Test

Star Ocean The Second Story R

Von Deniz Üresin am 10.11.2023

Als Ende 2019 das Remaster des ersten Star-Ocean-Titels für Switch und PS4 erschien (zum NplusX-Test), war ich noch guter Dinge, dass wir auch den viel gefeierten zweiten Teil bekommen würden. Doch dann zogen die Jahre ins Land und die Hoffnung schwand - bis zur Nintendo Direct im Juni 2023. Schon die ersten Sekunden des Ankündigungstrailers zeigten, dass es sich dieses Mal jedoch nicht um eine bloße HD-Auflage, sondern um ein vollwertiges Remake handelt. Trotz zahlreicher audiovisueller und das Gameplay betreffender Verbesserungen und Neuerungen habt ihr hier im Kern jedoch immer noch ein Spiel vor euch, das vor über 20 Jahren auf der PlayStation 1 erschienen ist. Kann Star Ocean 2 auch heute noch begeistern oder bröckelt der neue Anstrich schnell und gibt eine alte Kamelle preis? Finden wir es gemeinsam heraus.

Oh mein Gott, sie haben Kenny teleportiert, die Schweine!

Um das gleich vorweg zu nehmen: Ja, die Handlung von Star Ocean 2 spielt ein paar Jahre nach dem ersten Teil und ist damit zwar eine Fortsetzung, aber nein, den Erstling muss man deswegen nicht unbedingt gespielt haben, um folgen zu können. Dieses Mal sucht ihr euch zu Beginn des Spiels euren Protagonisten aus - zur Wahl stehen Claude C. Kenny, ein junger Offizier der galaktischen Föderation und Rena Lanford, ein Mädchen aus einem kleinen Dorf des unterentwickelten Planeten Expel, das über mysteriöse Heilkräfte verfügt. Die Wahl des Hauptcharakters hat kleine Auswirkungen darauf, welche Dungeons ihr durchlauft oder welche Bosse ihr bekämpft und welche Charaktere ihr rekrutieren könnt, aber im Großen und Ganzen erlebt ihr mit beiden die ungefähr gleiche Story.

Der Name Kenny kommt Star-Ocean-1-Fans natürlich bekannt vor, denn Claude ist der Sohn von Ronyx Kenny und Ilya Silvestri, zwei der Protagonisten aus dem Vorgänger. Bei einem Einsatz mit seinem Vater auf einem fremden Planeten wird Claude von einem seltsamen Gerät auf den Planeten Expel teleportiert, wo er zufällig auf Rena trifft und sie mit seiner Strahlenkanone vor einem wilden Monster rettet. Rena glaubt daraufhin, den “Helden des Lichts” aus der Prophezeiung gefunden zu haben, der in Zeiten schwerer Not mit dem “Schwert des Lichts” auf den Planeten kommen und alle retten soll. Denn auf Expel ist die Kacke mächtig am Dampfen. Ein Meteorit, die “Hexerkugel” genannt, ist vor kurzem auf dem Planeten eingeschlagen und seitdem häufen sich bedrohliche Ereignisse wie Erdbeben und Monsterangriffe. Claude macht zwar deutlich, dass er nicht der legendäre Held ist, schließt sich aber trotzdem Renas Reise zur Hexerkugel an, um die Leute von Expel nicht im Stich zu lassen und nach einem Weg zurück zu seiner Crew zu suchen. 

Die Story ist dabei eher auf SNES-JRPG- als auf PSOne-JRPG-Niveau, also nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt bahnbrechend - mit Sci-Fi garnierte Fantasy-Abenteuer gab es schließlich schon mit Phantasy Star, Tales of Phantasia und eben Star Ocean 1. Das ist aber keineswegs schlimm, denn Spaß macht die Reise trotzdem zu jedem Zeitpunkt. Dafür sorgen nämlich die durch die Bank charmanten Partymitglieder, die sich JRPG-typisch im Laufe der Reise zu Rena und Claude gesellen und deren Rekrutierung Star-Ocean-typisch an diverse Bedingungen geknüpft ist (nehmt ihr Person X ins Team auf oder habt nicht 27 spezifische Private Actions abgeschlossen, könnt ihr Person Y nicht mehr für euch gewinnen etc. Das Übliche halt.).

Durch und durch Star Ocean

Und wo wir schon dabei sind: Auch das Gameplay ist zu großen Teilen bereits aus Teil 1 bekannt. Auf der frei begehbaren Oberwelt werden Ortschaften und Dungeons angesteuert, in denen die Handlung fortgesetzt oder Nebenmissionen abgeschlossen werden können. Kommt ihr mit einer “Gegnerwolke” (dazu später mehr) in Kontakt, wird ein Kampf initiiert. In einer begrenzten Arena können sich dann bis zu vier eurer Mitstreiter mit den Monstern und Halunken prügeln, die euch das Leben schwer machen wollen. Schwertkämpfer verlassen sich dabei vor allem auf den Nahkampf und hauen entweder mit der Angriffstaste normal drauf oder zünden eine Spezialattacke, von denen ihr bis zu zwei gleichzeitig über die Schultertasten ausrüsten könnt, während sich Magier lieber in eine Ecke verkrümeln, einen Zauber aus einer Liste wählen und dann ein paar Sekunden mit dem Murmeln der entsprechenden Formel beschäftigt sind, bevor gewaltige, bildschirmfüllende Explosionen und Feuerstürme über die Gegner hereinbrechen. In seinen Grundzügen unterscheidet sich das Kampfsystem kaum vom Erstling und nicht allzu stark von älteren Tales-of-Spielen. Mit letzteren hat Star Ocean schon seit Beginn mehrere Parallelen, schließlich bestehen die Entwickler Tri-Ace zu Teilen aus der Crew, die auch das erste Tales-Spiel Tales of Phantasia bastelten. Charakteristisch für Star Ocean allein ist allerdings dessen umfangreiches Hobby- und Crafting-System. Durch Level-Ups und das Abschließen gewisser Missionen erhaltet ihr für eure Charaktere nicht nur Kampfpunkte, um eure Angriffe zu verbessern, sondern auch Fähigkeitenpunkte, mit denen ihr gewisse Talente verbessern könnt. Neben den gängigen JRPG-Helden-Hobbies wie Kochen von Gerichten (die als Heilitems dienen) oder dem Schmieden (von Waffen und Rüstungen) kann eure Star-Ocean-Crew auch malen, Bücher schreiben, Lieder komponieren (und aufführen!) und viele weitere Dinge - das klingt zwar spannender, als es schlussendlich ist, denn das passiert alles in Textform über ein Menü, aber echte RPG-Freunde lassen sich ja nicht von ein paar Menüs abschrecken, sie feiern sie sogar! Jedes Talent bringt dabei natürlich auch irgendeinen Nutzen, den ich euch aber lieber selbst rausfinden lasse - ich kann euch aber nur wirklich ans Herz legen, euch mit dem System auseinander zu setzen, es macht nicht nur Spaß, mit ein wenig Herumprobieren könnt ihr sogar relativ früh das Game brechen oder euch zumindest etwas vereinfachen und angenehmer und abwechslungsreicher gestalten. Mit den sogenannten Spezialisierungen könnt ihr entsprechend eures Talent-Levels sogar Änderungen an Spieleinstellungen wie Gegneraufkommen und -Aggressivität oder Erfahrungspunkte-Multiplikatoren vornehmen. Das wird gerade später hilfreich, denn auch wenn das Spiel auf allen drei Schwierigkeitsgraden gut machbar startet, wird es gerade bei Bosskämpfen und in späteren Abschnitten doch etwas anspruchsvoller.

Natürlich dürfen in einem Star Ocean auch die “Private Actions” nicht fehlen. In jeder Stadt könnt ihr per Knopfdruck eure Party kurzzeitig auflösen und jeden sein Ding machen lassen. Mit eurem Hauptcharakter könnt ihr sie dann suchen und mit ihnen quatschen und unter Umständen witzige oder interessante Situationen erleben oder sogar ganze Sidequest-Reihen starten. Die Rekrutierung neuer Partymitglieder ist in den allermeisten Fällen auch an die Private Actions geknüpft. Ihr solltet also jederzeit nachsehen, ob neue verfügbar sind, denn einige von ihnen sind zeitlich begrenzt und nicht mehr zugänglich, wenn ihr zu weit in der Story fortgeschritten sein.

R wie “really rad Remake”

Alte Star-Oean-2-Hasen werden jetzt sicher aufhorchen. “Nachsehen, ob neue Private Actions verfügbar sind???” Ja, genau. Denn in diesem Remake, das seinem Namen alle Ehre macht, wurden im Gegensatz zum Vorgänger zahlreiche Änderungen und Quality-of-Life-Improvements implementiert. Neben dem wirklich wunderschönen 2.5D-Grafikstil und dem vom legendären Motoi Sakuraba (Tales of, Mario Sports-Spiele, Star Ocean) neu aufgelegten, epischen Soundtrack (den ihr aber jederzeit optional zum Original-OST switchen könnt) wurde dem Spiel eine Tutorial-Sektion im Menü, eine Anzeige verfügbarer Private-Actions auf der Ortsliste der Weltkarte und eine Minimap in Städten und Dungeons inkl. Main-Quest-Marker spendiert. Dazu kommen neu gezeichnete Character Artworks (die ihr aber ebenfalls zu den alten aus den PSP- oder PSOne-Versionen switchen könnt), die nicht nur sehr detailliert sind, sondern endlich auch die meisten Charaktere älter als 10 Jahre aussehen lassen und auf der Weltkarte sichtbare Gegner - yay, keine Random Encounters mehr! Die Gegner schweben dabei in kleinen Wolken über die Map und zeigen über ihre Farbe ihre Gefährlichkeit an - grüne Gegnerwolken enthalten leicht besiegbare Gegner, purpurne passen ungefähr zu euren Charakterleveln und mit roten Gegnern solltet ihr euch nur anlegen, wenn ihr sehr überzeugt von euch seid (und gerade gespeichert habt). Interessanterweise wurde aber auf ein Re-recording des Voice Acting verzichtet. Persönlich finde ich das etwas schade, da die Sprachausgabe des PSP-Remaster genau so klingt, wie man sich eine Sprachausgabe zu einem Spiel aus den 2000ern vorstellt - der eine oder andere cringe ist vorprogrammiert. Achso und da ich gerade den Mecker-Modus gestartet habe: Die Switch-Version kann sich zwar insgesamt sehen lassen und sie spielt sich auch flüssig und hat keine sonstigen groben technischen Patzer, aber das Alter der Konsole holt sie langsam immer mehr ein. Ladezeiten nach jedem Kampf und nach dem Betreten von Häusern, Städten oder Dungeons sind zwar erträglich kurz, aber existent und zwar Switch-exklusiv. Außerdem poppen auf der Weltkarte immer mal wieder Grünflächen und Büsche auf, die in den Radius der Draw Distance geraten. Das sind wie gesagt alles Kleinigkeiten, aber eben erwähenswerte, wenn sich ein Multikonsolero fragen sollte, welche Version er haben möchte. Tragbarkeit gibt’s nur auf der Switch (oder dem Steam Deck, aber das ist ja auch keine “richtige” Tragbarkeit bei dem Kaventsmann), dafür müssen eben Ladezeiten und Popins geduldet werden. Falls ihr übrigens die physische Version kaufen und auf Deutsch spielen wollt, müsst ihr den Day-One-Patch laden, denn die deutschen Bildschirmtexte haben entweder nicht mehr aufs Modul gepasst oder wurden nicht mehr rechtzeitig fertig oder SquareEnix hat eine andere seltsame Begründung dafür. Die deutsche Übersetzung empfinde ich aber als etwas steif, wer Englisch kann, dem empfehle ich es auch auf Englisch zu spielen. (Beispiel: Die 17-jährige Rena sagt nach einer Nacht im Inn: "Wir haben ausgezeichnet genächtigt!")

FAZIT

Star Ocean 2 war ein großartiges Spiel. Zumindest höre ich das von jedem, der es gespielt hat, ich habe leider weder die Originalfassung, noch das PSP-Remake gespielt. Umso mehr habe ich mich darauf gefreut, all die sympathischen Charaktere zum ersten Mal kennen zu lernen und mit ihnen zu lachen, zu kämpfen und das Universum zu retten. Bis auf ein paar Kleinigkeiten kann ich dem Spiel wirklich nichts vorwerfen und es ist von Anfang an charmant, gut spielbar, kurzweilig und einfach nur spaßig - und ich hab so viele Dinge nur kurz angerissen oder gar nicht erwähnt (ihr könnt zB Charaktere aus anderen Star-Ocean-Titeln als Support-Charaktere freischalten! Wie cool ist das denn? Außerdem gibt es ungefähr 26236923 Varianten von Enden, je nachdem, welche Charaktere welche anderen Charaktere am meisten mögen!). Sakuraba hat ein Brett von einem Soundtrack durch das Remaster noch epischer gemacht, der Artstyle steht in seiner Schönheit den HD-2D-Spielen wie Octopath Traveler und Triangle Strategy in nichts nach und die Kämpfe sind flott (wenn auch gelegentlich etwas chaotisch). Teil 1 ist keine Voraussetzung, allerdings kann ich diesen unabhängig davon auch empfehlen. Im Zuge des Hype habe ich mir tatsächlich alle anderen Star-Ocean-Titel (also 3-6) für die PS4 geholt und kann es kaum erwarten, noch tiefer in die Reihe und den Sternenozean einzutauchen.

Unsere Wertung:
8.5
Deniz Üresin meint: "Star Ocean 2 ist ein sympathisches Fantasy-Sci-Fi-JRPG, großartig neu aufgelegt."
Star Ocean The Second Story R von Tri-Ace, Gemdrops erscheint am 02.11.2023 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von SquareEnix zur Verfügung gestellt.
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1 Kommentar:
Terry)
Terry
Am 11.11.2023 um 10:04
Schöner Test!