Test

Metroid Prime 4: Beyond

Von Lars Peterke am 15.12.2025

Zur E3 2017 angekündigt, jetzt endlich erschienen: Nach achteinhalb langen Jahren des Wartens ist Metroid Prime 4 fertig. Zum Vergleich: In derselben Zeitspanne haben die Duffer-Brüder ihre vier verbleibenden Staffeln Stranger Things aus dem Boden gestampft. Trotz des sehr gelungenen Metroid Dread und dem grafisch anstandslosen Remaster des ersten Metroid Prime stiegen die Erwartungen an das neue Samus-Abenteuer mit jedem Jahr. Denn selbst zwischen dem monumentalen Shift der Zelda-Reihe von Skyward Sword zu Breath of the Wild lagen “nur” sechseinhalb Jahre. Erwartet uns nun als die bahnbrechende Neuerfindung der Reihe? Und kann das neue Metroid-Spiel der Retro Studios diesem Druck standhalten? Wir haben es getestet.

Die Rückkehr von Sylux

Storytechnisch schlägt Metroid Prime 4 ein neues Kapitel auf. Nachdem die Phazon-Story in der ersten Trilogie abgeschlossen wurde, holt Teil 4 den bereits aus dem Nintendo DS Spinoff bekannten Antagonisten Sylux zurück, der zu Spielbeginn mit den Space Pirates eine Station der Galaktischen Föderation angreift. Dabei wird ein mysteriöses Artefakt aktiviert, welches Sylux, Samus und einige Truppen der Föderation auf den Planeten Viewros befördert. Dort deckt Samus im Spielverlauf den Niedergang des Volkes Lamor auf und versucht letztendlich zusammen mit den anderen Überlebenden den Planeten zu verlassen. Dies soll mit einem sogenannten Master Teleporter klappen, für dessen Nutzung allerdings zunächst fünf Schlüssel auf dem Planeten gefunden werden wollen.

Typischerweise wäre diese Aufgabe ein reiner Solotrip. In Metroid Prime 4 hingegen finden immer wieder Interaktionen mit den anderen Überlebenden statt. Sei es als Storysequenz oder in vereinzelten Gameplay-Passagen. Das ist ungewohnt, doch der Spagat gelingt. Die Zwischensequenzen sorgen für mehr cineastischen Anspruch und die Spielpassagen mit Begleitung bringen Abwechslung, die meiste Zeit ist man aber wie üblich bei Metroid Prime auf sich allein gestellt und das Spiel bleibt gewohnt atmosphärisch. Dennoch ist an dieser Stelle ist eine erste Erkenntnis wichtig: Metroid Prime 4 ist offenkundig Nintendos erster ernstzunehmender Versuch, einen Triple-A-Titel nach modernen Branchenstandards abzuliefern. Das versucht das Spiel laufend deutlich zu machen, nicht nur durch ein bedeutungsschwangeres “Nintendo presents…” noch vor dem Startbildschirm. Und damit geht auch ein deutlicher Genre-Shift einher. Weg vom klassischen Metroidvania (und damit auch Metroid Prime) hin zu einer massenkompatibleren First Person Erfahrung.

The Legend of Samus

Die Produktion von modernen Blockbuster-Games ist teuer, gerade wenn man kein phantasievolles Rollenspiel entwickelt, sondern einen Action-Titel im Weltraum mit realistischer Optik. Audiovisuell muss hier alles sitzen, Konkurrenz gibt es genug. Betrachtet man aber die Verkäufe bisheriger Serienableger, so reden wir hier von Zahlen, die gewiss nicht das Produktionsbudget eines umfassenden Triple-A-Brechers decken.

Umso erstaunlicher, dass Metroid Prime 4 keine Kompromisse macht. Im Gegenteil: Musik, Zwischensequenzen und Grafik sind ein Volltreffer. Das Spiel sieht absolut fantastisch aus, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir hier von einem Spiel für die Nintendo Switch sprechen. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Art Direction. Alle Spielareale, die Architektur, haufenweise Details bei den Spezialeffekten, die Bossgegner sowie das Sounddesign sind allesamt erstklassig. "The money is on the screen", wie man so schön sagt.

Dies reicht auch so weit, dass das Spiel in der Switch 2 Edition eigentlich nur mit besseren Texturen und Details in 4K daherkommt und sich dennoch nicht vor anderen Action-Titeln auf aktuellen Systemen verstecken muss. Außerdem läuft das Spiel permanent mit butterweichen 60 FPS. Wem das nicht ausreicht, der kann das Spiel auch nur in Full HD spielen, bekommt dafür aber satte 120 FPS. Ein Luxus, den viele andere Spiele des Genres gar nicht bieten. Das ist insbesondere sinnvoll, wenn man Metroid Prime 4 mit der wirklich gelungenen Maussteuerung spielen möchte. Das wirft sogar die Frage auf, warum Nintendos neue Konsole bisher noch nicht zum neuen Shooter El Dorado erklärt wurde.

Entgegen der Präsentation werden spielerisch hingegen viele Kompromisse gemacht. Oder sollte man besser sagen: Zugeständnisse? Während Metroid Dread noch eine sehr klassiche Metroid-Erfahrung bot, wollte man sich mit Metroid Prime 4 wohl mehr am Mainstream orientieren. Daher ist die Gestaltung der Spielwelt mit ihren einzelnen Arealen kaum verworren, sondern klar voneinander getrennt. Sie werden durch eine große Wüste miteinander verbunden, die Samus mit einem Motorrad durchquert. Das klingt erstmal ungelenk, spielt sich aber spannender als das belanglose Zusammentackern der einzelnen Areale mit Raumschiff-Landepunkten aus Metroid Prime 3.

Die fünf an die Wüste angeschlossenen Gebiete sind ähnlich schnörkellos. Während sich etwa die Chozo Ruinen in Metroid Prime über den gesamten Spielverlauf mit dem Erlangen weiterer Fähigkeiten nach und nach freischälen und erst spät ihre wahre Größe offenbaren, spielt man die Gebiete im neuen vierten Teil immer direkt von vorne bis hinten durch. Kehrt man dann später mit neuen Fähigkeiten zurück, lassen sich zwar am Wegesrand lauter Power-Ups aufspüren, wirklich neue Bereiche gibt es aber fast nie zu erkunden. Wer ein Gebiet einmal beendet hat, hat auch schon fast alles davon gesehen. Damit sind die einzelnen Areale eher mit einem Zelda-Dungeon vergleichbar und die Wüste des Planeten Viewros ist eine Art Variation der Hyrule Fields. Entsprechend wenig hat Metroid Prime 4 in Gänze dann noch mit einem komplexen Metroidvania oder gar seinem Serienvater zu tun und präsentiert sich eher als Genre-Mix.

Haufenweise Features für die Tonne

Mit dem Umbau in der Spielstruktur ist Metroid Prime 4 sehr einsteigerfreundlich. Das wäre grundsätzlich auch in Ordnung, wäre da nicht die Tatsache, dass man diese neue Designphilosophie bis in den letzten Winkel auslebt. Während man die Linearität zu Beginn noch als Tutorial-Nebeneffekt abtut, wird nach einiger Spielzeit schnell klar: das bleibt jetzt die ganze Zeit so. Es ist immer klar wo es als nächstes hingeht und falls man doch mal nicht direkt eine Idee hat, wird es einem vom Spiel recht zügig mitgeteilt. Das wird oft auch in Nuancen deutlich. So dauert es in jedem Areal nur wenige Minuten, bis einem die Gebietskarte um die Ohren gehauen wird. Man muss sich die Spielwelt nie selbst erschließen und es gibt auch keine Kreuzverbindungen zwischen den Gebieten, sie sind alle mit exakt einem Ein- und Ausgang an den zentralen Wüsten-Hub angeschloßen.

Darüber hinaus fehlt es auch an spielerischer Komplexität. Das vierte Spielgebiet Flare Pool ist stellenweise so weit heruntergekocht, dass man phasenweise lediglich geradeaus läuft und auf Türen schießt, während Zwischensequenzen hin und wieder ein kleines Setpiece einstreuen. In Sachen Komplexität operiert Metroid Prime 4 hier ungefähr auf dem Niveau eines beliebigen Konsolen-Shooters aus einer Zeit, in der das Genre noch laufen lernte, bevor Titel wie BioShock einen neuen Benchmark setzten. In diesen Momenten ist Metroid Prime 4 ist für die Switch das, was Ryse: Son of Rome für die Xbox One und The Order: 1886 für die PlayStation 4 waren.

Eine Betonung liegt hierbei auf “In diesen Momenten”, denn es gibt durchaus auch positive Gegenbeispiele. Zunächst erhält Samus diverse telekinetische Fähigkeiten, die sogenannten Psy-Kräfte. Mit ihnen lassen sich Schalter bewegen, Energie-Orbs platzieren und versteckte Objekte aktivieren. Morph Ball Bomben lassen sich ebenfalls aufheben, um diese dann als Energie-Orbs zu missbrauchen. Ein cleverer Twist in manchen Situationen. Der neue Psy-Beam startet eine begrenzte Slow-Mo und lässt sich dann frei lenken während der Spider Ball um eine coole neue Slingshot-Mechanik erweitert wurde.

Wenn Metroid Prime 4 dann im dritten Areal Ice Belt einen Großteil dieser spielerischen Einzelbestandteile klug miteinander verzahnt, läuft das Spiel trotz des linearen Designs zur absoluten Höchstform auf und ist eine glatte 10 von 10. Merkwürdigerweise bleibt es aber bei diesem einen positiven Ausreißer. In allen übrigen Gebieten sind es immer nur kleine Momente in denen das große Potential durchschimmert. Die Shootouts sind oft belanglos, die Puzzle-Einlagen werden nie wirklich anspruchsvoll und auch aus dem Environmental Storytelling hätte man mehr machen können. Gerade das letzte große Spielareal Great Mines ist erschreckend uninspiriert. Selbst mächtige Power-Ups wie etwa Energy Tanks liegen hier quasi am Wegesrand. Metroid Prime 4 fährt zwar eine große Bandbreite an coolen Mechaniken auf, setzt diese dann aber nur lieblos ein ohne dem Spieler dabei mehr Komplexität zuzumuten. Es fehlen die cleveren Kombination bei denen man als Spieler um die Ecke denken muss. Es wirkt fast, als hätten die Veteranen der Retro Studios einen beeindruckenden Werkzeugkasten zusammengestellt, nur um das finale Spiel dann von ihren Praktikanten zusammenstecken zu lassen.

Insbesondere im letzten Drittel ächzt das Spielgerüst unter dieser Last und fällt dann in sich zusammen. Mit uninspirierten Aufgaben und zu viel Backtracking an die immergleichen Orte rettet sich das Spiel noch auf eine Gesamtspielzeit von knapp 15 Stunden. Bei den Gegnertypen fällt irgendwann die mangelnde Varianz negativ auf und das große Finale der Story ist eher belanglos. Die in der Hub-Wüste verteilten Unlockables wie etwa die Rätsel-Schreine für die Beam-Upgrades sind zwar eine nette Idee, das Shooter-Gameplay ist aber selten fordernd genug, als dass man diese wirklich benötigen würde. Auch das Motorrad verkommt zum reinen Transportmittel und findet ansonsten kaum Beachtung im Gameplay. Einzig bei den Bosskämpfen schafft es Metroid Prime 4 auch spielerisch von Beginn bis zum Ende sein erstklassiges Niveau zu halten. Alle übrigen Emente schwanken im Verlauf des Spiels zu sehr in ihrer Qualität. Am Ende wird man zwar trotzdem nett unterhalten, aber eben nur nett. Gerade mit der Neuausrichtung als linearere Shooter-Erfahrung mit Puzzle-Aspekten fallen einem direkt reihenweise Spiele ein, die das Gezeigte schon vor 15 Jahren besser dargeboten haben. Schade.

Fazit

Es ist zum Haare ausreißen: Metroid Prime 4 bringt alle Zutaten für ein herausragendes Spielerlebnis mit, schafft es aber nur selten diese klug miteinander zu kombinieren. Über weite Strecken verkommt Samus’ neuestes Abenteuer zum belanglosen Allerlei und richtiges Flair kommt immer nur phasenweise auf. Tatsächlich ist das Spiel damit auch schwierig zu bewerten, gerade durch seine Neuausrichtung im Genre-Mix. Als Fan der Prime-Reihe ist man unterfordert und als Metroidvania-Entusiast kann man nur enttäuscht sein und das Spiel mit einer 6 von 10 abstrafen. Serien-Neulinge empfinden die Spielstruktur hingegen vielleicht sogar als angenehm. Darüber hinaus ist Metroid Prime 4 Nintendos erster richtiger Vorstoß in ein Genre, welches auf ihren Konsolen bislang eher kaum präsent war. Soll heißen: einige Nintendo-Anhänger wissen es vielleicht nicht besser, lesen diese Review mit weit aufgerissenen Augen und posten danach die maximale Userwertung auf Metacritic. Die Wahrheit liegt wie so oft aber vermutlich irgendwo dazwischen. Metroid Prime 4: Beyond ist zwar grundsätzlich gelungen, kann sich aber nicht so recht entscheiden, was für ein Spiel es sein will. Der Genremix will nicht wirklich zünden und in den Einzeldisziplinen gibt es zu viele andere Spiele, die es merklich besser machen.

Unsere Wertung:
7.5
Lars Peterke meint: "Samus in der Sinnkrise: Metroid Prime 4:Beyond ist optisch erstklassig, spielerisch aber leider nur gehobenes Mittelfeld."
Metroid Prime 4: Beyond von Retro Studios erscheint am 04.12.2025 für Nintendo Switch und Nintendo Switch 2. Wir haben die Version für Nintendo Switch 2 getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Nintendo zur Verfügung gestellt.
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