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In der Hand gehabt: Nintendo Switch 2

Von Tim Herrmann am 25.04.2025

Hinter dem milchig-weißen Vorhang glitzert es schon bunt. Die ersten Münzen klingeln, die ersten Motoren heulen.

Mario wartet. Im Kart.

Wie die Motten zum Licht strömen die rund 100 Ersten, die in Deutschland öffentlich Switch 2 spielen, durch den Vorhang und an die Konsolen. Jeder Besucher muss erst mal eine Runde in Mario Kart World drehen. Auf 50cc. Erst dann öffnet Nintendo die ganze Switch 2-Welt im Obergeschoss. Es sind die ersten Schritte in eine neue Nintendo-Konsolengeneration.

„Switch 2 Experience“ nennt Nintendo die weltweite Tour, die an diesem April-Wochenende zum ersten und einzigen Mal in Deutschland stoppt, bevor die neue Konsole am 5. Juni 2025 auf den Markt kommt. Wir waren da und haben das Lineup der ersten Monate gespielt. News gab es keine aus Berlin, alle Spiele und Demos waren aus der Nintendo Direct von Anfang April und den Treehouse-Livestreams bekannt. Doch echte erste Eindrücke sind immer besser als nur ein Video. Hier sind fünf:

1. Die Switch ist erwachsen geworden

Die neue Nintendo-Konsole ist gewachsen. Bildschirm, JoyCon: alles sichtbar größer. Aber sie scheint auch erwachsener geworden zu sein. Verschwunden sind die quietschbunten Controller. Nur ein paar Farbakzente verweisen noch auf den Ursprung der Switch. Die Verarbeitung wirkt deutlich hochwertiger als die ebenfalls schon nicht klapprige Switch 1. Die Magnet-Befestigung der JoyCon-Controller ist bombenfest, niemand braucht sich darum Sorgen zu machen. Der Stand auf der Rückseite verstellt sich stufenlos weich und stützt trotzdem. Besonders wertig fühlt sich der angenehm schwere neue Pro Controller an, mattschwarz mit weißer Oberseite. Ohne Kanten und Nähte, ohne Schnörkel und Glitzer. Wie die Konsole selbst.

2. Mario Kart World ist so groß geworden, dass es Gefahr läuft, sich in sich selbst zu verlaufen

Glitzer gibt’s dann wiederum mehr als reichlich auf dem Bildschirm, denn so erwachsen die Konsole geworden sein mag, so herrlich kindlich-fröhlich Nintendo-like sind die kunterbunten Spiele geblieben. Allen voran das neue Mario Kart World, Nachfolger von Mario Kart 8, mit mehr als 67 Millionen verkauften Exemplaren das mit Abstand erfolgreichste Switch-Spiel (Wii U-Version noch gar nicht eingerechnet).

Mario Kart ist jetzt eine (Open) World. Das heißt: Es gibt zwar Strecken, man weiß aber manchmal nicht so genau, wo sie anfangen und wo sie aufhören. Bei der Switch 2 Experience hat Nintendo uns auf Knockout-Tour geschickt. Unter allen Mitspielern wird ein Kurs ausgelost, der dann aus mehreren miteinander verbundenen Abschnitten besteht. Wer einen Abschnitt nicht vor einer bestimmten Position beendet, fliegt vorzeitig aus dem Rennen. So ein Rennen kann dann also kurz sein – oder etwa eine Viertelstunde dauern. Bei 24 Teilnehmern gibt es immer reichlich, die sich kurz vor dem Checkpoint noch ein paar Positionen nach vorn kämpfen wollen – notfalls mit Hilfe von Bananen, Panzern, Bumerangs oder Hämmern.

Mario Kart World bleibt damit so chaotisch, so aufregend und so wunderbar unfair wie immer. Was aber beim Spielen auffällt: Weil nun dauerhaft so viele Fahrer auf der Strecke sind, sind die Umgebungen viel weitläufiger. Straßen sind breiter, Kurven weiter, Hindernisse verstreuter. Die engen Kurvenkombinationen einer Donut-Ebene 3 oder die fein aufeinander abgestimmten Schikanen von etwa Bowser’s Festung aus Mario Kart 8 fehlen ein wenig. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob ich jetzt auf einer der ausbalancierten Strecke war oder im Open-World-Zwischenbereich. Ich hatte jedenfalls nicht oft den Eindruck, mit fahrerischer Mario-Kart-Raffinesse viel aus meinem Rennen rausholen zu können – zumal mir die dritte Boost-Stufe fehlte. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass sich die Fahrphysik und damit das Spielgefühl deutlich verändert haben. Mario Kart World fühlt sich „weicher“ an als Mario Kart 8. Kurven sind softer, Boosts irgendwie sanfter, Treffer haben kürzere Wirkung. Nintendo hat die Spielbalance auf die neue 24-Fahrer-Realität angepasst. Veteranen werden sich umgewöhnen müssen.

3. Keine neue Konsole ohne neue Tech-Demos

Das gilt umso mehr für die, die sich eines der richtig neuen Spiele aussuchen. Drag x Drive etwa, das völlig unerwartete Rollstuhl-Basketball-Spiel von Nintendo, das die Mausfunktion der neuen JoyCon 2 nutzt. Jede Hand bedient dabei mit langen, schnellen Streifbewegungen auf einer glatten Fläche ein Rad – so beschleunigen beide Hände zusammen oder lenken nach links oder rechts, wenn die eine etwas schneller oder weiter schiebt als die andere.

Funktioniert das? Überraschend gut. Selbst auf dem Oberschenkel. Ist das ein komfortables Spielerlebnis? Nein. Macht das besonders viel Spaß? Ehrlich gesagt auch nicht. Die Bewegungssteuerung beim Korbwurf ist zwar befriedigend und mit viel Übung können sicher auch gute Passkaskaden und Matches entstehen, aber das neue Splatoon wird Drag x Drive nicht. Dafür ist es auch zu grau, zu düster, zu eintönig gestaltet. Ich betrachte es eher als das neue ARMS – das war ein buntes Boxspiel, das um den Launch der Switch herum erschien. Mehr als eine Eintagsfliege wurde es nicht. Ich fürchte: Drag x Drive auch nicht.

4. Switch 2 ist gar nichts Neues …

Den Anspruch, mehr als eine Alltagsfliege zu sein, erhebt die „Nintendo Switch Welcome Tour” natürlich als allerletztes. Es handelt sich um eine interaktive Bedienungsanleitung, für die Nintendo 10 € verlangt. Ja, es gibt neben den trockenen Info-Tafeln auch einige Minispiele, in denen eifrige Highscore-Jäger Medaillen sammeln können. Aber irgendwie wirkt das alles ein bisschen schräg. So illustriert ein Minispiel beispielsweise die Unterschiede zwischen 30, 60 und 120 frames per second (fps), indem es die Spieler raten lässt, in welcher Framerate ein Ball über den Bildschirm hüpft. Oder es zeigt anhand des Levels 1-1 in Super Mario Bros., wie sehr sich die 4k-Auflösung der Switch 2 von den 256x240 Pixeln des NES unterscheidet.

Die Switch 2 Welcome Tour soll zeigen, so erzählt die Promoterin am Stand, dass die neue Konsole eben nicht nur ein Update ist, sondern richtig viele neue Dinge kann. Tatsächlich zeigt die Tech-Demo aber exakt das Gegenteil: Die Nintendo Switch 2 ist eine Nintendo Switch, die dank neuer Technik jetzt auch Branchenstandards wie 4k und 60fps (bzw. in manchen Szenarien sogar 120fps) beherrscht; deren HD-Rumble jetzt noch besser und deren Bildschirm jetzt noch heller ist.

5. … aber das ist völlig okay.

Genau das ist es, was ihr Name vermuten lässt, und genau das ist es, was man mit der Switch 2 bekommt. Mehr. In besser. Besonders eindrücklich haben das die Switch 2-Editionen von The Legend of Zelda: Breath of the Wild und Tears of the Kingdom bewiesen, die auf der Switch 2 einfach himmlisch aussehen.

Eine neue Spielerfahrung ist die Nintendo Switch 2 nicht. Trotzdem bin ich mir sicher: Viele werden sie genauso lieben wie ihre Vorgängerin. Allein wegen Spielen wie Metroid Prime 4, das seit 18 Jahren (Release von Teil 3), spätestens aber seit 6 Jahren (seit dem ersten Teaser) auf sich warten lässt. Der neue Teil sieht in 1080p mit 120fps super stylish aus, spielt sich wahnsinnig flüssig und greift sofort den Vibe von Metroid Prime 3: Corruption auf. Die Steuerung ist vielseitig: mit Sticks, mit Bewegungen, mit Maus – alles funktioniert super. Keine Frage: Auf Metroid Prime 4 kann man sich freuen.

Genau wie auf Donkey Kong: Bananza, das erste 3D-Abenteuer mit DK seit Donkey Kong 64. Das Spiel sticht vor allem durch seine herrlichen Animationen heraus, etwa mit der tierisch-kindlichen Freude von DK, wenn er eine Glitzer-Banane findet. Das Gameplay mit komplett zerstörbaren Welten wirkte mitunter noch ein wenig chaotisch, wild und unstrukturiert. Selbst die leicht ruckelige Karte hilft manchmal kaum dabei, einen Überblick darüber zu gewinnen, in welchen Felsen man sich da bugsiert hat. Mit den vielen versteckten Sammel-Extras, zig alternativen Routen und abwechslungsreichen Missionen wird es aber sicher gut und lange unterhalten. Zumal das Spiel in jeder Faser die Handschrift des meisterhaft kreativen Super-Mario-Odyssey-Teams von Nintendo EAD Tokyo trägt. Was soll da schiefgehen?

Eindruck

Was soll da noch schiefgehen? Das könnte auch das Fazit dieses ersten Anspielens der Nintendo Switch 2 sein. Sie liefert genau das, was alle erwarten: eine neue Switch. Bigger and better, aber vielleicht nicht bolder. Die neue Konsole macht die richtigen Dinge richtig und geht ansonsten keine großen Risiken ein. Wie so oft im Nintendo-Zyklus, in dem jede zweite Konsole direkt auf der vorherigen aufbaut. Wer in den kommenden Jahren Nintendo-Spiele spielen will, braucht sie ohnehin. Und die ersten Nintendo-Spiele, die bei der Switch 2 Experience zu erleben waren, lassen vermuten: Auch in den kommenden Jahren wird es sich lohnen, Nintendo-Spiele zu spielen. Dann halt ab Juni auf der Nintendo Switch 2.

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