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Rayman Legends: Definitive Edition

Von Tim Herrmann am 20.09.2017

Mutig, frenetisch, abgedreht und doch vertraut. Durchgestylt und glattgefeilt. Und vor allem: mehr als zu Ende entwickelt. Rayman Legends war ein Spiel, wie man es selten sieht. Und das ist es immer noch, auch auf Switch. Doch die „Definitive Edition“ dringt nicht ganz in die Dimensionen der Wii-U-Vorlage vor.

„Boom!“, „Ohh“, „Wow“

Klar: Die Popularität der Marke Rayman kann mit Super Mario nicht mithalten. In jeder anderen Beziehung hat Ubisoft dem Nintendo-Maskottchen mit Rayman Origins 2011 aber aufgezeigt, wie ein durchgestyltes 2D-Jump-&-Run aussehen kann. Gekonnt schwamm der einfallsreiche und aufregende Platformer auf der tosenden 2D-Welle mit, ohne dabei anderen Titeln blind nachzueifern.

Einfallsreiches Level-Design, makellose Spielbarkeit und ein herrlich außergewöhnlicher Artstyle zeichneten und zeichnen auch den Nachfolger aus, Rayman Legends. Der zweite Rayman-Reboot bot nochmal mehr von allem. Mehr Boom, mehr Wow, mehr Ahhh.

Die Entwickler kreieren völlig abgedrehte Action-Szenen am laufenden Band, mit wilden Gitarrenriffs, feuerspeienden Drachen oder spektakulär kollabierenden Levels. Ebenso sorgfältig wie hemmungslos überdreht inszenieren sie die Jump-&-Run-Passagen. In leuchtendem 2D entfalten sich völlig abgedrehte Welten auf dem Bildschirm. Die Charaktere und Gegner mit ihren unterschiedlich großen Augen, Überbiss oder anderen exzentrischen Zügen sind charakteristisch für Gamedesign-Genie Michel Ancel.

Musikalisch gibt sich der Titel dabei ernsthaft und durchaus anspruchsvoll. Zwar quietscht und klingelt es immer noch Jump-&-Run-typisch häufig, doch die Melodien sind jetzt multi-instrumental arrangiert, klingen voller, reichhaltiger, manchmal auch erwachsener. Sound-Inszenierungen wie die jazzig-monumentalen James Bond-Melodien in einer düsteren Unterwasserwelt bleiben besonders im Kopf.

Auch spielerisch begeisternd

Musik und Grafik funktionieren deshalb so gut, weil sie ebenso überdreht sind wie das Spiel selbst. Der Stil harmoniert immer perfekt mit dem, was spielerisch dahintersteckt.

In minutiöser Präzision haben die Entwickler Plattformen aufeinander abgestimmt, Objekte platziert, Fallen gesät und Gegner verteilt – und das Ganze nicht selten auch noch mit der Musik synchronisiert. Jedes Level ist in sich optisch und spielerisch stimmig und mit reichlich Checkpoints ausgestattet. Maximaler Spielfluss ist die oberste Prämisse der Entwickler. Wie beim Speedrun bleibt der Finger immer auf der Sprint-Taste. Game Overs gibt es nicht, das Spiel läuft immer weiter, gönnt euch kaum eine Sekunde zum Durchatmen.

Immer gilt: Augen offenhalten für Verstecke! Acht Kleinlinge sowie zwei ihrer Könige sind in jedem Level zu finden. Es gibt also wesentlich mehr zu entdecken als in anderen 2D Jump & Runs. Befreite Kleinlinge schalten neue Levels und Welten frei: Wer fleißig sammelt, hat schon nach etwa zwanzig Minuten alle sechs Spielwelten freigeschaltet und kann sich dann nach Belieben in den etwa 60 Levels austoben.

Dabei gleicht keines dem anderen. Neue Ideen finden sich an jeder Ecke, nicht nur grafisch und musikalisch, sondern auch spielerisch. Jede Welt beinhaltet ein Rhythmuslevel, in dem Spieler im Takt eines gecoverten Musikklassikers hüpfen müssen. Oder Speedruns, TimeTrials und Challenges. Und natürlich die Murphy-Levels – ein Überbleibsel aus der einst geplanten Wii-U-Exklusivität.

Das ist nicht die Definitive Version

In diesen Koop-Levels tritt ein kleiner Hilfscharakter namens Murphy auf, der Gegner ablenkt oder Rätselmechanismen bedient. Auf Wii U haben Spieler mit ihm über den Touchscreen des GamePads die Welt manipuliert, während alle anderen auf dem TV die Hüpfcharaktere steuerten.

Das geht auf Switch so nicht mehr, leider – obwohl das Dual-Screen-Prinzip über zwei miteinander verbundenen Switch-Konsolen theoretisch möglich gewesen wäre. Stattdessen entspricht die Switch-Version hier eher den PlayStation- und Xbox-Varianten. Im Multiplayer-Modus kann ein Spieler Murphy also nur über die Knöpfe bedienen und mit ihm Wege öffnen, Gefahren fernhalten oder Extras und Punkte-Lums einsammeln. Die Markierung springt dafür automatisch zum nächsten wichtigen Interaktionspunkt. Die Mechanik funktioniert so zwar ausreichend gut, war auf dem Wii U GamePad aber deutlich besser aufgehoben. Und vor allem viel spaßiger.

Den Switch-Touchscreen nutzen die Entwickler auch. In einem separaten Spielmodus könnt ihr die Murphy-Levels im Wii-U-Original über Berührungen spielen. Multiplayer funktioniert dann aber nicht. Blöd, aber nachvollziehbar. Schließlich toucht ein Spieler ständig auf dem Screen herum. Rayman läuft dann automatisch und der Spieler ebnet ihm den Weg. Die Intelligenz der Sprungautomatik lässt zu wünschen übrig. Es ist schwierig, knifflig versteckte Kleinlinge zu erreichen. Eine Möglichkeit, dem computergesteuerten Charakter eine Richtung vorzugeben, gibt es nicht. Er richtet sich rein nach dem nächsten offenen Weg und kennt kein Zurück. Das nervt.

Etwa 30 Prozent aller neuen Levels sind Murphy-Levels, in denen die kleine Touchscreen-Kreatur im Fokus steht. Die Passagen bremsen den Spielfluss für Einzelspieler merklich aus, doch das Spiel ist komplett allein durchspielbar.

Die Murphy-Levels von Rayman Legends sind eindeutig auf Multiplayer ausgelegt. Erst so werden sie zu einer Stärke des Spiels: Spieler müssen sich absprechen, um Verstecke zu erreichen, und optimal zusammenarbeiten.

Die schlechtere Spielbarkeit der Koop-Levels ist der Hauptgrund dafür, warum ihr die Switch-Version dem Wii-U-Original nicht vorziehen solltet, wenn ihr die Wahl habt. Doch auch technisch gibt es ein paar kleine Probleme: Unter anderem sind die Level-Ladezeiten der Switch-Umsetzung deutlich länger als auf allen anderen Konsolen und wegen der harten Komprimierung der Spieldateien auf das Switch-Modul kommt es ganz vereinzelt zu kleinen Rucklern.

Rundum-Sorglos-Paket für Hüpffans

Rayman Legends ist ein echtes XXL-Paket. Mit seinen etwa 60 Legends-Levels ist der Titel nicht erschöpft. Tatsächlich ist es aufsehenerregend, was Ubisofts Team alles draufgepackt hat: Im Challenges-Modus müsst ihr etwa so weit wie möglich durch Endloslevels sausen oder schnelle Speed-Runs absolvieren. Das macht geradezu süchtig.

Daneben gibt es mit Kung-Foot einen Multiplayer-Modus mit Arcade-Ausrichtung. Hier treten und boxen bis zu vier Spieler furios schnelle Bälle, um sie ins gegnerische Goaaaal! zu manövrieren. Neu in der Definitive Version von Nintendo Switch: Den Kung-Foot-Modus könnt ihr nun auch im Turnier-Modus spielen, mit je vier Spielern an zwei miteinander verbundenen Konsolen. Nett.

Viele Sammelextras runden das Bild ab: Ständig schaltet sich irgendein neues Kostüm oder ein neuer Charakter frei. Alle haben zwar identische Sprungeigenschaften, sehen aber zumindest lustig aus. In der Switch-Version sind konsolenübergreifend alle Kostüme versammelt. Zudem ergattert ihr im Spielverlauf Kuscheltiere, gewinnt mehr Lums oder öffnet neue Origins-Levels.

Neue Origins-Levels? Unglaublich, aber wahr: Als wäre Rayman Legends nicht umfangreich genug, hat Ubisoft wie beiläufig auch noch ein Remake von Rayman Origins, dem ersten Teil, eingebaut. Diverse (wenn auch nicht alle) Levels kommen im blankpolierten Grafikstil von Rayman Legends daher und sind mit je zehn versteckten Kleinlingen vollgestopft. Ein unfassbarer Mehrwert.

Die Entwickler von Rayman Legends haben etwas ganz und gar Unmodernes getan: Sie haben mehr gemacht, als sie hätten machen müssen. Sie sind die gewisse „Extra-Meile“ gegangen, die heute kaum ein Games-Publisher noch geht. So fühlt sich Rayman Legends umfangreicher und vollständiger an als die meisten anderen Titel nach Jahren kostenpflichtigen DLCs.

Fazit:

Rayman Legends ist eines der besten 2D-Jump-&-Runs der letzten zehn Jahre. Nach wie vor. Es ist spielerisch ausgezeichnet, technisch, grafisch und musikalisch erstklassig und so abwechslungsreich, dass es nie langweilig wird. Dank zahlloser Sammelextras und Zusatzmodi fühlt es sich so vollständig und umfangreich an wie kaum noch ein Titel in der heutigen Spielewelt. Die echte Definitive Version bleibt jedoch die Wii-U-Variante. Denn die Murphy-Koop-Levels haben sich über das Wii U GamePad viel besser angefühlt; selbst technisch ist die vier Jahre ältere Wii-U-Version nicht wirklich schlechter. Dennoch: Rayman Legends rockt, auch auf Switch, und ist auf der neuen Konsole hochwillkommen– vor allem für unterwegs. Wer es noch nicht kennt, sollte es unbedingt nachholen.

Unsere Wertung:
8.5
Tim Herrmann meint: "Was für ein Gesamtpaket! Rayman Legends demonstriert, wie aufwändig, wunderschön und umfangreich ein 2D Jump & Run sein kann. Die Wii-U-Version ist dennoch besser."
Rayman Legends: Definitive Edition erscheint für Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet.
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2 Kommentare:
mega)
mega
Am 20.09.2017 um 18:34
Gibt es wirklich 60 neue Level gegenüber der U-Version? Kann ich mir bald nicht vorstellen...
Tim)
Tim
Am 20.09.2017 um 18:40
Nein, 60 neue Levels im Vergleich zu Rayman Origins (in Rayman Legends gibt's dazu ja auch noch "alte" Levels). Wii U- und Switch-Version sind inhaltlich nahezu identisch.
mega)
mega
Am 21.09.2017 um 08:58
Sollte man vielleicht etwas anders schreiben, denn so erweckt es den Eindruck das es in der D.E. 60 neue Level gibt... ^^