Kommentar: Das Lootbox-Debakel von Star Wars Battlefront 2
Der klare Feind
Eine brisante These könnte lauten: Das, was aktuell mit Star Wars Battlefront 2 passiert, ist nichts anderes als die aktuellen Geschehnisse in Hollywood. Dort kochen nun schon seit Wochen immer neue Sexismus-Skandale hoch. Unter anderem, weil die ohne Frage zu verurteilenden Verfehlungen einzelner Personen wie Harvey Weinstein oder zuletzt Kevin Spacey, der es gerade durch die Darstellung seiner schmierigen, egozentrischen Figuren zu Weltruhm brachte, in ein maßgeschneidertes Raster passen. Mit jeder neuen Nachricht denkt der Observateur: “Klar!”, “Logisch!” oder “Ich hatte schon immer das Gefühl, dass das genau so einer ist!”.
Viele Gamer stürzen sich jetzt nun wieder auf Electronic Arts, das fast schon personifizierte Feindbild der ganzen Spielerschaft, wenn es um Business und die Branche geht. Zweimal in Folge zur "Worst Company of the Year" in der Branche gewählt worden und genug zwielichtige Aktionen auf dem Kerbholz, um sofort beim kleinsten Verdacht an den Pranger gestellt zu werden. Mass Effect: Andromeda? Fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Titanfall 2? Völlig zu unrecht im Schatten von Battlefield 1 aus dem Fenster geworfen. Und Nintendo-Fans erinnern sich sicher noch an die vielen FIFA-Ports für Wii, deren einzige Gemeinsamkeit zu den Versionen für die anderen Systeme das Cover war. Inhaltlich war das Gebotene nah am Kundenbetrug und führte letztendlich dazu, dass künftige FIFA-Cover mit dem immer noch nichtssagenden Zusatz “Legacy Edition” versehen wurden. Dass man mit dieser Taktik eventuell seine Marken schädigen könnte, nahm man bei EA offenbar billigend in Kauf.
Im Falle von Star Wars sieht die Sache anders aus. Star Wars Battlefront 2 soll das Zugpferd im Weihnachtsgeschäft für EA werden. Einen Monat vor dem Start von “Star Wars 8: Die letzten Jedi” in den deutschen Kinos läuft die Marketing-Maschinerie auf Hochtouren. Dass gerade jetzt Presse und Spieler das komplette Franchise mit Fackeln und Mistgabeln auf dem Scheiterhaufen verbrennen und die teure Millionenproduktion möglicherweise wie Blei in den Regalen liegen bleibt, kann EA nicht gebrauchen.
Was ist überhaupt passiert?
EA hat mit Star Wars Battlefront 2 endlich den Nachfolger seines ersten Star Wars-Titels nach dem Kauf der IP von Disney angekündigt. Zuerst sah alles gut aus, da sich die Entwickler die Kritik der Spieler offenbar zu Herzen genommen hatten. Während der Vorgänger viel zu wenig Inhalt und kaum Langzeitmotivation bot, serviert die Fortsetzung ein üppiges Gesamtpaket. Eine Solo-Kampagne mit interessanter Story, mehr Level, mehr Charaktere, ein überarbeitetes Fortschrittssystem und natürlich die neuen Luftschlachten. Das Spieler-Echo aus den Beta-Events war durchaus positiv.
Das große Problem: Das System von Lootboxen, die nach dem durchschlagenden Erfolg von Spielen wie Overwatch nun Teil von EAs Designkonzept sind. In Star Wars Battlefront 2 upgraded der Spieler seine Waffen und Raumschiffe mit Sammelkarten, die zusätzliche Fähigkeiten mitbringen. Diese Sammelkarten können über den Erwerb von Lootboxen auch mit Geld statt Spielfortschritt gesammelt werden. Der YouTuber "XFactor" prüfte daraufhin vor einigen Tagen das Balancing des Spiels, indem er einfach 90 Dollar investierte und sich das größte Lootbox-Paket kaufte. Das Resultat: übermächtig gelevelte Waffen, mit denen er andere Spieler problemlos besiegen konnte. Allerdings ist dieses System limitiert und es gibt eine Obergrenze für Level-Ups. Wer also viele Lootboxen kauft, kann sich höchstens einen zeitlich begrenzten Spielvorteil erkaufen. Irgendwann werden auch normale Spieler dank investierter Spielzeit ähnlich starke Ausrüstungsgegenstände und Schiffe besitzen.
Apropos Zeit. Hiermit setzte EA sich wenige Tage später erneut in die Nesseln, als im Rahmen der Early-Access-Phase bekannt wurde, dass man bis zu 40 Spielstunden investieren müsste, um beliebte Charaktere wie Luke Skywalker oder Darth Vader freizuschalten. Das ist nun erstmal keine Untat, doch hat EA vorab in Trailern eine andere Erwartungshaltung geschürt. Wer sich das neue Battlefront kauft, will als Luke und Vader spielen können und nicht plötzlich feststellen, dass er zuvor 40 Stunden mit langweiligen Statistenfiguren spielen muss. Auch das ist prinzipiell noch legitim, rutscht aber bereits in eine gefährliche Grauzone. Ebenfalls nicht förderlich: die Intransparenz, die in diesem Zusammenhang durch die verschiedenen Ingame-Währungen und Lootbox-Varianten entstanden ist.
EA meldete sich kurz darauf im Rahmen dieser Diskussion in gewohntem PR-Sprech auf Reddit zu Wort. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Der Beitrag wurde zum am meisten downgevoteten Beitrag auf Reddit aller Zeiten. Die Anekdote flutete wie ein Lauffeuer die Newsseiten der Branche. Nun folgte das Einlenken in letzter Minute: Die Heldenkosten wurden zum Teil bis zu 75% reduziert. Doch damit nicht genug: Nur Stunden vor dem offiziellen Launch wurden sämtliche Möglichkeiten für Ingame-Käufe über Echtgeld komplett aus dem Spiel entfernt. EA will sie nach aktuellem Stand erst wieder einbauen, wenn sich das Entwicklerteam über das Balancing im Klaren ist.
Was bedeutet das für uns Tester?
Spiele werden immer umfangreicher und langlebiger. Große AAA-Produktionen benötigen große und monetarisierbare Online-Komponenten, um profitabel sein zu können. Genau aus diesem Grund hat EA kürzlich auch das Studio Visceral Games geschlossen (wir berichteten), die an einem Singleplayer-Star-Wars-Titel im Stile von Uncharted gearbeitet haben. Nur wenige Tage später wurde dann der Kauf von Respawn Entertainment bekannt gegeben, die fortan an einem Star-Wars-Spiel arbeiten sollen, das voraussichtlich über eine große Multiplayer-Komponente verfügen wird. Die großen Hersteller sind heutzutage mehr denn je darauf aus, die Spieler monatelang an ihre Spiele zu binden. Andernfalls könnten Titel wie Destiny 2 oder Overwatch niemals die hohen Kosten für Entwicklung und Marketing wieder einspielen.
In der Konsequenz bedeutet dies: Derartige Videospiele sind nie wirklich fertig, insbesondere nicht zum offiziellen Erscheinungstermin. Inhalte und Kernkonzepte des Game-Designs werden oft mehrmals abgeändert. Nicht, weil es den Entwicklern so viele Freude bereiten würde, sondern weil das Spiel langfristig interessant bleiben muss und dabei dem Geschmack der Spieler entsprechen soll. Folglich ist es mehr als nur schwierig, ein solches Spiel in der Launchphase adäquat zu bewerten. Dass bestimmte Inhalte vor dem offiziellen Release oft noch nicht freigeschaltet sind, ist ein Umstand, den wir schon seit längerer Zeit kennen. Im schlimmsten Fall führt dies dazu, die Wertung zurückzuhalten und erst Tage nach dem Release nachzureichen. Für den Publisher nicht unbedingt schlecht. Es bedeutet weniger Last-Minute-Stornierungen von Vorbestellungen aufgrund negativer Tests.
Wie sieht es aber mit neuen Inhalten aus? Sollten solche Spiele monatlich neu getestet werden? Wo zieht man die Grenze zwischen einem Service für die Leser und einer symbolischen Strafe für die Publisher, die zum Release kein rundes, spaßiges Paket abgeliefert haben?
Was bedeutet es für Spieler und das Spiel?
Star Wars Battlefront 2 demonstriert eindrucksvoll: Gute Testwertungen sind nicht länger das höchste Gut in der Spielebranche. Es sind die Geldbörsen der Spieler und wie bereitwillig diese auch nach dem Kauf des eigentlichen Spiels gezückt werden. Eine diskutable These könnte also wieder lauten: Wer die Praxis von EA missbilligt, sollte sich also vielleicht gerade deswegen Star Wars Battlefront 2 kaufen, die Microtransactions jedoch bewusst ignorieren.
Moderne Multiplayer-Titel sind vollgestopft mit Analyse-Tools. Publisher können jede noch so kleine Entwicklung im spielerischen Ökosystem nachvollziehen und bewerten. Wenn kein Spieler Geld für die Microtransactions ausgibt, ist das vielleicht das stärkste Signal, das man EA aktuell zusenden kann. Auch Community-Reaktionen wie Reddit-Downvotes können ein klares Signal sein, wie der aktuelle Fall eindrucksvoll belegt.
Im Endeffekt sollten Spieler sich also nicht lediglich über die generelle Spielqualität informieren, sondern auch über die Struktur der Online-Komponenten. So lässt sich besser abschätzen, wieviel Spaß man lang- und kurzfristig mit einem Spiel haben kann und haben möchte. Und natürlich: wieviel Geld einem das überhaupt wert ist.
Und was machen wir alle nun?
Ich für meinen Teil werde mir mit dem Test von Star Wars Battlefront 2 entsprechend viel Zeit lassen, damit ich die Dinge genau bewerten kann. Denn die letzten Wochen haben eines gezeigt: EA hat selbst offenbar absolut keine Ahnung vom Ökosystem ihres eigenen Spiels. In Star Wars Battlefront 2 gibt es mit Credits, Kristallen und Bauteilen insgesamt drei Ingame-Währungen, die wiederum für unterschiedliche Dinge genutzt werden können. Daher ist auch eine Reduktion der Heldenkosten um 75% eigentlich nachwievor willkürlich und intransparent. EA weiß aktuell selbst nicht, was ihre Spielinhalte für einen Wert haben sollen. Darüber hinaus sind diese Inhalte oft auch eben an besagte Lootboxen geknüpft. Im aktuell verworfenen Modell konntet ihr gegen Geld nur Lootboxen erwerben, nie aber bestimmte Inhalte direkt. Somit ist gar nicht gewährleistet, dass sich alle Inhalte freischalten lassen, selbst wenn hunderte von Euros in Lootboxen investiert werden. Dieser Aspekt ist wichtig, sollte in einem Test eingehend Erwähnung finden und natürlich auch deutlich in die Endwertung einfließen.
Das ändert aber dann nichts an der generellen Qualität des Spiels, die es immer herauszustellen gilt. Bisher konnte mich die Solo-Kampagne von Star Wars Battlefront 2 durchaus überzeugen, die Spielbarkeit stimmt und die Präsentation ist über jeden Zweifel erhaben. Ferner hat EA durch die Entfernung der Ingame-Käufe zunächst sichergestellt, dass sich niemand einen unfairen Spielvorteil sichern kann. Wenn ihr dieses Wochenende prinzipiell Lust darauf habt, eine Menge Abenteuer in einer Galaxie weit, weit entfernt zu erleben, dann tut es doch einfach. Es gibt keinen Grund, ein rigoroses Exempel zu statuieren. Die Entwickler von Dice und Criterion würden es euch sicherlich danken. Das stärkste Signal würde man an EA zudem wie erläutert eher mit dem Kauf des Spiels und dem Boykott von Ingame-Käufen senden, sobald diese wieder ihren Weg ins Spiel finden.
EA ist ja eigentlich völlig unschuldig. Es sind die Käufer, die den Markt formen. EA passt sich nur dem Kaufverhalten an.
Bevor man also irgendetwas vorwirft, würde ich einfach vorschlagen: Ändert doch euer Kaufverhalten. Massig Geld für Lootboxen oder DLCs für Kostüme ausgeben, aber dann am Ende zu knittrig sein, 10€ mehr für eine Switch Version zu bezahlen, oder für ein aufwändig entwickeltes Spiel auf einen Preisverlust von 10€ warten.
"...will als Luke und Vader spielen können und nicht plötzlich feststellen, dass er zuvor 40 Stunden mit langweiligen Statistenfiguren spielen muss." - Wegen 40 Spielstunden heulen so viele herum? Wow... wenn ich an WoW oder Monsetr Hunter denke, was an Spielzeit investieren muss, damit es erst richtig los geht. Die Leute würden sich alle erhängen, wenn sie erfahren, was da an Spielzeit auf sie zu käme...
Man kann EA vorwerfen, was sie wollen, aber im Endeffekt werden sie nur dafür gehasst, was alle Kunden wollen. Es sit schon fast gleichzustellen mit Trump, der dafür gehasst wird, weil er seine Wahlversprechen einhält.
Aber hey! Es ist einfacher den Sündenbock wo anders zu suchen, als sein eigenes dummes Kaufverhalten mal in Frage zustellen und einfach mal Lootboxen komplett zu ignorieren. :)
Quelle:
https://www.youtube.com/watch?v=2omG7DWbao4&t=0s
Gleiches gilt übrigens für Day1 DLC's deren wesentliche Inhalte erst später folgen (BotW DLC wird beispielsweise erst gekauft, wenn er richtig da ist)
Insofern unterstütze ich die These hier vollkommen. Es ist eben auch eine schwierige Frage. Klar wenn es nach den Entwickler ginge, wäre niemand jemals auf die Idee gekommen so ein System in das Spiel einzubauen. Also der böse böse Publisher ist Schuld, der eben aber auch das finanzielle Risiko auf sich nimmt und so ein AAA-Titel finanziert.
Das diese Publisher nicht nur geldgeil sind und es da tatsächlich auch mal ums überleben geht zeigen ja einige Insolvenzen von Publisher aus der letzten Zeit.
Um die Entwickler tut es mir leid, da EA das Gameplay auf diese Weise ruinieren muss.
Die 40 Stunden alleine wären weniger das Problem, würden durch die Optionen von Zusatzkäufen nicht Spieler automatisch eher danach greifen, und dadurch zu einem Pay to win System übergehen. Gerade durch den Multiplayer ensteht dort Zugzwang zwischen den Spielern. So kann EA behaupten, dass es ja an den Spielern selbst läge, dabei hätten sie das System einfach auch weglassen können. Da muss ja auch immer sehr viel ins Marketing und unnötig ins Technische einfließen, und dann werden Spiele noch leerer und teurer, teilweise dann auch eher Glücksspiel als Videospiel.
Allerdings liegt es auch an den Spielern selbst, denn diese bestätigen die Wirksamkeit so eines Systems, wenn es auch fleißig von einigen Spielern bezahlt wird.
Battlefront und generell e
EA Spiele interessieren mich aufgrund meines Geschmacks ohnehin nicht.
So wie ich das mitbekommen habe, ging mir der Reduzierung auch eine gleichzeitige incone Reduzierung einher. Eine Nebelkerze also.
Zudem ist dieses scheinbare einlenken EAs kalkuliert. Sie wollen dem shitstorm abschwächen und Käufern es einfacher machen sich das Spiel zu kaufen. Zu einem späteren Zeitpunkt schalten Sie dann die lootboxen wieder frei. Easy.
Desweiteren muss ich der Redaktion widersprechen: die einzige Form des Protests, der wirklich hilft ist das Spiel gar nicht zu kaufen. Neben der lauten Meinungsmache. Sich das Spiel zu kaufen und dann einfach das System zu ignorieren stört EA nicht. Im Gegenteil: du unterstützt ihr Ökosystem direkt mit deinem Kauf des Spiels.
Mit dem Argument könnte man ja auch sagen, dass ihr NplusX schließen und lieber durche in Gerechtigkeitsonlinemagazin ersetzen solltet.
Wäre ja viel wichtiger.
Spiele in HD/4k kosten einfach richtig viel Geld und wenn man dann noch den Namen "Star Wars" kauft, noch einiges mehr. Irgendwie muss es dann wieder reinkommen. Schade ist einfach, dass so viel mehr Potenzial in manchem EA-Game steckt.