenkenlos zugreifen. Erwartet einfach kein Spiel, das euch so mitreißt, wie es Persona 5 getan hat. Hier erleben die lieb gewonnenen Phantom Thieves neue Abenteuer, aber eigentlich sind ihre Geschichten zu Ende erzählt - es entwickelt sich einfach niemand mehr weiter. Selbst Futaba nennt das neue Abenteuer einen “DLC” - den gibt es allerdings auch noch. Zwei neue Charaktere aus Persona 5 Royal plus einige neue Missionen sollen mit diesem freigeschaltet werden, für 19,99€ und egal, wie umfangreich dieser ist, es stößt immer etwas sauer auf, wenn kostenpflichtige DLCs direkt am Erscheinungstag des Hauptspiels verfügbar sind…

Aber genug gemeckert, auch wenn Persona 5 Tactica kein Meisterwerk geworden ist, weiß es durchaus zu unterhalten.

Unsere Wertung:
7.0
Deniz Üresin meint: "Das spaßige Taktik-Gameplay kann nicht gänzlich darüber hinwegtäuschen, dass die Phantomdiebe langsam in Rente gehen sollten."
Persona 5 Tactica von Atlus erscheint am 17.11.2023 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Sega zur Verfügung gestellt.
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