Metal Gear Survive
Metal Gear Survive beginnt vielversprechend und überraschend vertraut. Wer Metal Gear Solid V: Ground Zeroes gespielt hat, dem werden die ersten Szenen des Anfangsvideos sofort bekannt vorkommen. Survive fängt exakt dort an, wo der Prolog des großen Bruders aufhört: Ein Helikopter schwirrt über Mother Base, heftige Explosionen erschüttern die Basis auf dem offenen Meer, Containergebäude stürzen krachend ein. Big Boss beobachtet mit konsterniertem Blick vom Hubschrauber aus die sinnlose Zerstörung.
Wenig später marschiert ein Mann in einem schwarzgrauen Anzug nachdenklich zwischen mehreren Reihen offener Särge auf dem Deck eines Flugzeugträgers. Dutzende Leichensäcke erinnern an die Zerstörung von Mother Base. Die Kamera ändert ihre Position, ist nun am Boden und schräg nach oben gerichtet, sodass der Inhalt der Särge nicht mehr zu sehen ist. Der Fremde schaut sich die Leichen an, scheint nach einer bestimmten Person zu suchen. Er beugt sich über einen Sarg und schüttelt den Kopf. „No. Not this one.“
Ground Zeroes lässt grüßen
Die gesamte Öffnungssequenz ist trotz eher generischer Charaktere filmreif inszeniert. Die Kamera springt immer wieder zwischen interessanten Positionen hin und her, wackelt gelegentlich wie eine echte Handkamera, immer nahe an der Action. Das lässt den Spieler für eine kurze Zeit vergessen, dass es sich bei Survive nur um ein Spin-Off handelt.
Dann aber kommen die ersten Elemente, die Survive klar von anderen Metal-Gear-Teilen abgrenzen: Der Herr im schwarzen Anzug bleibt vor einem bestimmten Sarg stehen. Er hat seine Suche erfolgreich abgeschlossen und das Spiel schickt uns in einen Charaktereditor. Hier dürfen wir uns für einen männlichen oder weiblichen Protagonisten entscheiden und ein bisschen am Aussehen feilen. Das ist erst einmal ein cooles Feature, allerdings ist der Editor in seinen Funktionen erschreckend eingeschränkt. Nachdem ich mich für einen weiblichen Charakter entschieden habe, weil deren Gesicht ein wenig der Scharfschützin Quiet ähnelt, stelle ich leicht frustriert fest, dass lediglich fünf Frisuren zur Auswahl stehen – vier, wenn man eine Glatze nicht als Frisur zählt. Haarfarben gibt es ganze vier und keine wirkt sonderlich realistisch. Auch Stirn, Augen, Nase und Mund lassen sich individuell bearbeiten, aber die Ergebnisse sehen alle irgendwie gleich aus. Immerhin gibt es eine größere Auswahl an Tattoos, Make-Up-Designs und Narben. Als männlicher Avatar bietet mir das Spiel mehr Optionen, aber ich bleibe trotzdem bei meiner Amazone.
Eine weitere cool gemachte Videosequenz zeigt nach der Charaktererstellung mit Hilfe von Rückblenden ihren heldenhaften Tod. Sie hat ihr Leben geopfert, um Big Boss zu retten. Aber ist sie wirklich tot? In einer anderen Dimension ist sie noch am Leben. Diese Dimension nennt unser Fremder in Schwarz „Dite“. Viel mehr erklärt er nicht, nur eine weitere Sache ist erwähnenswert: Das triste Ödland ist von blutrünstigen Zombies bevölkert, die in Schach gehalten werden müssen.
Wer braucht schon Augen, wenn er einen Kristall im Kopf hat?
Spätestens ab diesem Moment verabschiedet sich Survive von fast allem, was Fans der Metal-Gear-Solid-Reihe über die Jahre hinweg liebgewonnen haben und verdeutlicht, dass Konami die Marke eigentlich nur aus Werbegründen verwendet. Survive ist kein Stealth-Shooter mit cooler, pseudopolitischer Story und bizarren Charakteren, sondern, wie der Titel schon andeutet, ein Action-Survival-Spiel mit austauschbaren, langweiligen Zeitgenossen und einem großen Fokus auf Crafting. Eine Jagdsequenz macht außerdem schon früh klar: Das Spiel setzt auf Masse statt Klasse. Die Zombies, die im Englischen als „Wanderer“ vorgestellt werden, treten häufig in größeren Gruppen auf und werden auch nur dann wirklich gefährlich. Einzeln sind sie reines Kanonenfutter. Sie sind zwar höchst aggressiv, besitzen jedoch praktisch keine KI. Sie gehen immer absolut kopflos vor, was eigentlich nicht verwunderlich ist, denn sie sind genau das: kopflos. Am Halsansatz oder Unterkiefer klafft stets eine offene Wunde, aus der ein rot leuchtender Kristall ragt. Der Kristall ist gefüllt mit "Kuban-Energie", die sehr wertvoll ist (und später zum Aufleveln unseres Charakters genutzt wird). Seltsamerweise erklärt eine von dutzenden Texteinblendungen, dass die Wanderer trotzdem hören und sehen können und sowohl auf Geräusche als auch auf Sichtkontakt reagieren. Erstaunlich, was so ein Kuban-Kristall alles möglich macht...
Dite ist ein graues, vertrocknetes Land, das postapokalyptisch daherkommt und tatsächlich ein wenig an Fallout 4 erinnert – allerdings ohne die alten Wohnhäuser, Geschäfte oder Parkanlagen. Die morbide Faszination, die von dem Erforschen verlassener Ruinen in Fallout ausgeht, fällt in Metal Gear Survive mit wenigen Ausnahmen einer langweiligen, wüstenhaften Welt zum Opfer. Im direkten Vergleich wirkt das Ödland aus Fallout 4 wie ein farbenfroher, lebendiger Vergnügungspark. Hierzu trägt in Metal Gear Survive auch ein Sandsturm bei, der weite Teile der Welt verschluckt hat, und den wir nur mit einer Sauerstoffmaske betreten können.
Anders als z.B. Fallout erschlägt Metal Gear Survive den Spieler zunächst außerdem regelrecht mit Tutorials. Unzählige Dialoge, die zum Teil zugegebenermaßen wichtige Dinge erklären, laufen vor unbewegten, tödlich langweiligen Standbildern ab. Auch inhaltlich sind sie bestenfalls auf B-Movie-Niveau. Manchmal versuchen die wenigen Charaktere im Spiel darüber hinaus einfach zu verzweifelt cool zu erscheinen. Wenn unser Herr in Schwarz auf die Frage „Who are you?“ knochentrocken mit „I’m the man you’re talking to.“ antwortet, dann wirkt das doch leicht lächerlich. Die wahlweise englischen oder japanischen Sprecher, die für das miese bis mittelmäßige Script sicher nichts können, machen abgesehen davon jedoch insgesamt einen guten Job. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es nicht, lediglich deutsche Untertitel.
Erfolg braucht eine gesunde Basis
Dreh und Angelpunkt des Spiels ist ein Basislager, wo wir an verschiedenen Werkbänken Waffen, Kleidungsstücke, Barrikaden und andere Gegenstände herstellen können. Zunächst haben wir nur Baupläne für schlechte Speere, stumpfe Messer und Schläger. Die Barrikaden sind analog dazu billige Bauzäune oder rustikal zusammengezimmerte Holzbretter. Mit neuen Bauanleitungen und weiteren Werkbänken lässt sich jedoch immer besseres Equipment herstellen. Molotov-Cocktails, Pistolen und Maschinengewehre erweitern unser Waffenarsenal, stabilere Bollwerke unterstützen uns bei der Verteidigung. Verbündete, die wir auf diversen Missionen retten, können im Lager unterschiedliche Aufgaben übernehmen und sich beispielsweise um das Bewässern von Plantagen kümmern.
Der Survival-Aspekt des Spiels zeigt sich nicht nur darin, dass wir uns gegen die Zombiehorden im Umland zur Wehr setzen müssen. Auch Hunger und Durst haben einen direkten Einfluss auf unsere Gesundheit. Unsere Lebensenergie leidet unter zu starkem Kohldampf, unsere Ausdauer unter zu großer Wassernot. Um unseren Hunger zu stillen, müssen wir essbare Pflanzen finden oder anbauen, oder besser noch Tiere wie Ziegen, Schafe oder sogar Wüstenmäuse jagen. Rohes Fleisch sättigt weniger als gekochtes oder gebratenes, weshalb das Basislager praktischerweise über eine Feuerstelle verfügt. Um unseren Durst zu löschen, müssen wir Wasser trinken, dabei aber stets im Hinterkopf behalten, dass verseuchtes, dreckiges Wasser aus stinkenden Tümpeln zu Krankheiten führen kann. Für jede Vergiftung und jede Verletzung benötigen wir ein anderes Item zur Heilung. Zur Herstellung der Items müssen wir unterschiedliche Rohstoffe finden. Einen großen Teil des Spiels verbringen wir deshalb gerade am Anfang der Kampagne damit, einfach nur nach wertvollen Rohstoffen zu suchen, wobei wir allein fürs Starten des Spiels täglich mit einer Handvoll Items belohnt werden, die wir an einer großen Konsole abholen können. Erst wenn im Lager genug Ressourcen vorhanden sind, ist es sinnvoll interessantere, schwierigere Missionen zu beginnen. Diese storyrelevanten Missionen wissen durchaus zu unterhalten, aber das Drumherum wird den meisten Spielern vor allem während der ersten fünf bis sechs Stunden Spielzeit zu mühselig sein, erst recht, weil unser Charakter einen wahnsinnigen Stoffwechsel besitzt und gefühlt im Minutentakt nach Futter schreit.
An verschiedenen Orten im Spiel gibt es Wurmloch-Transporter, die aktiviert werden wollen. Sie ersetzen das Schnellreisesystem anderer Spiele. Das Aktivieren dauert jeweils ein paar Sekunden bis Minuten. Während diesem Zeitraum muss der Transporter vor mehreren Gegnerwellen beschützt werden. Um dies zu bewerkstelligen können wir nicht nur bekannte Waffen einsetzen, sondern auch die oben bereits erwähnten Barrikaden aufbauen. Dies ist auch bitter nötig, denn wenn die Wanderer in Gruppen daherkommen, sind sie brandgefährlich. Sie sind gar so gefährlich, dass die ersten Verteidigungsmissionen ungeübter Spieler mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit im virtuellen Tod enden werden. Nervig ist hierbei, dass Metal Gear Survive keine vernünftigen Checkpoints setzt und wir so gezwungen sind immer wieder vom Basislager aus loszumarschieren. Oft müssen wir dann zusätzlich vorher durchgeführte Vorkehrungen, wie das Craften von Waffen oder Barrikaden wiederholen. Ein manuelles Speichern ist nicht möglich. Und wo wir gerade beim Thema Speichern sind: Das Spiel bietet nur einen einzigen Speicherplatz für die Kampagne. Zusätzliche Speicherplätze kosten 10 Euro beziehungsweise 1000 Einheiten der spieleigenen Währung „SV Coins“, die auch zum Kauf verschiedener anderer Items verwendet werden kann.
Die Kampagne ist im Übrigen nur mit konstanter Onlineverbindung spielbar, unabhängig davon, ob im Single-Player- oder Co-Op-Modus gespielt wird. Verliert das Spiel den Kontakt zum Server, teleportiert es den Spieler ohne große Vorwarnung und ganz ohne Verwendung der Wurmloch-Transporter ins Hauptmenü.
Optisch präsentiert sich Metal Gear Survive als zweischneidiges Schwert. Die Cutscenes sind zum Teil wirklich gelungen, aber die Grafik des eigentlichen Spiels lässt sich bestenfalls als zweckmäßig beschreiben, und das, obwohl es die durchaus leistungsfähige Fox Engine verwendet. Licht und Schatten sind wenig dynamisch – das gesamte Bild wird einfach nur heller oder dunkler – und insgesamt sind die Umgebungen einfach zu abwechslungsarm. Der Sandsturm, der das Gebiet umgibt, macht jede Weitsicht zunichte. Zumindest gibt es weder Ruckler noch nennenswerte Pop-Ups und die Steuerung, längst bekannt aus The Phantom Pain, ist den Entwicklern rundum geglückt.
Fazit:
Metal Gear Survive ist als Ganzes nicht so schlecht, wie es die hier genannten Kritikpunkte womöglich erscheinen lassen. Es gibt einige Gameplayelemente, die tatsächlich gut unterhalten. Die hektischen Kämpfe gegen die Wanderer können trotz dämlicher KI gleichermaßen fordernd und spaßig sein, das Durchstöbern alter Gebäude und Container, um überlebenswichtige Gegenstände zu finden, kann eine faszinierende Sammelwut entfachen, und der Ausbau des Lagers macht nach einer Eingewöhnungsphase ebenfalls Laune. Aber es kostet viel Zeit und Mühe sich zu diesen Elementen durchzuarbeiten. Man hat das Gefühl die Entwickler haben dem Spieler absichtlich möglichst viele Steine in den Weg gelegt. Wer nichts gegen langwieriges Grinden und eine dumme Story hat, der findet in Metal Gear Survive ein unterhaltsames und sogar relativ anspruchsvolles Survival-Spiel, alle anderen schauen sich besser nach Alternativen um.
Von uns getestet: PlayStation-4-Version