NplusX-Special: Rennspiele auf PlayStation 4 und Xbox One: Ein Guide für Einsteiger - Teil 2
F1 2015
Mit F1 2015 veröffentlichte Codemasters das Debüt der Formel 1-Reihe in dieser Konsolengeneration. Und wer nach all der Entwicklungszeit auf ein gehaltvolles und ausgereiftes Spielerlebnis gehofft hatte, könnte ein wenig enttäuscht sein. Der beliebte Karrieremodus, in dem man als sein persönliches Alter Ego starten und sich in einer dreijährigen Karriere bis zu den Top-Rennställen hocharbeiten konnte, wurde gestrichen. Dafür lässt sich nur noch ein Original-Fahrer aus der Saison 2015 anwählen und mit ihm eine Saison in der Königsklasse des Motorsports bestreiten. Die so großzügig bereitgestellte und optional anwählbare Saison 2014 ist da eine ganz nette Dreingabe, einen erheblichen Mehrwert bietet das aber nicht. Auch den im Jahr 2011 auf Xbox 360 und PS3 eingeführten Splitscreen-Modus gibt es im vorliegenden Spiel nicht mehr. Eine Einführung in Form einer Fahrschule oder vorgefertigte Herausforderungen sucht man vergebens. Das ist etwas mager! Zum Release waren die Einstellungen zur individuellen Gestaltung eines Rennwochenendes noch sehr unflexibel. Dies wurde inzwischen aber mithilfe eines Patchs dezent verbessert, sodass der Umfang von Trainingsfahrten, Qualifying und Rennen besser den eigenen Wünschen entsprechen kann. Die große Stärke von F1 2015 liegt aber ohnehin direkt auf der Strecke. Komplett ohne Fahrhilfen dürften selbst einige Experten mit Respekt an das Spiel herangehen, da sich die kraftstrotzenden Boliden bei zu hoher Beschleunigung gern aus der Kurve heraus drehen. Wem das zu anstrengend ist, der schaltet entsprechende Fahrhilfen wieder ein und genießt unbeschwert das rasante Fahrgefühl. Anfänglich wurde die Performance wohl mit deutlich sichtbarem Tearing erkauft, seit einem Patch ist davon aber nicht mehr ganz so viel zu sehen. Der Sound der Boliden kann mit der Konkurrenz leider nicht mithalten, was aufgrund der Regularien für die Motoren leider auch der Realität in der echten Formel 1 entspricht. Die Steuerung mit Controller funktioniert sehr gut, beim Einsatz eines Standard-Lenkrads ist so manche Haarnadelkurve aber arg schwierig zu fahren. Für einige Wheels gibt es spezielle Formel-Lenker-Aufsätze, alternativ lohnt es sich aber schon, mit den Empfindlichkeits-einstellungen für das „normale“ Lenkrad ein bisschen herumzuspielen. Die Grafik von F1 2015 ist gut bis sehr gut, aber nicht überragend. Nette Lens-Flare-, sehr hübsche Regeneffekte und Hitzeflimmern beim Start sorgen in Verbindung mit dem tollen Geschwindigkeitsgefühl für Atmosphäre und Fahrspaß.
Project CARS
Project CARS von den Slightly Mad Studios möchte Rennsimulationen wie Forza Motorsport und Gran Turismo ordentlich einheizen. Und das gelingt dem Spiel schon auf Anhieb recht gut. Zwar bieten andere Titel deutlich mehr Fahrzeuge, allerdings dürfte jeder Spieler seine persönlichen Lieblingsfahrzeuge finden und ins Herz schließen. Dafür ist die Anzahl der enthaltenen Strecken zuzüglich Variationen mehr als anständig. Grafisch kann Project CARS mit Exklusivspielen wie der Forza-Reihe und auch Driveclub nicht ganz mithalten. Trotzdem gibt es immer wieder gelungene Lichteffekte zu bestaunen, außerdem sorgen dynamisches Wetter, fortlaufende Tageszeiten und Nachtrennen für ein Plus an Spannung und Atmosphäre. Und komplette Rennwochen samt Training und Qualifying sucht der geneigte Hobbyraser bei Forza Motorsport noch immer vergeblich, hier hat Project CARS deutlich mehr Fleisch auf den Rippen. Das Spiel verfügt darüber hinaus über eine wahre Flut an Optionen und Individualisierungsmöglichkeiten und kann so an diverse Geschmäcker angepasst werden. Die Steuerung ist ein zweischneidiges Schwert. Die Grundeinstellung für den Controller fühlt sich sowohl auf der PS4 als auch der Xbox One nicht ganz gelungen an. Bei YouTube kursieren entsprechende Tutorialvideos mit empfohlenen Einstellungen für die Steuerungsparameter. So findet sich dann doch ein passendes Setup. Die Voreinstellung der für die Testrunden verwendeten Lenkräder ist ohne weitere Einstellungen ein Gedicht, die Fahrphysik mit Lenkrad oder passenden Controllersettings insgesamt überaus gelungen. Wer nun noch den richtigen Schwierigkeitsgrad für sich gefunden hat, der kann unglaublich intensive und spaßige Positionskämpfe erleben. Dazu die donnernden Motorensounds, und man verzeiht dem Spiel gern kleinere Schwächen wie zum Beispiel die dynamische Ideallinie, die meist viel zu früh den Bremspunkt anzeigt. Oder auch die sehr dröge Karriere, die keinerlei Freischaltbares bietet und nur Rennwochenende für Rennwochenende abklappert. Somit zieht sich die Motivation lediglich aus den Rennen an sich, was im Fall von Project CARS aber nicht der schlechteste Anreiz ist.
Und sonst?
Abseits befestigter Straßen soll das von Codemasters kürzlich auch auf Konsolen veröffentlichte DiRT Rally die Kundschaft begeistern. Im Gegensatz zu den Vorgängern DiRT 3 und DiRT Showdown verzichteten die Entwickler auf arcadige Einschläge in Form von Gymkhana-Kunststückchen, Arena-Kämpfen und ähnlichem. Der Titel richtet sich wieder an Fans von Simulationen, begeistert mit authentischem Fahrgefühl, kann Einsteiger aber mit seiner steilen Lernkurve überfordern. In eine ähnliche Kerbe schlägt Sébastien Loeb Rally Evo. Auch hier braust ihr über Stock und Stein, ohne aber das akkurate und gleichzeitig so fordernde Fahrgefühl von Codemasters' Konkurrenzprodukt zu erleben. Insgesamt noch ein solider Renner mit großem Umfang und einigen guten Ideen, dessen Fahrphysik zwar kein Totalausfall ist, aber auch nicht komplett überzeugen kann. Doch Vorsicht: Während die PS4-Version noch vergleichsweise stabil läuft, leidet der Titel auf der Xbox One an teils heftigen und störenden Einbrüchen der Bildrate. Auf beiden Konsolensystemen steht übrigens eine kostenlose Anspielfassung bereit. Das von Bigben Interactive veröffentlichte WRC 5 fällt hingegen noch weiter ab und bietet im Vergleich zur Konkurrenz das schlechtere Gesamtpaket. Einige Lichteffekte sind recht gefällig, überwiegend wirkt das Spiel aber eher wie eine Low-Budget-Rally. Die einst so ruhmreiche Need for Speed-Serie scheint in den letzten Jahren nachhaltig an Bedeutung verloren zu haben. Gerade im Vergleich mit den Verkaufszahlen der beliebten „Underground“-Teile wird die Tendenz deutlich. Auch der Neustart im vergangenen November erntete wenig Aufmerksamkeit. Vielleicht steckt hinter der aufwändigen Fassade inzwischen doch zu wenig Substanz. Auf jeden Fall scheint Electronic Arts dem Geschmack der potentiellen Kundschaft nicht mehr ausreichend zu entsprechen. Wie gut die Portierung der bisher PC-exklusiven Simulation Assetto Corsa bei Rennspielfans ankommen wird, lässt sich erst feststellen, wenn der Titel nach einigen Verschiebungen wohl im August auf PS4 und Xbox One veröffentlicht wird.
FAZIT
Schön, dass trotz vergleichsweise geringer Verkaufszahlen nach wie vor sehr ansprechende Rennspiele entwickelt werden. Wenn man sich im Vergleich zu den hier vorgestellten Titeln die Absatzzahlen von Action-Krachern der Marken Call of Duty, Star Wars: Battlefront, Uncharted und Co. ansieht, kehrt vielleicht etwas Ernüchterung ein. Kaum ein Spiel schafft es - PS4 und Xbox One zusammengerechnet - über die Grenze von zwei Millionen verkauften Einheiten hinaus. Aber welcher Racer ist denn nun der Beste?
Das lässt sich pauschal natürlich nicht sagen. Die Konsole, die ihr unter eurem Fernseher stehen habt, schließt Exklusivspiele der jeweils anderen Marke direkt aus. Und wenn ihr als Multikonsolero die ganz große Wahl habt, fragt euch, ob ihr auf Open-World-Spiele steht, lieber über abgesperrte Kurse brettert oder ob ihr eine Affinität zum Formel 1-Zirkus habt. Wer auf zugängliche und unkomplizierte Rennen steht, darf sich näher mit Forza Horizon 2, Driveclub oder F1 2015 beschäftigen, auch Sebastién Loeb Rally Evo ist für Querfeldein-Raser kein wirklich schlechter Titel - zumindest auf PlayStation 4.
Für welche Raserei ihr euch auch entscheiden mögt: Das Genre der Rennspiele bietet inzwischen erstaunlich komplexe Fahrphysik und vermag aufgrund spannender Duelle zu begeistern. Ein großes Problem sind leider unerwünschte Rempeleien bei Online-Matches und teils unausgewogene - oder nicht vorhandene - Strafsysteme, die rücksichtslose Pistensäue nicht konsequent in ihre Schranken weisen. Insgesamt ist es aber ungemein motivierend, wenn man ein Fahrzeug immer besser beherrscht, die Lieblingsrennstrecke plötzlich auswendig kennt und aus nahezu jeder Kurve noch ungeahnte Sekunden herausholen kann. Und wenn sich dann ein bis zum Ende dramatisches und hochspannendes Rennen entwickelt, ist es auch fast egal, ob man sich mit ehrlicher Arbeit und fairen Manövern nun den ersten, den dritten oder den siebten Platz erfahren hat.