The Legend of Zelda: Musik im Wandel der Zeit
Nur sieben Töne. Mehr braucht es nicht, damit jeder Spieleliebhaber die unverkennbare Overworld-Melodie aus The Legend of Zelda erkennt. Im 4/4-Takt geht es mit einem b los, gefolgt von zwei Viertelpausen, während derer im Bassschlüssel der antreibende Rhythmus Fahrt aufnimmt. Plötzlich erklingen noch mehr b-Noten, in schneller Reihenfolge prasseln sie auf den Hörer ein, drei-, vier-, fünfmal, dann - Achtung! - ein As erschüttert das Gehör, der Rhythmus spielt einen Ton tiefer, die Melodie wird in neue Bahnen gelenkt. Dann, auf einmal, endet die Tonfolge inmitten des zweiten Taktes.
Das Lied geht weiter, wiederholt die ersten Töne noch einmal, bevor es die volle Bandbreite der Tonleiter ausnutzt und sich entfaltet, zu dem uns allen wohlbekannten, abenteuerlichen Melodie, die Link auf seiner Reise begleitet. Als ständigen Begleiter – so könnte man die Spielmusik in der Zelda-Reihe wohl betrachten, immerhin wird in dem Adventure wie in kaum einer anderen Videospielserie mit der Musik interagiert. Doch wie wurde aus der vom legendären Koji Kondo komponierten 8-Bit-Melodie aus dem ersten Teil der epochale Orchester-Soundtrack der heutigen Ableger?
Quelle: NinSheetMusic
(Anm.: Im Folgenden ist weiterhin von Koji Kondo die Rede, auch wenn das gesamte musikalische Team gemeint sein soll.) Bleiben wir vorerst bei den markanten Overworld-Themes, immerhin hört man diese in beinahe jedem Spiel wohl am längsten. Die gerade beschriebene Melodie kam eigentlich nur durch einen glücklichen Zufall zu Stande – und durch einen Geistesblitz des Komponisten, versteht sich. Ursprünglich wollte Nintendo als Titelmelodie des ersten Spiels Maurice Ravels Bolero verwenden, entschied sich aber kurzfristig dagegen, da das klassische Werk noch unter Copyright stand. Das Tempo des Orchesterstücks aber blieb in Kondos neuer Komposition erhalten, die er aufgrund massiven Zeitdrucks innerhalb eines Tages fertigstellte. Das Endergebnis dieser Arbeit ist jedem Videospieler dieser Welt vertraut und gehört zu den bekanntesten Melodien der Videospielgeschichte. Und das Main-Theme des ersten Titels der The Legend of Zelda-Reihe ist ein perfektes Beispiel für den Wandel der Zelda-Musik im Laufe der Zeit. In irgendeiner Form taucht die originale Melodie nämlich in jedem Zelda-Spiel auf – sei es als neues Arrangement im Titelbildschirm, eingeflochten in andere Stücke oder als Begleitmusik kleinerer Ereignisse. Übrigens: Die japanische Famicom-Version des Spiels besitzt dank eines zusätzlichen Tonkanals eine umfangreichere Titelmelodie, in der auch Glocken und Flöten erscheinen.
Zelda II: The Adventure of Link als direkter Nachfolger macht dabei nicht nur spielerisch beinahe alles anders, auch musikalisch unterscheidet sich der Titel deutlich vom Erstling. Einzig zu Beginn des Overworld-Themes gibt es einen musikalischen Verweis auf das vorherige Spiel, bevor eine völlig andere, nicht weniger abenteuerlustige Melodie übernimmt. Einen merklich satteren Sound gab es dann mit der neuen Konsole und A Link to the Past.
Übrigens: Das für viele Fans immer noch beste 2D-Zelda etablierte eine Vielzahl an Liedern, die für die Serie heute nicht mehr wegzudenken sind (Zeldas Wiegenlied; Ganondorfs Theme; Musik im Dorf Kakariko, den Feenhöhlen, dem Schloss Hyrule und so weiter ...). Über die Jahrzehnte verbesserte sich die Soundausgabe immer mehr und mit deutlich stärker werdender Hardware wurde mal mehr, mal weniger hinzugedichtet; neue Instrumente kamen zum Einsatz und schließlich spielten ganze Orchester die Musik ein. Fast allerdings hätte man die Melodie in genau dem Spiel vergebens suchen können, bei dem Kondo das letzte Mal allein für die musikalische Untermalung sorgte: Ocarina of Time. Erstaunlicherweise bekommt man gerade in diesem Teil kaum etwas von dem Theme mit, doch in der Musik auf dem Feld von Hyrule ist ein sehr kurzer Abschnitt zu hören.
Links erstes 3D-Abenteuer stellte für den Komponisten in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar. Er erstellte beispielsweise mehrere Variationen des eben genannten Themas, da das Spiel um das Feld von Hyrule aufgebaut ist und diese Melodie dementsprechend oft zu hören ist. Es gibt sogar einen dynamischen Musikwechsel beim Auftauchen von Feinden - ebenfalls mittlerweile typisch für die Zelda-Serie. Kondos größte Aufgabe aber bestand darin, die vielen einzigartigen Melodien wie Song of Storms oder Saria's Song zu entwickeln, für die Ocarina of Time und der Nachfolger Majora's Mask bekannt sind.
Und dabei standen dem Komponisten nur fünf Töne zur Verfügung, denn so viele Tasten konnten Spieler zum Pusten in die Okarina benutzen. Übrigens: Der Bolero des Feuers verwendet dieselben Trommelrhythmen wie Ravels Bolero, Koji Kondo scheint also ein großer Fan des Franzosen zu sein. Dass die Spieler in dem meistverkauften Zelda aller Zeiten überhaupt selbst das Instrument spielen können, ist Shigeru Miyamoto zu verdanken. Der heutige Chefentwickler setzte sich gegen andere Mitglieder des Teams durch, die das häufige Spielen der Okarina für zu repetitiv hielten. Der Serienvater hatte zwar zeitweise ebenfalls Zweifel an der Spielmechanik. Er kam aber letztlich zu dem Schluss, dass es für Spieler viel zufriedenstellender sei, etwas durch das Spielen eines Instruments zu erreichen, als einfach einen Zauber auszuführen.
Doch Miyamoto blieb freilich nicht der einzige Entwickler, der Einfluss auf die Musik der Spiele ausübte. Der heutige Verantwortliche, Eiji Aonuma, begann direkt bei seinem ersten Projekt als leitender Entwickler, seine musikalischen Präferenzen einzubinden. Aounuma ließ das Volk der Goronen mit Bongos spielen, seinem Lieblingsinstrument. Dazu passt natürlich, dass in der Goronenstadt aus Ocarina of Time schon stark von Trommeln geprägte Hintergrundmusik lief. Übrigens: Eiji Aounuma interessiert sich persönlich sehr für Musik, insbesondere für Perkussionsinstrumente, und spielt sogar mit einigen Kollegen zusammen in einer Band.
Neben seinen leitenden Entwicklern lässt sich Koji Kondo bei seiner Arbeit natürlich auch von einem weiteren Aspekt beeinflussen: dem Spiel selbst. Der Komponist ist ungewöhnlich stark in die Entwicklung der Software involviert und bekommt auch kleinste Details zu sehen, für die er musikalische Untermalung schaffen soll. Beispielsweise läuft bei einer Streitszene in Majora's Mask die Musik immer aus dem Lautsprecher, der der Seite der gerade redenden Partei entspricht. Übrigens: Der Soundtrack des "düstersten Zeldas" ist aufgrund der zahlreichen Masken an traditionelle chinesische Opernmusik angelehnt und beinhaltet viele Becken- und Glockenelemente. Kondo lässt sich bei seiner Kompositionsarbeit also von der gesamten Aufmachung und dem Spielgefühl der einzelnen Serienteile inspirieren.
Das lässt sich immer wieder beobachten: Sind The Wind Waker und Skyward Sword wegen ihrer Freiheit (Meer / Wolkenmeer) und der recht unbeschwerten Atmosphäre größtenteils von hellen und fröhlichen Melodien geprägt, überwiegen in Spielen wie Twilight Princess düstere, teils surreale Lieder. Auffällig ist auch, dass Handheld-Ableger oft weniger neue Akzente setzen, sondern eher bereits bestehende Melodien neu arrangieren und teils mehr Experimente eingehen, als die großen Heimkonsolen-Zeldas - musikalisch wie spielerisch.
Übrigens: Twilight Princess war kurz davor, das erste Zelda mit orchestralem Soundtrack zu werden, das Team entschied sich aber dagegen (sogar im E3-Trailer von 2005 gab es schon Musik, die von einem Orchester eingespielt wurde). Koji Kondo, der damals bereits den Einsatz eines Orchesters forcierte, konnte sich letztlich bei Skyward Sword durchsetzen und im großen Stil arbeiten. Dabei steht ein solches Ensemble eigentlich völlig im Gegensatz zu dem, was die ersten Spiele der Adventure-Reihe ausmachten: simple Melodien ohne Schnickschnack, die sich durch ihre Einfachheit und andauernde Wiederholung fest im Gedächtnis verankerten. Da der Komponist aber immer schon mit einfachen Mitteln den Schein einer großen Komplexität und Varietät wahrte - gerade als der Speicherplatz für seine Sounds noch stark begrenzt war - bereitet es Kondo keine Probleme, auch mit ungleich vielfältigeren Mitteln einen Soundtrack mit Ohrwurm-Garantie zu erschaffen.
Nur noch in beratender Funktion war Kondo dann beim neusten Teil zuständig. Als Breath of the Wild während der E3 2014 das erste Mal gezeigt wurde, sahen Fans einen kurzen Teaser, der von einer friedvollen Szenerie in einen Kampf zwischen Link und einem Wächter überging. Begleitet wurde die Szenerie erst von sanften Klaviertönen und dann von nervenaufreibendem Geklimper, das aber nicht wirklich der finalen Musik in Kämpfen gegen die Lasermaschinen entspricht. Übrigens: Die ersten drei hörbaren Töne sind direkt aus dem Intro von Ocarina of Time übernommen. Schon früh in der Entwicklung von Breath of the Wild war also die grundsätzliche Richtung der Musik klar. Erstmals verließ man sich auf das Klavier als hauptsächliches Instrument - und lag damit abermals in Bezug auf die Atmosphäre des Spiels goldrichtig.
Während die eigentlichen Kompositionen sich in Breath of the Wild logischerweise eher zurückhalten, erlebt dafür das Sounddesign in dem Open-World-Adventure ein neues Hoch. Klar sind die vielen verschiedenen Sounds für Tiere und Monster beeindruckend - Bokblins könnte man sogar beim In-der-Nase-popeln zuhören. Dennoch sorgen zwei andere Faktoren dafür, dass sich Hyrule hier so lebendig wie nie anfühlt. Einerseits sind es die facettenreichen Geräusche der namensgebenden Wildnis: das Heulen des Windes, das Zirpen der Grillen, hier heult ein Wolf, dort zwitschern einige Meisen und ein Uhu will mit einem lauten "Huhu" vergeblich für Ruhe sorgen. Der Atem der Wildnis ist förmlich greifbar. Andererseits erreicht der in Ocarina of Time eingeführte dynamische Musikwechsel hier einen vorläufigen Höhepunkt. Die unbekümmerte Stille wird schnell von Kampfmusik abgelöst, wenn Link auf Monster trifft. Ist der Kampf vorbei, hört die Musik nicht abrupt auf, sondern geht nach einem ordentlichen Abschluss wieder in Wildnisgeräusche über.
Bereits aus einiger Entfernung lässt sich darüber hinaus erahnen, dass in der Nähe beispielsweise ein Stall steht oder der wandernde Orni Kashiwa sein Akkordeon spielt. Kommt Link solchen Orten näher, wird deren Hintergrundmusik langsam immer lauter. Hervorzuheben ist auch die Reitmusik, die sich langsam aufbaut, wenn sich das Pferd im Galopp befindet. Übrigens: Auch hier kommt wieder das originale Overworld Theme zum Vorschein - nachts. Tagsüber lässt sich an gleicher Stelle Zeldas Wiegenlied finden. Die Unterschiede zwischen Tag- und Nachtmusik sind in Breath of the Wild ausgeprägter denn je. Die "Nachwuchs"-Musiker verknüpften im neuen Zelda also genauso gut wie Kondo das Spiel und dessen Atmosphäre mit dem so wichtigen Soundtrack. Der sehr ruhige Score steht für die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, der wiederum visuell sichtbar um das Schloss Hyrule wabert. Wenn ein Zeldaspiel also schon keine zeitlosen Ohrwürmer im Gepäck hat, setzt es in Sachen Sounddesign und auditiver Kohärenz neue Maßstäbe.
Was lässt sich letztlich festhalten? Die Musik in The Legend of Zelda gewann mit fortschreitendendem Stand der Technik klar an Volumen. Die Produktion eines neuen Soundtracks lebt dabei maßgeblich von den musikalisch und technisch hervorragenden Grundlagen aus den ersten Spielen. Kondo und sein Team können aber mit jedem neuen Eintrag wieder überzeugen - sei es durch gänzlich neue Kompositionen oder skurrile Einfälle – etwa den, ein bekanntes Stück im Rückwärtsgang zu inszenieren. Immer wieder sorgen außerdem neue, nicht konventionelle Instrumente wie Okarina oder Panflöte für frische Impulse. Die Musik in Zelda wächst an ihren Aufgaben, so war es schon immer und so wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bleiben.
Welche Erfahrungen verbindet ihr mit The Legend of Zelda und insbesondere der Musik der Serie? Gefallen euch eher die früheren Sounds, die sich auf die Melodie konzentrieren? Oder seid ihr Anhänger der kompletteren Spielmusik mit ihrer Imposanz und Vielschichtigkeit? Schreibt eure Gedanken hier in die Kommentare!
Ach neee... Ist wieder zelda :P