The Suicide of Rachel Foster (Nintendo Switch)
Anmerkung: Am 17. Februar des vergangenen Jahres ging unser Test zur PC-Version von The Suicide of Rachel Foster online. Ab dem 31. Oktober 2021 ist das Spiel auch auf Nintendos Hybridkonsole erhältlich. Letztere Version durften wir nun ausführlich testen und wir möchten unsere Eindrücke natürlich mit euch teilen. Weil sich an der Story und dem Gameplay aber selbstredend nichts verändert hat, haben wir unseren damals veröffentlichten Test als Grundlage verwendet und lediglich um Switch-spezifische Passagen ergänzt.
Rein namentlich erinnert der Titel vom Entwicklerstudio One-O-One Games recht deutlich an bekannte Walking Sims wie „What Remains of Edith Finch“ oder „The Vanishing of Ethan Carter“ und, wenig verwunderlich, schlägt das Adventure auch spielerisch in die gleich Kerbe. Doch kann es dabei ebenso überzeugen wie die beiden genannten Genre-Größen?
The Shining ohne Jack Nicholson
Zumindest die Prämisse verspricht feinste Walking-Sim-Unterhaltung: Wir spielen Nicole, die nach dem Tod ihrer Mutter das alte Familienhotel verkaufen soll, dieses dafür aber erst einmal begutachten muss, denn das abgelegene Berghotel in Montana wird schon seit Jahren nicht mehr aktiv betrieben, geschweige denn regelmäßig gewartet oder in Schuss gehalten. Nicole hatte sich beim Verlassen des Hotels selbst geschworen, nie mehr an diesen Ort zurückzukehren, der für sie zum Symbol für das Unglück ihrer Familie geworden ist. Ihr Vater hatte sich dort in Nicoles Freundin Rachel Foster verliebt, diese geschwängert und seine eigentliche Frau für die neue Liebe verlassen. Rachel konnte mit der Situation nicht umgehen, und schon wissen wir, wie der Name des Spiels zustande kam.
Nicole will sich trotz eines sich anbahnenden Schneesturms mit ihrem Makler im Hotel treffen, um den Verkauf der Immobilie zu besprechen. Der Makler fährt allerdings zu spät los, wird vom Sturm erwischt und muss umkehren. Nicole sitzt schließlich aufgrund der Schneemassen im Berghotel fest und ist auf sich allein gestellt. Nun, nicht ganz auf sich allein, denn in ihrem alten Zimmer findet sie ein Mobiltelefon, das sie mit einem unbekannten, aber sehr eifrigen FEMA-Agenten verbindet, der ihr in dieser Situation mit Rat und Tat zur Seite steht. FEMA ist die Federal Emergency Management Agency, also die nationale Koordinationsstelle der Vereinigten Staaten für Katastrophenhilfe.
Dieser FEMA-Mitarbeiter lotst uns das Spiel über durch das Hotel und versorgt uns so mit neuen Aufgaben, deren Abschließen uns in der Story voranbringen. Ähnlich wie in Stanley Kubricks Horrorklassiker The Shining, dessen Setting für The Suicide of Rachel Foster sicher Modell stehen musste, startet die Geschichte sehr gemächlich und steigert sich langsam immer weiter.
Dies ist ein Gehen-Simulator
Emotional allerdings befinden wir uns dabei vor allem zum Start des Spiels leider auf einem Niveau, das in seiner Klischeehaftigkeit salopp gesagt eher für 14-jährige Teenagerinnen angemessen erscheint, alle anderen Spieler jedoch nicht abholen kann. Die Gefühlsknöpfe, die die Entwickler gerade in den ersten Spielminuten versuchen zu drücken, kennen wir schon zur Genüge aus beliebigen B-Movies; die ersten Gespräche zwischen Nicole und ihrem FEMA-Agenten Irving kommen grenzwertig unbeholfen daher.
Überstehen wir den etwas abschreckenden Start jedoch, werden wir im späteren Spielverlauf mit einer dichten und äußerst gut konstruierten Mystery-Atmosphäre und vor allem einigen bemerkenswerten Situationen entlohnt, wobei das Spiel trotz einer Handvoll gruseliger Szenarien nie reine Horrorkost bietet. Mystery und Spannung ersetzen hier Blut und Action. Die sich langsam entfaltende Krimigeschichte rund um Rachels Tod hält uns durchgehend bei der Stange, auch wenn so einige Wendungen doch etwas vorhersehbar sind.
Gameplaymäßig erleben wir hier keine Überraschungen. Wir laufen mit Nicole durch das Hotel, um verschiedene Aufgaben zu erledigen, die allerdings nie auch nur den Hauch einer Schwierigkeit besitzen. Dabei inspizieren wir regelmäßig die Karte und sprechen über das Telefon immer wieder mit dem FEMA-Agenten. Gegner gibt es nicht, und auch wirkliche Rätsel hat das Spiel nicht zu bieten. Wir gehen an unserem jeweiligen Zielort im Grunde nur die vorhandenen Objekte durch, bis die Story weiter voranschreitet. Sämtliche Aufgaben und Informationen erhalten wir dabei ausschließlich im Dialog mit dem Agenten, der sich im Verlauf des Spiels immer besser mit Nicole versteht. Die Auswahl zwischen zwei Antwortoptionen, welche uns regelmäßig zur Verfügung steht, hat absolut keine Auswirkung auf den Verlauf der Geschichte.
Als kleines Gimmick erhält Nicole nach und nach drei Items, genauer eine Polaroidkamera, eine Dynamo-Taschenlampe und ein Abhör-Mikrofon. Mit ersterer müssen wir uns bei einem Stromausfall durch die dunklen Gänge blitzen, was eine ausgezeichnete Atmosphäre erschafft. Diese wird mit der Einführung der Dynamo-Taschenlampe jedoch nach nur wenigen Minuten unverständlicherweise zunichte gemacht. Mit dem Mikrofon müssen wir ein akustisches Signal verfolgen, doch für ein tieferes Horrorfeeling wurde hier viel Potential liegengelassen. So verkommen die drei Items zu wenig mehr als einem netten Einfall, der das Gameplay auflockern soll, dies jedoch nur ansatzweise schafft.
Saubere Portierung
Als Walking Sim lebt The Suicide of Rachel Foster natürlich neben der Story vor allem von der audiovisuellen Präsentation und so ist es erfreulich, dass die Portierung auf die Switch rundum gelungen ist. Das Spiel schafft auf der Hybridkonsole zwar keine 60 FPS, läuft aber mit relativ stabilen 30 Frames pro Sekunde und sieht speziell auf dem integrierten Bildschirm der Switch annähernd so gut aus wie die PC-Version. Erreicht haben das die Entwickler, indem sie die Auflösung heruntergeschraubt, ein paar Lichteffekte angepasst und die allgemeine Texturqualität verringert haben. Letzteres lässt die Umgebungen bisweilen etwas verwaschen erscheinen, fällt aber nur dann wirklich negativ auf, wenn wir nahe an einen Gegenstand herantreten oder eher noch die Zoomfunktion des Spiels nutzen. In der PC-Version gut lesbare Etiketten von Dosen und Flaschen oder Cover von Büchern werden in solchen Fällen beispielsweise verpixelt dargestellt, auf die Spielbarkeit hat das aber praktisch keinen Einfluss und für Switch-Verhältnisse ist das Gebotene durchaus aller Ehren wert. Erfreulich ist auch, dass die von uns beobachteten Bugs der frühen PC-Version auf der Switch nicht vorhanden und die Ladezeiten selten länger als 25 Sekunden sind. Nicht ganz so gelungen ist hingegen die Steuerung, die insgesamt ziemlich träge und einer Maus definitiv unterlegen, aber angesichts des Genres noch immer absolut zweckmäßig ist.
Für einen direkten Vergleich der Optik seht ihr hier Screenshots aus der PC- (oben) und der Switch-Version (unten), wobei beachtet werden sollte, dass beide Bilder verkleinert wurden, um sie unserem Seitenformat anzupassen:
Fazit:
Wer ohnehin nichts mit dem Genre der Walking Sims anfangen kann, wird auch mit The Suicide of Rachel Foster keinen Spaß haben. Doch die Mysteryatmosphäre und Spannung, die One-O-One Games in ihrem Adventure aufbauen können, wissen rund vier Stunden lang gut zu unterhalten. Vor allem einige Situationen überzeugen dabei und hieven die sonst eher mäßige Geschichte auf ein annehmbares Level. Negativ fallen dagegen nach wie vor die eher schlecht als recht implementierten Items und der etwas zähe Einstieg auf.
Die Switch-Fassung kann optisch natürlich nicht ganz mit den anderen Versionen mithalten, präsentiert sich aber alles andere als schlecht und bietet trotz geringerer Auflösung und leicht verwaschener Texturen ein überraschend detailliertes und stimmiges Gesamtbild. Auch die Reduzierung der Framerate ist angesichts fehlender Action und einer etwas trägen Steuerung praktisch irrelevant. Wer The Suicide of Rachel Foster bisher nicht spielen konnte oder noch einmal mobil erleben möchte, kann bedenkenlos zur Switch-Version greifen.
Wir bedanken uns bei Daedalic Entertainment für die Bereitstellung des Testmusters.
Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version