Test

Yonder: The Cloud Catcher Chronicles

Von Andreas Held am 20.07.2017

In medias res

Yonder beginnt recht hastig mit einer kleinen Intro-Sequenz: Eure namenlose Spielfigur wurde offenbar aus ihrer Heimat verstoßen und befindet sich nun an Bord eines Segelbootes auf ihrer Heimreise zur Insel Gemea. In Sichtweite des sagenumwobenen Eilands wird euer Boot jedoch von einem Blitz getroffen. In der nun folgenden Traumsequenz beauftragt euch ein übernatürliches Wesen damit, die Insel von einer bösen Macht zu befreien. Ihr wacht am Strand von Gemea auf, befreit ein Fabelwesen, beseitigt mit seiner Hilfe eine magische Barriere und erhaltet im ersten Dorf als Begrüßungsgeschenk einen Hammer, mit dem ihr beim Wiederaufbau des Hafens helfen sollt. Das alles geschieht innerhalb von weniger als fünf Minuten. Diese extrem hektische Einleitungssequenz ist symptomatisch für das gesamte Spielerlebnis, das euch Yonder: The Cloud Catcher Chronicles vorsetzen will.

Ein Fallbeispiel: Recht früh im Spiel erhalten wir unsere eigene Farm. Durch das Fällen von zwei bis drei Bäumen erhalten wir innerhalb vom einer Minute genug Bauholz, um diese auf Knopfdruck wieder aufzubauen. Postwendend erscheinen aus dem Nichts jeweils zwei Ställe, Wasser- und Futtertröge in unserem Inventar, die wir - ebenfalls auf Knopfdruck - auf einem eingeblendeten Raster platzieren. Zum Schluss füttern wir in der Wildnis ein büffelähnliches Wesen und locken es kurz auf unsere Farm, um es zu adoptieren. Da wir nun ein Nutztier haben, erscheint in regelmäßigen Abständen automatisch eine Flasche Milch in der am Eingang platzierten Truhe. Aber das war es dann auch schon und wir haben schon nach wenigen Minuten keinen Grund mehr dazu, noch etwas Zeit auf der frisch aufgebauten Farm zu verbringen.

Im Eiltempo durch die Spielwelt

Ein echtes Regelwerk, das uns dazu zwingt, das Tier täglich zu füttern und zu pflegen, um irgendwann die Milch als Belohnung für stetige Arbeit zu erhalten, gibt es in Yonder nämlich nicht einmal ansatzweise - auch im restlichen Spiel nicht. Der komplette Ablauf besteht aus in mundgerechte Happen zurechtgeschnittenen Sammel- und Suchaufgaben, die den Spieler nur selten dazu zwingen, sich länger als fünf Minuten derselben Aufgabe zu widmen. Und wenn wir in einem verlassenen Haus ein zurückgelassenes Tagebuch finden, erzählt dieses nicht etwa ausführlich die Geschichte der früheren Bewohner, sondern ist nach zwei kurzen Sätzen abgehandelt: „Leider werden die dunklen Mächte immer stärker. Aber Gerüchten zufolge soll die königliche Armee demnächst etwas dagegen unternehmen.“ Alle Elemente von Yonder wurden so rudimentär umgesetzt, dass sie gerade so funktionieren, und dann für das fertige, auf Konsolen über zwanzig Euro teure Spiel so belassen.

In Anbetracht dieser erdrückenden Kritik ist es schon fast als Kuriosum zu betrachten, dass Yonder - trotz allem - irgendwie Spaß macht. Die kompakte, prall gefüllte Spielwelt lädt zum Erforschen ein, und die Kürze der einzelnen Sidequests kann das Spiel durch ihre schiere Anzahl wieder ausgleichen. Die unzähligen Sammelobjekte erinnern derweil schon fast an die berüchtigten Krogs aus Breath of the Wild. Auch die Tatsache, dass das Adventure komplett ohne Kämpfe und die Möglichkeit des virtuellen Ablebens auskommt, ist durchaus sympathisch. Wer will, kann also tatsächlich dutzende Stunden in Yonder investieren - denn so lange wird es dauern, ohne eine Komplettlösung alle Geheimnisse zu entdecken. Im Vergleich zu direkten Konkurrenten wie Animal Crossing oder Fantasy Life hat der Indie-Titel aber einfach viel, viel weniger zu bieten.

Ein Hauch von Breath of the Wild

Die unzähligen Sammelobjekte sind nicht die einzige Parallele zu Nintendos neuestem Zelda-Abenteuer. Auch der malerische Grafikstil der Inselwelt und vor allem die in ihr lebenden Tiere erinnern sofort an Links Open-World-Abenteuer. Gut möglich also, dass sich die australischen Entwickler von Nintendos schon seit langem verfügbaren E3-Material inspirieren ließen. Die Musik unterstreicht die visuelle Gestaltung mit Klavieren und Streichinstrumenten und hebt die künstlerische Gestaltung des Titels auf ein sehr hohes Niveau. Sie steht im direkten Kontrast zu dem überaus hektischen Spielverlauf, der die Spielfigur von einem Mini-Sidequest zum nächsten sprinten lässt.

Die technische Umsetzung darf insgesamt als sehr solide betrachtet werden. Zwar ist die Framerate nicht hundertprozentig stabil, aber störende Slowdowns treten genauso wenig auf wie längere Ladezeiten. Auch die Kamera funktioniert nach einer Eingewöhnungszeit und einigen Anpassungen im Optionsmenü ziemlich gut. Leider müssen wir jedoch auch in dieser Kategorie Punkte abziehen, da unser Avatar während des Tests mit der finalen Verkaufsversion permanent in der Level-Geometrie feststecken blieb. Da sich das Spiel beim Speichern und anschließenden Laden des Spielstands die exakte Position der Spielfigur merkt und nicht über ein Schnellreisesystem verfügt, gab es aus dieser Situation keinen anderen Ausweg als einen kompletten Neustart des Spiels. Das ist nicht akzeptabel.

Fazit:

Das komplette Spieldesign von Yonder: The Cloud Catcher Chronicles ist darauf ausgelegt, dass alles möglichst schnell geht. Der kurz zusammengeklickte Avatar sprintet im Eiltempo durch die kompakte Spielwelt, Dialoge bestehen nur aus wenigen kurzen Sätzen, und selbst die umfangreichsten Sammelaufgaben sind innerhalb weniger Minuten erledigt. Diese Art des Spieldesigns ist modern und findet bei der internationalen Fachpresse viel Anklang, ist jedoch auch mit einem hohen Preis verbunden: Durch den hektischen Spielablauf kann der Spieler keine echte Bindung zur Spielwelt und den in ihr lebenden Charakteren aufbauen. Es gibt keine Herausforderungen, keine langfristigen Ziele und somit auch keine Erfolgserlebnisse. Die unzähligen Quests und hunderte Sammel-Items fesseln zwar potentiell lange vor dem Bildschirm - aber im direkten Vergleich mit einem Spiel wie Stardew Valley, das eine immersive Spielwelt mit einprägsamen Charakteren erschaffen hat, zieht es so deutlich den Kürzeren, dass sich diese Zeitinvestition kaum lohnt. Die malerische audiovisuelle Gestaltung verleiht Yonder einen nicht zu verachtenden Charme, der die Indie-Entwicklung zu einem Nischentitel macht, der seine Nische und seine Fans auch definitiv finden wird. Vor einem Kauf solltet ihr euch jedoch darüber im Klaren sein, dass das Gameplay in Yonder: The Cloud Catcher Chronicles extrem minimalistisch gehalten und nicht mit dem der deutlich komplexeren Genre-Konkurrenten vergleichbar ist.

Unsere Wertung:
6.0
Andreas Held meint: "(Zu) simples Adventure mit mundgerechten, sorgfältig vorgekauten Gameplay-Häppchen."
Yonder: The Cloud Catcher Chronicles erscheint für PC und PlayStation 4. Wir haben die Version für PlayStation 4 getestet.
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1 Kommentar:
Farbi11)
Farbi11
Am 25.07.2017 um 21:59
Ich finde, dass dieses Spiel einfach für jüngere Spieler gedacht ist. Immerhin steht da groß ab null Jahren drauf. Vielleicht hättest du das in deinem Test berücksichtigen können, denn für eine Gruppe macht das Spiel alles richtig, soweit ich das ohne es zu kennen beurteilen kann.